Musikalische Schleifen von Bach bis Sido
In ihrem gemeinsamen Projekt „Hip-Hop meets Klassik“ begeben sich Annette und Yannick Hölzl auf die Suche nach Verbindungslinien in der Musikgeschichte. Aus dem Zusammenspiel zwischen modernen, elektronischen Einflüssen und klassischer Musik erwächst ein besonderer Reiz.

© Tobias Sellmaier
Yannick-Noah und Annette Hölzl arbeiten gemeinsam im Proberaum in Kirchberg an neuen Songs. Der Gitarre spielende Papst Franziskus an der Wand bildet die Kulisse für Instagram-Videos zu ihrem Buch „Warum ein Papst die Rockmusik erfunden hat“. Foto: Tobias Sellmaier
Kirchberg an der Murr. Was hat die Sendung mit der Maus mit Johann Sebastian Bach zu tun? Oder Star Trek mit Gustav Mahler? Wer das und vieles mehr wissen möchte, der sollte Annette Hölzls Buch „Warum ein Papst die Rockmusik erfunden hat“ (Büchner-Verlag, Oktober 2024) lesen. Noch aufschlussreicher ist aber der Besuch eines ihrer Konzerte, in denen die Pianistin und Klavierlehrerin aus Kirchberg an der Murr ebenjene Verbindungslinien vertont und so für die Zuhörerinnen und Zuhörer begreifbar macht. Mit Erfolg tat sie dies im Format „Mixed Classics“, gemeinsam mit Drummer Marius Hamann, bis die Coronapandemie das Projekt zum Erliegen brachte. Nun hat sie einen neuen Bühnenpartner, der das Format – jetzt allerdings unter dem Titel „Hip-Hop meets Klassik“ – noch einmal um eine neue Facette bereichert: Es handelt sich dabei um ihren Sohn Yannick-Noah Hölzl.
Der 28-Jährige ist kein Unbekannter, allerdings verbindet man ihn gewohnheitsmäßig zunächst einmal mit einem ganz anderen Metier: Hölzl spielte nämlich jahrelang auf hohem Niveau Handball, unter anderem als Torhüter für den TVB Stuttgart, wo er sogar einige Bundesligaeinsätze verbuchen konnte. Auch für ihn bedeuteten die Pandemiejahre eine Zäsur, nicht nur weil sie für den Handballsport eine Zwangspause bewirkten. „Ich habe mir damals viele Gedanken gemacht, wo es für mich im Leben noch hingehen soll. In dieser Zeit kam der Entschluss: Jetzt höre ich mit Handball auf und fokussiere mich auf die Musik.“
Musikalische Grenzen aufbrechen
Denn die Musik, gleichwohl während der Handballjahre im Hintergrund, spielte schon immer eine große Rolle im Leben des jungen Mannes, der heute unter dem Künstlernamen Noian – ein Kofferwort aus seinen beiden Vornamen Noah und Yannick – als Rapper und Producer insbesondere im Bereich Hip-Hop unterwegs ist. „Er hatte eine musikalische Früherziehung, aber hundertfach, weil er ja sehr oft bei meinen Kursen dabei war“, sagt Annette Hölzl. „Außerdem war sein Zimmer gleich nebenan, trotz Schallschutztür hat er da natürlich viel mitgehört.“ Er lernte Flöte und etwas Klavier, in der Jugend auch Schlagzeug, mittlerweile nimmt er Gesangsunterricht. Dann lag der Fokus einige Jahre lang auf dem Sport, aber durch den Freundeskreis sei der Hip-Hop sehr präsent in seinem Leben gewesen.
Der Entschluss war gefasst, Hölzl begann ein Fernstudium der Musikproduktion am Hofa-College bei Karlsruhe. Mittlerweile wohnt er in Ludwigsburg, wo er sich im Laufe der Zeit ein eigenes Studio eingerichtet hat. Er ist als Solokünstler aktiv und möchte ab Oktober in Monatsetappen seine erste EP auf verschiedenen Streamingplattformen veröffentlichten, steckt aber gleichzeitig viel Zeit und Energie in „Hip-Hop meets Klassik“ sowie in ein zweites Projekt, das er mit Annette Hölzl und fünf weiteren Künstlern unterschiedlicher Sparten – darunter der Nyckelharpaspieler Thomas Roth und der Backnanger Fotograf Wolfgang Irg – teilt. Im sogenannten Künstler Lab soll im Laufe der Zeit eine spartenübergreifende Kunstperformance entstehen.
Das Überschreiten vermeintlicher Grenzen in der Musik liegt Mutter und Sohn also gleichermaßen im Blut. „Ich bin von allem beeinflusst und versuche auch, aus allen Genres etwas rauszuziehen“, bestätigt Yannick Hölzl. „So war ja auch mal der Gedanke von Hip-Hop: Einfach irgendetwas zu nehmen, zu loopen und ein Sample daraus zu machen. Das versuche ich auch weiterhin zu leben.“
Immer mehr junges Publikum
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Loopen? Sample? Das Vokabular, welches Yannick Hölzl verwendet, wenn er über seine Musik spricht, steht in einem Kontrast zur klassischen Musikausbildung, welche die Ausführungen seiner Mutter kennzeichnet. Aus der Verbindung dieser beiden Welten erwächst jedoch auch der Reiz, der die Symbiose von Hip-Hop und klassischer Musik ausmacht. „Von dem, was er macht, verstehe ich nichts, gar nichts“, gesteht Annette Hölzl lachend. In der Tat sind die Klangmuster und Loops (Schleifen, in denen sich bestimmte musikalische Sequenzen beständig wiederholen), die Yannick Hölzl zum Projekt beiträgt, auf den ersten Blick weniger greifbar als die Klavierparts seiner Mutter. Das spiegele sich auch in der Resonanz. „Die jungen Leute schauen auf das, was er macht. Der ältere Herr schaut dagegen gerne zu, wie ich spiele, und er denkt, dass Yannick nur ein Knöpfchen drückt. Da muss man erst mal erklären, was da eigentlich passiert“, erzählt Annette Hölzl. Aus diesem Grund baut der Musiker seine Sounds nun zunehmend vor Publikum auf der Bühne und hat mit seiner sogenannten Pad Machine außerdem ein Live-Element zur Verfügung. Dabei handelt es sich vage um ein an ein Keyboard erinnerndes elektronisches Musikinstrument, mit dem man Trommelschläge und Klangmuster erzeugen kann. „Ich versuche das immer mehr zu integrieren, damit der Prozess nachvollziehbarer wird“, erklärt Yannick Hölzl.
Dass die beiden vor einem altersmäßig zunehmend gemischten Publikum spielen und überhaupt viel Offenheit für ihr Projekt erfahren, liege an dem, was ihr Sohn einbringe, ist sich Annette Hölzl sicher. „Da denken die Veranstalter zurecht, dass dann auch mehr jüngere Leute kommen.“
Damit das Zusammenspiel klappt, müssen allerdings viele Feinheiten ausgelotet werden, sowohl in musikalischer als auch in technischer Hinsicht. „Es ist ein bisschen tricky bei den Auftritten. Nicht zwischen uns, aber zwischen der Technik und dem Instrument“, sagt Annette Hölzl. Die gemeinsame Performance und auch die Arbeit an neuen Stücken laufe aber immer geschmeidiger. „Der erste Schritt ist immer ein Thema. Bei dem Stück, an dem wir gerade arbeiten, war das zum Beispiel Liebe“, erklärt die Pianistin den Schaffensprozess. Es folgt eine Art gemeinsames Brainstorming rund um das Hauptmotiv, dann sucht Annette Hölzl nach einem klassischen Einfluss, der thematisch und instrumental als Grundlage dient – in diesem Fall der Liebestraum von Franz Liszt. „Beim Spielen wurde bei mir ein Blues daraus, der in einen Tango übergeht.“ Jetzt kann Yannick Hölzl damit loslegen, darauf musikalisch einzugehen. Er macht einen Loop daraus und schreibt einen Text. „Und dann geht es an die Feinheiten“, sagt Annette Hölzl, wobei sie betont, dass jeder von ihnen das letzte Wort habe, wenn es um den eigenen Beitrag zum Gesamtwerk gehe: „Wir sind in einem musikalischen Prozess auf Augenhöhe.“
Weitere Infos Wer mehr über Annette Hölzl und ihre gemeinsamen Shows mit Yannick Hölzl alias Noian erfahren möchte, wird auf der Website www.hoelzl-musik.com fündig. Hier präsentiert sie Bilder, Videos, Songs und Texte sowie Neuigkeiten und Infos zu bevorstehenden Auftritten. Zu Noian gibt es außerdem eine eigene Website: www.noianverse.com.