TV-Tipp: „Mozart/Mozart“

Rock me, Amadeus!

In einer aufwendig produzierten ARD-Serie über die Geschwister Mozart stellt Maria Anna ihren berühmten Bruder Wolfgang in den Schatten.

Havana Joy und Eren M. Güvercin spielen in der neuen ARD-Serie „Mozart/Mozart“ die Wunderkinder Maria Anna und Wolfgang Amadeus Mozart.

© Armands Virbulis/WDR Story House

Havana Joy und Eren M. Güvercin spielen in der neuen ARD-Serie „Mozart/Mozart“ die Wunderkinder Maria Anna und Wolfgang Amadeus Mozart.

Von Tilmann P. Gangloff

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, deren Rolle in der Kunst gern auf die einer Muse reduziert wird. Aber wer hätte gedacht, dass Maria Anna Mozart ähnlich genial war wie ihr weltberühmter Bruder? Tatsächlich würde heute womöglich kein Hahn mehr nach Wolfgang Amadeus krähen, wenn seine ältere Schwester ihm nicht immer wieder aus der Patsche geholfen hätte, weil er im Laudanum-Rausch keine Note mehr zu Papier bringen konnte.

Dieser tollkühne Ansatz ist die Basis einer sechsteiligen Serie, mit der es der ARD wie schon bei Johann Sebastian Bach („Bach – Ein Weihnachtswunder“, 2024) gelingt, einen historischen Stoff so zu gestalten, dass er auch ein jüngeres Publikum erreichen kann: Als Mozart aus Wut über den Erzbischof, der während eines Konzerts einschläft, für einen Eklat sorgt, wird er in Salzburg zur Persona non grata. Weil Maria Anna nach dem Willen von Vater Leopold (Peter Kurth) einen Mann heiraten soll, den sie gar nicht kennt, fliehen die beiden Geschwister nach Wien. Eine Anstellung am kaiserlichen Hof würde finanzielle Sicherheit bedeuten, aber Joseph II. (Philipp Hochmair) hat mit Antonio Salieri (Eidin Jalali) bereits einen Kapellmeister. Trotzdem gelingt es den Mozarts, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Der Kaiser bietet den beiden Komponisten einen musikalischen Wettstreit an: Der Sieger soll eine Volksoper komponieren. Ausgerechnet jetzt ist Amadeus, der chronische Schmerzen mit einer Opiumtinktur bekämpft, zu nichts mehr zu gebrauchen.

Vergnügliche Ironie

All’ das hätte sich auch als braves öffentlich-rechtliches Drama erzählen lassen, aber Clara Zoë My-Linh von Arnim, Regisseurin der mit dem Grimmepreis gekrönten ARD-Serie „Die Zweiflers“ (2024), hat einen gänzlich anderen Ansatz gewählt. Zwar hat schon Milos Forman mit „Amadeus“ (1984) die Geschichte des Wunderkinds sehr entstaubt präsentiert, aber „Mozart/Mozart“ geht mindestens zwei Schritte weiter, zumal die Hauptfiguren bewusst modern gestaltet sind, auch wenn Eren M. Güvercin das Enfant terrible mit gelegentlichem Übereifer verkörpert. Die Hauptrolle spielt jedoch ohnehin Havana Joy, noch gut in Erinnerung als düstere Heldin in der Vampir-Serie „Love Sucks“ (2024, ZDFneo): Maria Anna muss sich als Frau in einer Männerwelt behaupten.

Zunächst zieht die Schwester als Managerin ihres Bruders bloß die Fäden, dann schlüpft sie verkleidet direkt in seine Rolle, um das Publikum am Klavier zu bezaubern, und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Die wundersamen Klänge tragen die Menschen in eine Fantasiewelt. Gerade Josephs Schwester Marie Antoinette ist regelrecht hingerissen und beginnt gar eine Affäre mit Amadeus. Die Königin von Frankreich, im Gegensatz zum asketischen Bruder ein Feierbiest, ist im Grunde nur eine Nebenfigur, aber Verena Altenberger versieht sie mit einer überaus vergnüglichen und gerne auch mal unzeitgemäßen Ironie, wenn Marie Antoinette Anführungszeichen in die Luft malt oder ihrem Bruder den Stinkefinger zeigt.

Clevere Cliffhanger

Der Aufwand, mit dem ARD und ORF die Serie umsetzen ließen, ist enorm, und das nicht nur wegen der Ausstattung und der vielen Kostüme. Gerade die kunstvolle Bildgestaltung mit ihrer oftmals agilen Kameraführung (Simon Dat Vu) lässt auch die Innenaufnahmen opulent erscheinen, wobei sich in vielen Momenten ein simples Farbkonzept als besonders wirkungsvoll erweist: Das spaßbefreite Dasein am Hofe Josephs ist optisch eher trist; das wahre bunte Leben spielt sich außerhalb der Palastmauern ab. Maria Anna setzt hier wie dort mit ihrer in Rot gehaltenen Kleidung einen unübersehbaren Kontrapunkt.

Ihre inhaltliche Komplexität verdanken die mit cleveren Cliffhangern endenden Episoden jedoch vor allem den von Andreas Gutzeit (Chefautor und Produzent) sowie Koautorin Swantje Oppermann ausnahmslos differenziert geschilderten Hauptfiguren. Ohne Fehl und Tadel ist allein Maria Anna, alle anderen folgen einer egoistischen Agenda: Amadeus missgönnt seiner Schwester den Erfolg und degradiert sie nach seiner Flucht aus der Klinik zur Notensekretärin. Zwischenzeitlich wirkt selbst Salieri sympathischer, auch wenn den Hofkapellmeister nicht mal seine Liebe zu Maria Anna davon abhält, die Volksoper der Mozarts nach Kräften zu sabotieren. Sogar Marie Antoinette, allem Hedonismus zum Trotz im Grunde eine tragische Figur, intrigiert gegen Amadeus, weil sie hofft, dass er sie im Fall eines Misserfolgs nach Paris begleitet.

Über allem schwebt die vortreffliche Musik Rebecca de Rooijs. In ihrem preiswürdigen Soundtrack sind die Melodien Mozarts raffiniert in die eigene Komposition integriert und das Ganze wirkt stellenweise wie eine Pop-Oper.

Info

Aktualität Für Autor und Produzent Andreas Gutzeit ist die Geschichte von Maria Anna Mozart „dringend aktuell“. Die Serie spiele zwar „in einer Welt voller Opulenz, Macht und künstlerischer Rivalität“, aber sie stelle Fragen, die auch heute noch relevant seien: „Wer wird gehört? An wen erinnert man sich? Und was bedeutet es, in einer Welt, die einen nicht sehen will, außergewöhnlich zu sein? Im Kern ist dies eine Geschichte über Genialität, Ehrgeiz und den Mut, sich Erwartungen zu widersetzen“ – und über eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus war.

Ausstrahlung Alle sechs Folgen des Sechsteilers sind bereits in der ARD-Mediathek verfügbar. Das Erste zeigt die ersten drei Folgen von „Mozart/Mozart“ dann am Dienstag, den 16. Dezember, und am Mittwoch, den 17. Dezember, die weiteren drei Folgen jeweils ab 20.15 Uhr.

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Erstellt:
12. Dezember 2025, 15:02 Uhr

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