Colours-Festival

Sidi Larbi Cherkaoui tanzt in „Nomad“ gegen Sandstürme an

Der Wüste entkommt keiner: Beim Colours-Tanzfestival erzählt Sidi Larbi Cherkaoui in „Nomad“ vom Klimawandel und einem Leben unter erschwerten Bedingungen.

Als trübe ein Sandsturm die Sicht: Szene aus „Nomad“

© Filip Van Roe

Als trübe ein Sandsturm die Sicht: Szene aus „Nomad“

Von Andrea Kachelrieß

Der Hitze entkommt beim Colours-Festival niemand. Just an den Tagen, als der Sommer in Stuttgart durchatmet, verdichtet sie sich auf der Bühne in der großen Halle des Theaterhauses. Bespielt wird sie von Sidi Larbi Cherkaoui und seiner Kompanie Eastman; der belgische Choreograf setzt sich in seinem Stück „Nomad“ mit den Bedingungen eines Lebens in der Wüste und mit seinen marokkanischen Wurzeln auseinander.

Ein ausgedorrtes Stück Erde, bis zum Horizont von Rissen durchzogen, zeigt auf einer Projektionsfläche im Hintergrund den unwirtlichen Ort, an dem zehn Tänzer davor das Überleben unter erschwerten Bedingungen für uns durchspielen. Sie kämpfen gebeugt gegen einen Sandsturm an, sind beim Fallen auf andere angewiesen, stapfen und robben durch schweres Gelände, kleben in Duetten wie feuchter Lehm aneinander, um am Ende ganz in ihm aufzugehen.

Klar, dass Tanz hier nicht verfeinert, sondern karg sein muss. Auch wenn die Wüste harte Kerle fordert, nur zwei Frauen gibt es im „Nomad“-Team, wirken Bewegungen verhuscht und unentschieden, als trübe ein steter Sandsturm die Sicht. Selbst Gruppenszenen fehlt die mitreißende Energie, die Hitze scheint alle Leidenschaft zu lähmen. Doch ohne sie bleibt der Tanz überraschend fahrig und uninspiriert.

Faszinierende Videobilder sorgen für Emotionen

Cherkaoui, bekannt für das Zusammenspiel vieler Kunstformen und Stimmungen, setzt in „Nomad“ auf Live-Gesang und Oud-Spiel. Klagende, orientalische Töne treiben den Tanz an. Doch es sind vor allem die faszinierenden Videobilder von Paul Van Caudenberg, die ihm einen Ort, Emotionen und eine Erzählung geben.

Die Hoffnung, dass Klimawandel und menschengemachte Zerstörung umkehrbar sind, schwingt mit, wenn fallender Regen oder die Explosion einer Atombombe plötzlich rückwärtslaufen. Doch statt einem glücklichen hat „Nomad“ ein dystopisches Ende: wenn die Erde als unerreichbarer, blauer Planet über der Wüste entschwebt und eine weitere Explosion sie in gleißendes Licht taucht. So macht Cherkaoui in „Nomad“ die Wüste zur Warnung. Ihr entkommt keiner, auch wenn draußen Regen fällt.

Info

TerminSidi Larbi Cherkaouis „Nomad“ ist nochmals am 8. Juli um 20.30 Uhr beim Colours-Tanzfestival zu sehen.

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Erstellt:
8. Juli 2025, 10:38 Uhr
Aktualisiert:
8. Juli 2025, 11:03 Uhr

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