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Wie weit geht ein Vater, um sein Kind zurückzuholen?

„Kein Weg zurück“ erzählt von einem Vater-Sohn-Konflikt vor dem Hintergrund islamistischen Terrors: Ein verzweifeltes Plädoyer für einen unmöglichen Dialog.

Vater Christian (Nikolaj Lie Kaas, hinten rechts) in der islamistischen Gruppierung

© Martin Dam Kristensen

Vater Christian (Nikolaj Lie Kaas, hinten rechts) in der islamistischen Gruppierung

Von Kathrin Horster

Staub, Geröll, zerschossene Ruinen und noch mehr Staub: In „Kein Weg zurück“, dem vierten Spielfilm der dänischen Serien-Regisseurin Charlotte Sieling („Borgen“, „Kommissarin Lund“) ist das von Krieg und Terror zerrüttete Syrien ein einziger, erbärmlicher Trümmerhaufen, kein Ort, wo Menschen wirklich leben könnten. Trotzdem ist der achtzehnjährige Däne Adam (Albert Rudbeck Lindhart) hierher gezogen. Nicht, weil er humanitäre Hilfe leisten will. Adam hat sich dem IS angeschlossen und wirbt online mit einem Maschinengewehr in der Hand für den Heiligen Krieg, um Gleichaltrige in den Terror zu ziehen. Adams Vater Christian (Nikolaj Lie Kaas), ein Ex-Soldat, ist dem Jungen dicht auf den Fersen. Auf der Suche nach seinem Kind hält er verzweifelt Telefonkontakt mit seiner Ex-Frau, die zuhause in Dänemark fürchtet, Christian könnte Adam mit seinen Vorwürfen nur noch weiter in die Ferne treiben.

Was treibt Jugendliche dazu, sich Islamisten anzuschließen?

Warum schließen sich junge Europäer Islamisten im Dschihad an? Und was kann man tun, um sie zurückzugewinnen? – Vordergründig ist „Kein Weg zurück“ eine Vater-Sohn-Geschichte und die einer kaputten Familie, aus der sich Adam, ein Kind mit ADHS-Symptomatik, zu befreien versucht, in dem es in einen fremden Krieg zieht. Charlotte Sieling erzählt Adams Geschichte aus der Perspektive des Vaters, der sich auf gefährlichsten Wegen durch die Kampfzonen bewegt, bis ins Hoheitsgebiet des IS, immer in der Gefahr, enttarnt und ermordet zu werden. Christians Erlebnisse sind grauenvoll, und obwohl Charlotte Sieling stark auf Spannung baut, treibt kein wohliger Thrill den Plot voran.

Sieling geht es ums Existenzielle, um die Frage, wie weit der Vater geht, um sein Kind zu retten. Christian verstrickt sich tief auf seiner Reise, erschießt sogar IS-Geiseln per Nahschuss in den Kopf, um sich als echter Mudschahed zu erweisen. Anschließend kotzt und weint er bitterlich. Die Gespräche mit dem aufgestöberten Adam verlaufen schwierig, in einer Mischung aus Bitten, Betteln und vorsichtigen Liebesbekundungen, die der Junge nur mit Vorwürfen und Hass beantwortet. Die familiäre und psychologische Ebene arbeitet Charlotte Sieling realistisch heraus, wobei Christian und Adam als prototypische Stellvertreter die Grundlagen einer Radikalisierungskarriere vorführen.

Vernunft kann dem Terror wenig entgegensetzen

Über den konkreten Vater-Sohn-Konflikt hinaus thematisiert Sieling das Verhältnis des Westens zum radikal-islamistischen Terrorismus, zeigt anhand des gegen Adam argumentierenden Christian, wie wenig Vernunft dem Terror entgegen setzen kann, wenn der sich auf massive Kränkungen und daraus resultierende Wut beruft.

Der Titel des Films verrät schon, dass es für Christian und Adam kein glückliches Ende geben wird. Alles andere wäre angesichts realer Fälle westlicher Konvertiten kitschige Schönfärberei. Für beide ist der Versuch des Dialogs trotzdem wichtig. Ob es doch irgendwann einen Weg aus dem Terror zurück geben kann, bleibt unbeantwortet.

Kein Weg zurück. Dänemark, Norwegen, Deutschland 2025. Regie: Charlotte Sieling. Mit Nikolaj Lie Kaas, Albert Rudbeck Lindhart. 98 Minuten. Ab 16 Jahren.

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Erstellt:
10. Dezember 2025, 17:26 Uhr

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