Meere voller Müll

27 Millionen Tonnen Nanoplastik schwimmen allein im Nordatlantik

Winzige Plastikteilchen finden sich überall in den Meeren – sogar in der Tiefsee. Selbst in der Arktis ist Mikro- und Nanoplastik nachgewiesen worden. Ein maritimer Albtraum.

Meere als Müllkippen: Eine junge Meeresschildkröte schwimmt durch Plastikmüll im Meer.

© Imago/Avalon.red

Meere als Müllkippen: Eine junge Meeresschildkröte schwimmt durch Plastikmüll im Meer.

Von Markus Brauer

Plastikteilchen mit einer Größe von weniger als einem Mikrometer sind weltweit verteilt. Ein Forscherteam des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Universität Utrecht und des Meeresforschungsinstituts NIOZ (NL) hat sich auf die Suche nach Nanoplastik im Nordatlantik gemacht. Die Ergebnisse zeigen, dass winzige Plastikpartikel in allen Tiefenzonen zwischen der gemäßigten und subtropischen Zone des Ozeans zu finden sind.

Massenmäßig ist die Menge an Nanoplastik vergleichbar mit dem, was bisher an Mikroplastik gefunden wurde. Deshalb spielt Nanoplastik bei der Plastikverschmutzung der Meere eine viel wichtigere Rolle als bisher angenommen, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“.

High concentrations of nanoplastic particles were found in locations across the North Atlantic Ocean, particularly in the top 10 metres of water and near coastlines. Findings also reveal the scope of this pollution may have been underestimated. https://t.co/jpI3sYgKYm — Springer Nature (@SpringerNature) July 9, 2025

Wie Plastik Meerestieren schadet

Plastikmüll verschmutzt weltweit die Meere. Die Kunststoffe schaden Meerestieren, die sich in größeren Teilen wie Netzen und Tüten verfangen oder kleinere Plastikteile mit Nahrung verwechseln, die dann den Magen-Darm-Trakt verstopfen oder verletzen können.

Der Großteil der kleinsten Plastikteilchen im Mikro- und Nanobereich wird wieder ausgeschieden, aber ein kleinerer Teil kann durch die Darmwand in den Körper aufgenommen werden und in den Blutkreislauf gelangen.

Auf der Suche nach den Nanopartikeln

Doch über wie viel Nanoplastik in den Meeren sprechen wir eigentlich? Die größte wissenschaftliche Aufmerksamkeit galt bisher Plastikteilchen im Makro- und Mikrobereich, da sie sich aufgrund ihrer Größe leichter erforschen lassen.

Quantitative Angaben zur Belastung der Ozeane durch Nanoplastikteilchen waren bisher rar, da die Plastikpartikel mit einer Größe von weniger als einem Mikrometer sehr klein, zudem leicht veränderbar und methodisch oft nur schwer von anderen Umweltpartikeln zu unterscheiden sind.

Auf einer Expedition der RV Pelagia, das größte seegängige Forschungsschiff der Niederlande und Flaggschiff des Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ), haben Forscher im Jahr 2020 entlang eines Transekts im Nordatlantik das Nanoplastikvorkommen erfasst – vom küstennahen europäischen Festlandschelf über den offenen Atlantik bis hin zum subtropischen Nordatlantikwirbel, einem Strömungssystem des Nordatlantiks.

„Nanoteilchen sind überall in großen Mengen vertreten“

An 12 Mess-Stellen wurden Proben gezogen: In der obersten Wasserschicht in rund 10 Meter Tiefe, in der Zwischenschicht in rund 1000 Meter Tiefe und dann 30 Meter über dem Meeresboden. „Mit den Daten dieser Messstellen können wir Aussagen über die vertikale und horizontale Verteilung von Nanoplastik im Nordatlantik treffen“, sagt Dušan Materić, Chemiker am UFZ und Erstautor der Studie.

An allen 12 Mess-Standorten konnten die Forscher Nanoplastikpartikel nachweisen. „Sie sind überall in so großen Mengen vertreten, dass wir sie ökologisch nicht mehr vernachlässigen können“, bilanziert der UFZ-Chemiker.

Welche Nanopartikel in den Ozean treiben

Am häufigsten fand das Forschungsteam Nanopartikel von Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol (PS) und Polyvinylchlorid (PVC) – allesamt häufige Kunststoffe, aus denen beispielsweise Ein- und Mehrwegplastikflaschen, Folien oder Einwegtrinkbecher und Einmalbesteck bestehen. In der obersten Meerwasserschicht wiesen die Forscher die Kunststoffarten an fast allen Messpunkten nach.

„Dies liegt daran, dass zum einen die Weiterverteilung aus der Atmosphäre über die Meeresoberfläche geschieht und zum anderen, dass viel Plastik über die Mündungsbereiche von Flüssen eingetragen wird“, erklärt Dušan Materić.

In der Zwischenschicht, der Schicht zwischen dem sauerstoffhaltigen Oberflächenwasser und dem sauerstofffreien Tiefenwasser, dominieren PET-Nanopartikel. „Im subtropischen Wirbel des Nordatlantiks haben wir eine höhere Belastung mit Nanoplastik festgestellt als außerhalb des Wirbels, der aufgrund der Meeresströmungen als Anreicherungszone für Mikroplastik an der Oberfläche bekannt ist.“

Von der Wasseroberfläche bis in die Tiefsee

In der meeresbodennahen Schicht stellten die Forscher die geringsten Konzentrationen von Nanoplastik fest. Aber auch dort registrierten sie an allen Messstellen PET-Nanoplastik.

Selbst in mehr als 4500 Metern Tiefe fanden sie PET-Nanokunststoffe, die höchstwahrscheinlich aus fragmentierten synthetischen Kleidungsfasern stammen, eventuell aber auch durch bislang unbekannte dynamische Prozesse entstanden sind. „Nanokunststoffe und Nanopartikel sind so klein, dass die physikalischen Gesetze, die für größere Teilchen gelten, oft nicht mehr greifen.“

Wo sich Reste von Müllsäcken und Plastiktüten finden

Überraschend war für das Forscherteam zudem, dass sie an keiner Messstelle Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) nachweisen konnten. PE und PP stecken beispielsweise in Müllsäcken und Plastiktüten, die als Plastikmüll oft in den Meeren landen.

„Es gibt sehr viel PE/PP-Mikroplastik an der Meeresoberfläche, aber wir fanden keine PE/PP-Nanopartikel, die beispielsweise infolge von Sonneneinstrahlung oder Abrieb durch den Wellengang hätten entstehen können“, erläutert Dušan Materić. Möglicherweise werde PE/PP-Nanoplastik mineralisiert oder so stark molekular verändert, dass es vom Protonentransfer-Reaktions-Massenspektrometer nicht mehr als Plastik erkannt werde oder es könnten andere dynamische Sedimentations- und Entfernungsprozesse ablaufen, die bislang noch nicht bekannt seien.

27 Millionen Tonnen Nanopartikel in bis zu 200 Metern Meerestiefe

Basierend auf den Konzentrationsmessungen konnten die Forscher die Masse von Nanoplastik im Nordatlantik extrapolieren. Demnach lagern in der obersten, bis zu 200 Meter tiefen Wasserschicht des Nordatlantiks von der gemäßigten bis zur subtropischen Zone rund 27 Millionen Tonnen:

  • 12 Millionen Tonnen Polyethylenterephthalat (PET)
  • 6,5 Millionen Tonnen Polystyrol (PS)
  • 8,5 Millionen Tonnen Polyvinylchlorid (PVC)

„Das ist etwa die gleiche Größenordnung wie die geschätzte Masse am Makro- und Mikrokunststoff für den gesamten Atlantik“, unterstreicht Dušan Materić. Damit mache Nanoplastik einen großen Teil an der Plastikverschmutzung der Meere aus, was bislang bei der Bewertung des marinen Plastikhaushalts nicht berücksichtigt wurde.

„Noch vor ein paar Jahren war umstritten, ob es überhaupt Nanoplastik gibt. Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass zumindest in diesem Ozeansystem die Masse von Nanoplastik mit derjenigen von Makro- und Mikroplastik vergleichbar ist.“

Info So gelangt Plastik in die Meere

Plastikmüll Mindestens 150 Millionen Tonnen Plastik treiben weltweit in den Meeren. Möglicherweise sind es sogar noch sehr viel mehr. Jedes Jahr kommen bis 20 bis 30 Millionen Tonnen dazu. Warum dazu auch das Zähneputzen beiträgt und wie das Plastik wieder auf dem menschlichen Teller landet, erklären wir hier.

Kosmetik Viele Produkte wie Zahncremes, Duschgels und Peelings enthalten winzig kleine Plastikkügelchen – gekennzeichnet etwa als Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) bei den Inhaltsstoffen. Sie sollen den Reinigungseffekt verstärken. Über das Abwasser gelangt dieses Mikroplastik ins Meer.

Waschmaschine Kleidungsstücke aus Kunstfasern (Viskose, Elastan, Polyacryl, Polyester) wie Fleecepullis verlieren bei jedem Waschgang etwa 2000 winzige Fasern. Über das Abwasser werden sie ins Meer gespült.

Landweg Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern gelangt viel Müll direkt vom Ufer oder über Flüsse ins Meer. In den Urlaubsregionen weltweit ist der Tourismus für bis zu 40 Prozent des Mülls im Meer verantwortlich. 15 Prozent des Plastikmülls werden später wieder an Land gespült.

Schiffe Für Schiffsbesatzungen ist es günstiger, ihren Müll ins Meer zu werfen, als ihn auf dem Festland zu entsorgen. Insbesondere Fischer wählen diesen Weg häufig für kaputte Netze, Fischkörbe oder Bojen. Frachtschiffe verlieren immer wieder Container. Wo besonders viele Schiffe fahren, fischen Wissenschaftler besonders viel Müll aus dem Meer.

Verbotene Entsorgung auf See In einer Entfernung von bis zu drei Seemeilen zur Küste dürfen Schiffe überhaupt keinen Müll über Bord entsorgen. Eine Seemeile entspricht einer Strecke von 1852 Metern. Sind Schiffe drei bis zwölf Seemeilen von der Küste entfernt, müssen sie Lebensmittelabfälle, Papier, Glas, Lumpen, Metall oder Steingut an Bord behalten (sogenannte ungemahlene Abfälle). Gleiches gilt für Verpackungsmaterial aller Art, das schwimmt. Je weiter das Schiff die Küste verlässt, umso mehr Müll darf über Bord. In einer Entfernung von zwölf bis 25 Meilen ist es lediglich verboten, Verpackungsmaterial zu entsorgen, welches schwimmt, sowie Stauholz. Befindet sich ein Schiff über 25 Seemeilen von der Küste entfernt, darf es sämtlichen zuvor aufgezählten Müll über Bord werfen – mit Ausnahme von Plastik. Weltweit darf Plastikmüll in keinem Meer und egal in welchem Abstand zur Küste entsorgt werden.

Folgen für Tiere Millionen Seeschildkröten, Seevögel und Meeressäuger sterben am Plastik. Weil sie daran ersticken, sich darin verheddern oder verhungern, weil der Magen statt mit Nahrung mit unverdaulichen Kunststoffteilchen gefüllt ist.

Folgen für Menschen Fische können die Plastikteile, die sie über das Wasser aufnehmen, nicht verdauen. So gelangt Mikroplastik auch auf unsere Teller. Mit welchen gesundheitlichen Auswirkungen ist noch ungewiss. Was man aber weiß: Während das Mikroplastik im Meer treibt, setzen sich auf der Oberfläche zusätzlich noch Schadstoffe fest.

Abbau des Mülls Plastik kann nicht komplett abgebaut werden. Salzwasser, UV-Strahlung, Wind und die Gezeiten sorgen lediglich dafür, dass die Teile immer kleiner werden. Etwa 90 Prozent des Plastikmülls in Meeren ist kleiner als 5 Millimeter im Durchmesser.

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Erstellt:
10. Juli 2025, 14:06 Uhr

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