Abi-Auftakt mit anspruchsvollen Themen

Am Dienstag hat das schriftliche Abitur an den allgemeinbildenden Gymnasien mit der Deutschprüfung begonnen

Aufatmen können die rund 32100 Abiturienten an den allgemeinbildenden Gymnasien im Land noch nicht. Aber immerhin: Die erste Hürde ist genommen, die Deutschprüfung ist geschafft. Fünf Themen standen zur Auswahl. Von machbar bis anspruchsvoll reichten die Einschätzungen von einigen Schülern am Bildungszentrum Weissacher Tal.

Ein Vergleich zwischen Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ und Goethes Faust war eines der fünf Themen, mit denen sich die Abiturienten im Fach Deutsch in diesem Jahr auseinandersetzen konnten. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Ein Vergleich zwischen Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ und Goethes Faust war eines der fünf Themen, mit denen sich die Abiturienten im Fach Deutsch in diesem Jahr auseinandersetzen konnten. Foto: A. Becher

Von Annette Hohnerlein

WEISSACH IM TAL. Rund fünf Stunden höchster Anspannung liegen hinter ihnen. Jetzt stehen die Abiturienten des Bize vor dem Eingang der Seeguthalle zusammen, in der die Deutschabiturprüfung stattfand. Tim Fiechtner lässt Dampf ab, indem er sich erst mal eine Zigarette anzündet.

Er hat sich für die Erörterung eines politischen Textes über Debattenkultur von Hilmar Klute entschieden. Der Abiturient aus Allmersbach im Tal bezeichnet sich als politisch interessiert, aber nicht aktiv. Anspruchsvoll sei der Text gewesen, sagt Fiechtner, der nach dem Motto „In der Kürze liegt die Würze“ seine Textanalyse und -erörterung auf fünf Seiten untergebracht hat. Die kommenden Prüfungen lässt er eher entspannt auf sich zukommen, vor allem in seinem Problemfach Mathe, das für ihn sowieso schon so gut wie abgehakt ist.

Abi-Aufgaben kamen nicht in Papierform mit der Post

Thea Schüle aus Hohnweiler steht ebenfalls schon eine halbe Stunde vor Abgabeschluss vor der Halle. Sie hat den Vergleich zwischen Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ und Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ gewählt, bei dem die Bedeutung zweier Frauen auf die Hauptpersonen untersucht werden sollte. „Es war ein eher kleines Thema, zu dem ich nicht viel zu sagen hatte“, bemerkt Thea Schüle. Trotzdem fiel ihr so viel ein, dass ihre Arbeit rund 20 Seiten umfasst. Zusammen mit einer Freundin hat sie die drei zur Auswahl stehenden Werke intensiv vorbereitet, jetzt hat sie erst mal genug. „Ich werde so schnell kein Buch mehr lesen“, meint sie erschöpft. Ihre Mitschülerin Eva Wallenwein aus Oberbrüden hat sich für dasselbe Thema entschieden. Auch sie ist mit dem Verlauf der Prüfung ganz zufrieden, kann aber schwer einschätzen, wie ihr 12-Seiten-Text bei den Korrektoren ankommt. Sie hat sich vorab in den Osterferien auf das neue, im Vergleich zu den Vorjahren um eine Stunde nach hinten verschobene Zeitfenster von 9 bis 14.15 Uhr eingestellt, das den Prüflingen zur Verfügung stand. Am Abend will sie sich beim Tanztraining von den Strapazen des Tages erholen.

Anders Nathanael Kugler aus Althütte, er hat sich vorgenommen, nachmittags gleich weiterzulernen – für die Matheprüfung, die am Freitag ansteht und für ihn die größte Herausforderung ist. Bei der heutigen Deutschprüfung hat er die Zeit ziemlich ausgereizt; bis fünf Minuten vor Abgabe hat er an seinem 15-seitigen Werksvergleich Steppenwolf/Faust geschrieben und keine Zeit mehr gehabt, das Geschriebene nochmals durchzulesen. Seine Mitschülerin Pia Heine aus Lippoldsweiler dagegen hatte bei ihrer Textinterpretation der Erzählung „Der Störenfried“ von Brigitte Kronauer noch so viel Zeit übrig, dass sie ihren Text ein zweites Mal komplett abschreiben konnte, um ihn leserlicher zu machen und Fehler auszumerzen.

Sich selbst Gedanken zu machen und diese zu formulieren findet sie besser als Bücher zu lesen, erklärt Heine die Wahl ihres Themas. Während sie ankündigt, dass sie am gleichen Abend schon mit der Vorbereitung auf die Matheprüfung beginnen will, kommt eine Mitschülerin vorbei und ruft erleichtert: „Wir haben ein Viertel weg!“

Im Gegensatz zu seinen 37 Abiturienten war der stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums am Bize, Karl Hansmann, schon vor 6 Uhr morgens in der Schule. Da die Abi-Aufgaben in diesem Jahr zum ersten Mal nicht in Papierform per Post kamen, sondern in digitaler Form übermittelt und an den Schulen ausgedruckt wurden, hatte man einen großen Zeitpuffer einkalkuliert, um im Notfall noch reagieren zu können. Dies war aber zum Glück nicht notwendig, teilt Hansmann mit, alles habe reibungslos geklappt.

Ähnliches berichtet seine Kollegin Sonja Conrad, Schulleiterin am Max-Born-Gymnasium Backnang, die aber von einem zusätzlichen Stressfaktor spricht, der sie in der Nacht vor der Prüfung schlecht schlafen ließ.

Noch bis zum 10. Mai schreiben die Gymnasiasten im Land ihre Prüfungen, an diesem Tag endet das schriftliche Abitur mit dem Fach Französisch.

Zeitgleich mit den allgemeinbildenden Gymnasien begannen auch an den Realschulen die schriftlichen Abschlussprüfungen am Dienstag mit dem Fach Deutsch.

Info
Fünf Prüfungsthemen für 32100 Abiturienten

Für insgesamt etwa 32100 Schüler an den allgemeinbildenden Gymnasien hat am Dienstag die schriftliche Abiturprüfung mit dem Fach Deutsch begonnen. Das Vorbereitungsprozedere (Passwort verschicken, Datei vom Stick herunterladen, Aufgaben drucken und kopieren) verlief überall reibungslos, sodass die Prüfung wie geplant an allen Schulen um 9 Uhr starten konnte. Bis 14.15 Uhr saßen die Schüler an ihren Aufgaben. Für deren Bearbeitung, einschließlich Einlesezeit, standen 315 Minuten zur Verfügung.

Thema 1: Interpretation einer Textstelle aus Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ und vergleichende Betrachtung mit Johann Wolfgang von Goethes „Faust“. Untersucht werden soll die Bedeutung, die Hermine für Harry Haller und Gretchen für Faust hat. Dabei soll die These von Antje Pedde überprüft werden: „Die zentrale Figur (...) ist der männliche Held, der auf seinem Weg der Selbstfindung Frauenfiguren als Stationen seiner Vervollkommnung passiert.“

Thema 2: Eine vergleichende Interpretation zu den Gedichten „Sommersonate“ von Georg Trakl und „Sommerfrische“ von Joachim Ringelnatz.

Thema 3: Interpretation der Erzählung „Der Störenfried“ von Brigitte Kronauer.

Thema 4: Verfassen eines Essays auf der Grundlage eines vorgelegten Dossiers mit verschiedenen Texten zum Thema: „Was darf Satire? Alles?“

Thema 5: Analyse und Erörterung des Textes „Wer streiten will, muss sich auch schmutzig machen“ von Hilmar Klute, der am 5. November 2017 in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.

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Erstellt:
2. Mai 2019, 06:00 Uhr

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