„AC/DC auf dem Akkordeon, das geht“

Lukas Höckel hat als Kind das Handzuginstrument für sich entdeckt. In Italien hat er sich zum Akkordeonbauer ausbilden lassen. Von Jux aus übernimmt er heute den kompletten Außendienst im deutschsprachigen Raum für den Hersteller Beltuna.

Hat sein Hobby, Akkordeon zu spielen, zum Beruf gemacht: Der einstige Südtiroler Meister Lukas Höckel vertreibt Handzuginstrumente. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Hat sein Hobby, Akkordeon zu spielen, zum Beruf gemacht: Der einstige Südtiroler Meister Lukas Höckel vertreibt Handzuginstrumente. Foto: J. Fiedler

Von Nicola Scharpf

SPIEGELBERG. Lukas Höckel kann sich nicht genau erinnern, ob es zu seinem 11. oder zum 13. Geburtstag war. Jedenfalls haben ihm seine Eltern damals sein erstes Akkordeon geschenkt – eines aus dem Hause Beltuna. Diese Verbindung ist bis heute geblieben. Aus dem Hobby von damals ist mittlerweile Beruf geworden. Vom Spiegelberger Teilort Jux aus wickelt Lukas Höckel den kompletten Außendienst im deutschsprachigen Raum für den italienischen Akkordeonhersteller ab.

Eine Anekdote, wie Lukas Höckel das Handzuginstrument für sich entdeckte, gibt es nicht zu erzählen. Sei es, dass er Akkordeonmusik im Fernsehen erlebt oder live auf Veranstaltungen damit in Berührung kommt: „Das hat mir einfach gefallen.“ Mit dem ersten eigenen Instrument in den Händen lässt ihn das Akkordeonspielen nicht mehr los: „Am Anfang war das wie eine Sucht.“ Lukas Höckel kommt aus der Schule heim, schnallt sich seine Beltuna um und spielt bis zum Abend. Unterricht nimmt er bei einem „guten Lehrer“, wie er sagt – im Zillertal. Das, was der junge Musiker bei Auftritten in Gastwirtschaften oder bei Festen verdient, investiert er in seinen Unterricht. So kann er sich in den Schulferien ein- bis zweiwöchige Unterrichtsaufenthalte im Zillertal finanzieren. Über das Erlernen des Handzuginstruments sagt Höckel: „20 Prozent ist Talent und 80 Prozent Übung.“

Der Spiegelberger hat es mit Übung weit gebracht: An einem Wochenende im Jahr 2011 wird er in Inzell vierter bei der Weltmeisterschaft auf der Steirischen Harmonika und die Südtiroler Meisterschaft kann er für sich entscheiden. Es stößt nicht bei allen auf Wohlgefallen, dass der Südtiroler Staatsmeister aus Deutschland kommt. Und bei der Weltmeisterschaft hätte Höckel gerne besser abgeschnitten. „Aber es geht genauso gut auch ohne Titel“, ordnet er den Stellenwert des Musizierens als Wettbewerb ein.

An der Lautereck-Realschule in Sulzbach an der Murr hat Lukas Höckel seinen Abschluss gemacht. „Dann ging es gleich los. Mit 16 Jahren bin ich ausgewandert.“ Es zieht ihn nach Südtirol, wo er vier Jahre lang lebt: „Wegen der Musik, weil dort Akkordeon gespielt wird.“ Er absolviert dort seine Schreinerlehre und lernt Italienisch – in Vorbereitung auf sein nächstes Ziel, das heißt Ancona. Die Stadt an der italienischen Adriaküste ist Standort des Akkordeonherstellers Beltuna. „Schöne Melodie“ bedeutet der Firmennamen ins Deutsche übersetzt. Bei Beltuna lernt Lukas Höckel das Handwerk, Akkordeons, die aus einem Holzgehäuse bestehen, zu bauen und zu reparieren.

Mit dem Akkordeon lässt sich nicht nur Volksmusik spielen.

„Aber ich hatte Heimweh.“ Der junge Mann packt seine Koffer, um nach Jux zurückzukehren. Viel ist der 27-Jährige trotzdem unterwegs. Er hat den kompletten Außendienst im deutschsprachigen Raum für Beltuna übernommen, fährt im Jahr 80000 Kilometer mit dem Auto zu den Akkordeonhändlern, die er betreut. Auch im weltweiten Vertrieb ist er tätig – bei der Musikmesse im chinesischen Schanghai zum Beispiel war er für die Firma Beltuna mehrmals im Einsatz.

Nachdem Höckel beruflich den ganzen Tag mit dem Akkordeon zu tun hat, spielt er selbst weniger als früher. Ein- bis zweimal im Jahr trifft er sich in Südtirol mit Kumpels zum gemeinsamen Spielen. Das letzte Konzert hat er mit der Juxer Band bei der Rocketse in Jux vor einem Jahr gegeben. „AC/DC auf dem Akkordeon, das geht. Auf der Rocketse haben wir das gemacht.“ Mit dem Akkordeon lasse sich keineswegs nur alpenländische Volksmusik spielen. „Man kann richtig Klassik damit spielen oder moderne Sachen wie Jazz.“ In allen Preiskategorien zwischen 5000 und 25000 Euro gibt es eine Vielzahl an Modellen von kleinen Instrumenten, die sieben Kilo wiegen, bis zu großen Akkordeons von 14 Kilogramm Gewicht, die dann im Sitzen gespielt werden. Die Firma Beltuna zählt Höckel zu den Top Drei unter den Akkordeonherstellern. Sie sei oft schon Trendsetter gewesen, zum Beispiel in Sachen Leichtbau und Carbon oder elektronischer Bassmechanik, und habe etliche Patente angemeldet.

Ein eigenes Instrument besitzt Lukas Höckel nicht mehr. Schließlich sitzt er – abgesehen vom Coronatief, das lange Lieferzeiten und leere Lager bescherte – an der Quelle und braucht sich nur ein Akkordeon unter vielen herauszugreifen, um eine schöne Melodie zu spielen.

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Erstellt:
4. August 2020, 06:00 Uhr

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