Anspruchsvolle Aufgabe für die Planer

Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 2027 entwickeln Architekten aus aller Welt Ideen für die ehemaligen Industrieflächen im Backnanger Westen. Einige von ihnen haben sich das Gelände nun vor Ort angeschaut.

Stadtplaner Tobias Großmann führt die Wettbewerbsteilnehmer durch das „Quartier West“, per Video können auch diejenigen mit dabei sein, die nicht nach Backnang reisen konnten.Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Stadtplaner Tobias Großmann führt die Wettbewerbsteilnehmer durch das „Quartier West“, per Video können auch diejenigen mit dabei sein, die nicht nach Backnang reisen konnten.Fotos: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Sie sitzen in London und New York, in Rotterdam, Kopenhagen und Zürich – von Backnang haben die meisten noch nie zuvor gehört. Trotzdem spielen sie eine Hauptrolle, wenn es um die Frage geht, wie sich die Stadt an der Murr in den kommenden Jahren entwickeln wird. Insgesamt 24 Planungsbüros aus aller Welt nehmen an dem städtebaulichen Wettbewerb für das „Quartier West“ teil. Ihre Aufgabe ist es, eine Vision zu entwickeln, wie das 17 Hektar große Gebiet zwischen Friedrichstraße und Murrtal-Viadukt bis zur Internationalen Bauausstellung (IBA) im Jahr 2027 zu neuem Leben erweckt werden kann.

Momentan prägen dort noch heruntergekommene Industriehallen und jede Menge parkende Autos das Bild. Davon konnten sich die Teilnehmer des Wettbewerbs am Montag selbst überzeugen. Die Stadt hatte die Planer zu einem Ortstermin eingeladen, und immerhin zehn Büros waren trotz Coronabeschränkungen nach Backnang gekommen. Für alle anderen bot sich die Möglichkeit, virtuell an der Veranstaltung teilzunehmen. Die einführenden Vorträge wurden auf Englisch gehalten und per Livestream aus dem Technikforum übers Internet übertragen. Auch beim anschließenden Rundgang über das Gelände war ein Filmteam mit dabei, außerdem wurden mit einer Drohne Luftaufnahmen gemacht, die allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden. „Ich denke, so haben wir einen Informationsgleichstand auch für die Büros, die nicht vor Ort sein konnten“, sagt Tobias Großmann, der das Backnanger Stadtplanungsamt leitet.

Die Architekten, die am Montag persönlich dabei waren, haben ihre Reise nicht bereut: „Das Gelände ist doch noch etwas größer, als wir es uns vorgestellt hatten“, sagt Aleksandra Milanowska vom Büro Analog Plus aus Stettin in Polen. Auch die Atmosphäre in der Backnanger Altstadt hat sie beeindruckt: „Ich finde es reizvoll, diese Stimmung in dieses Gebiet hier zu übertragen“, erklärt die junge Architektin.

Auch Mischa Spoerri vom Züricher Büro Pool Architekten hat das morbide Ambiente der ehemaligen Kaelble- und Leba-Hallen keineswegs abgeschreckt. Der Schweizer Architekt schwärmt vom „Flair des Unvollkommenen“ und sieht den besonderen Reiz des Projektes darin, etwas Neues zu entwickeln, ohne den industriellen Charakter des Gebietes völlig aufzugeben. Die Murr, die bisher kaum sichtbar hinter hohen Mauern durch das Gebiet fließt, wieder in den Mittelpunkt zu rücken, ist eine Aufgabe, auf die sich Klaus-Dieter Aichele freut. Der Landschaftsarchitekt aus Mainz vertritt eine Arbeitsgemeinschaft um das Büro White aus dem schwedischen Göteborg. Für ein so großes Gelände ein Konzept zu entwickeln, das gestalterisch, ökologisch und sozial funktioniert, sei so spannend wie komplex: „Da braucht es eine ganz andere Herangehensweise als bei einem Projekt auf der grünen Wiese.“

Aber warum interessieren sich Architekten aus Polen, Schweden und der Schweiz überhaupt für Backnang? Die Internationale Bauausstellung, die in sieben Jahren in der Region Stuttgart stattfindet, gebe dem Ganzen einen besonderen Stellenwert, erklären die Teilnehmer. „IBA ist ein großer Name“, betont Piotr Smierzewski von Analog Plus. Auch Mischa Spoerris Büro hätte sich ohne die IBA wohl nicht an dem Wettbewerb beteiligt: „Mit dem IBA-Büro haben wir einen Partner mit dabei, der das Projekt mit viel Wissen unterstützt und dadurch andere Ideen ermöglicht“, sagt der Schweizer Architekt. Und nicht zuletzt sei auch das Zieldatum 2027 ein Anreiz, findet Klaus-Dieter Aichele: „Das gibt dem Projekt eine andere Dynamik“.

IBA-Intendant Andreas Hofer, der am Montag ebenfalls in Backnang war, ist mit dem Teilnehmerfeld hochzufrieden: „Wir haben die Champions League mit dabei, aber auch viele junge Büros. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, diese Leute hierher zu bekommen.“

Morbider Charme in der ehemaligen Lederfabrik Hodum: Was von den alten Industriebauten erhalten werden kann, ist eine der Fragen, die der Planungswettbewerb beantworten soll.

© Alexander Becher

Morbider Charme in der ehemaligen Lederfabrik Hodum: Was von den alten Industriebauten erhalten werden kann, ist eine der Fragen, die der Planungswettbewerb beantworten soll.

So geht es weiter

Die 24 teilnehmenden Büros und Arbeitsgemeinschaften haben nun bis 23. Oktober Zeit, um ihre Pläne einzureichen, bis zum 19. November müssen sie außerdem ein Modell ihres Entwurfs im Maßstab 1:1000 abgeben.

Anschließend findet zunächst eine Vorprüfung statt. Dabei kontrollieren Experten unter anderem, ob die Entwürfe die in der Auslobung formulierten Vorgaben erfüllen, etwa für die Dichte der Bebauung oder beim Hochwasserschutz.

Am 22. Januar 2021 tagt das Preisgericht. Es setzt sich aus 13 externen Experten sowie 12 Mitgliedern aus Backnang zusammen. Neben OB Frank Nopper, Baudezernent Stefan Setzer und Amtsleiter Tobias Großmann sind auch fünf Stadträte sowie die Grundstückseigentümer in der Jury vertreten.

Insgesamt ist ein Preisgeld von 120000 Euro ausgelobt, der Sieger erhält 48000 Euro. Die Siegerentwürfe sollen anschließend in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden.

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Erstellt:
22. Juli 2020, 06:00 Uhr

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