Aspacher erhält die Eduard-Lucas-Medaille

Alfred Binder wurde für seinen Einsatz zur Erhaltung der heimischen Streuobstwiesen ausgezeichnet. Alte Obstsorten sind seine Leidenschaft

Der Aspacher Alfred Binder hat die Eduard-Lucas-Medaille für seinen Einsatz für die Streuobstwiesen erhalten. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Der Aspacher Alfred Binder hat die Eduard-Lucas-Medaille für seinen Einsatz für die Streuobstwiesen erhalten. Foto: Alexander Becher

Von Annette Hohnerlein

Aspach. „Wenn ich diese Kulturlandschaft pflege, dann gebe ich den Altvorderen die Hand“, sagt Alfred Binder. „Als Kind war ich mit meinem Großvater unterwegs, der war ein leidenschaftlicher Gärtner.“ Aber die heimischen Streuobstwiesen haben für den pensionierten Postbeamten weit mehr als nur einen nostalgischen Wert. Er weiß, dass diese Wiesen, die für die Landschaft Baden-Württembergs prägend sind, eine große Rolle für die Artenvielfalt spielen. „Unsere Ernährung, unsere Landwirtschaft und unsere Kulturlandschaft brauchen Vielfalt“, davon ist Binder zutiefst überzeugt. Darum hat er sich in den letzten Jahren die Mühe gemacht, die verschiedenen Vogelarten zu erfassen, die auf den Streuobstwiesen rund um Rietenau heimisch sind. „Das sind um die 100 Arten, darunter Wiedehopf, Wanderfalke, Ziegenmelker und Spechte“, zählt der 78-Jährige auf, „dazu kommen noch verschiedene Fledermausarten.“

Jahrzehntelang dämmerte die Wiese im Dornröschenschlaf vor sich hin

Neben seinen privaten Grundstücken kümmert sich Binder auch um ein besonderes Kleinod, das sogenannte Pfarrgütle. Das 1,2 Hektar große Gelände wurde ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts vom Rietenauer Pfarrer Karl Luppold angelegt und vereint eine Vielzahl alter Obstsorten. Jahrzehntelang dämmerte die Wiese im Dornröschenschlaf vor sich hin, bis sich im Jahr 2000 der Obst- und Gartenbauverein Rietenau unter der Federführung von Binder des vernachlässigten Grundstücks annahm und die Apfel-, Birnen-, Nuss- und Zwetschgenbäume auf Vordermann brachte. Einer der ältesten und prächtigsten Bäume ist eine Champagner Bratbirne, die 1905 gepflanzt wurde, erzählt Binder. Diese alte Sorte sei die Basis für hochwertige Schaumweine der Manufaktur Jörg Geiger. Auch fünf Apfelbäume der Sorte Jakob Fischer stehen auf dem Gelände. Die Früchte ergeben einen wunderbar süßen Saft.

Bei Aktionstagen mit Kindern darf der Nachwuchs Saft pressen

Zur Pflege dieses wertvollen Biotops gehört auch der fachgerechte Baumschnitt. Binder setzt auf den sogenannten Oeschberg-Palmer-Schnitt und gibt sein Wissen bei Schnittkursen an andere weiter. Außerdem ist es ihm ein Anliegen, die junge Generation für diese nachhaltige Form des Obstbaus zu begeistern. Bei Aktionstagen mit Schülern und Kindergartenkindern durfte der Nachwuchs Äpfel ernten und Saft pressen. Diese Veranstaltungen haben offenbar einen bleibenden Eindruck bei den Kindern hinterlassen, erzählt Binders Frau Henriette stolz. Kürzlich habe ein früherer Teilnehmer, der inzwischen erwachsen ist, gefragt: „Herr Binder, was machen denn unsere Obstbäume?“

Für seine vielfältigen Verdienste bekam Alfred Binder nun die Eduard-Lucas-Medaille des Vereins zur Erhaltung und Förderung alter Obstsorten verliehen. Landwirtschaftsminister Peter Hauk überreichte ihm die Auszeichnung am 30. September beim diesjährigen Landwirtschaftlichen Hauptfest in Bad Cannstatt. „Alfred Binder setzt sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für den Erhalt der Streuobstwiesen und für die Wissensvermittlung rund um den Obstbaumschnitt ein. Als langjähriger Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Rietenau kommt sein Engagement unserer wertvollen Kulturlandschaft zugute“, sagte der Minister in seiner Laudatio. Die Auszeichnung ist nach dem Pomologen Eduard Lucas (1816 bis 1882) benannt, der maßgeblich zum Aufbau des Streuobstbaus in Baden-Württemberg beigetragen hat.

Aus Reisig wird ein biologischer und sehr effektiver Dünger

Bei der Pflege ihrer Streuobstwiesen gehen Alfred Binder und der OGV Rietenau gerne auch mal neue Wege. So haben sie kürzlich damit experimentiert, das beim Baumschnitt angefallene Reisig nicht zu entsorgen, sondern zu verschwelen. Dafür wird es in einem speziellen trichterförmigen Metallbehälter zum Glühen gebracht und mit Wasser abgelöscht. Das Ergebnis ist ein biologischer und sehr effektiver Dünger, der die Fähigkeit hat, Wasser zu speichern, berichtet Binder.

Im Lauf seines Lebens hat Alfred Binder ein beträchtliches Wissen über alte Obstsorten angesammelt: wie sie schmecken, wofür man sie verwendet, wo sie vorkommen, welche Merkmale sie charakterisieren. Und seine Expertise ist gefragt: Bei der Bundesgartenschau in Heilbronn betrieb er einen Stand, an dem Besucher mitgebrachte Früchte bestimmen lassen konnten.

Darüber hinaus ist der 78-Jährige im Pomologenverein aktiv, in dem sich die Bewahrer der alten Obstsorten deutschlandweit vernetzen. Aber die Szene hat Nachwuchssorgen, die Vereine sind überaltert. Doch Binder schaut optimistisch in die Zukunft, jammern ist nicht seine Sache. „Lasst uns was draus machen und nach vorne schauen“, lautet sein Motto.

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Erstellt:
21. Oktober 2022, 11:30 Uhr

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