Auf den Widerstand folgt die Zweckehe

Waldrems begeht das 50-Jahr-Jubiläum als Stadtteil von Backnang. Auch dieser neue Stadtteil profitiert von einer leistungsstarken Verwaltung mit dem Angebot sämtlicher Dienstleistungen, zudem gibt es Investitionen in die Infrastruktur.

Wie Backnang zu seinem südlichsten Stadtteil kam, erläutert Stadtarchivar Bernhard Trefz. Dass es ein langer Weg war, schildert er eindrücklich. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Wie Backnang zu seinem südlichsten Stadtteil kam, erläutert Stadtarchivar Bernhard Trefz. Dass es ein langer Weg war, schildert er eindrücklich. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Uta Rohrmann

Backnang. Der kleine Ort hat Geschichte. Nicht erst seit 50 Jahren, als Waldrems Stadtteil von Backnang wurde und zum Rems-Murr-Kreis gehört. Eine erste urkundliche Erwähnung fand „Ramese“ – so die älteste bekannte Form des Ortsnamens um 1245, also vor 777 Jahren. Aus Ramese, Remse oder Remß wurde Waldrems – so war beim Festakt zum 50-Jahr-Jubiläum der Eingemeindung des Orts in die Stadt Backnang zu erfahren.

In ihrer Begrüßungsrede hielt Ortsvorsteherin Regina Konrad anhand einiger historischer Bilder einen kleinen Rückblick auf die Entwicklung von Waldrems. Dieser enthielt auch persönliche Elemente wie einen Hochzeitszug durch naturumsäumte Wege, an dem sie als kleines Blumenmädchen beteiligt war. Viel verbindet die Menschen in dem lange landwirtschaftlich geprägten Landstrich „zwischen Weissach und Stiftsgrundhof“, wie es in den alten Dokumenten heißt – das kam an dem Abend immer wieder zum Ausdruck. 55 Einwohner waren es im Jahr 1697, am 31. Dezember 1971, zum Ende der Eigenständigkeit, 1057, heute 1862, berichtete Konrad. Ein Einschnitt in der jüngeren Geschichte war 1965, als die Dorfschultes von Waldrems, Maubach und Heiningen, alle im Hauptberuf Landwirt, in den Ruhestand gingen und die drei Orte sich zu einer Bürgermeisterei zusammenschlossen – ein Novum in Baden-Württemberg. Der junge und dynamische Verwaltungsfachmann Ulrich Schäfer habe viel bewirkt – ein neues Baugebiet sei entstanden, das Industriegebiet an der B14 sei erschlossen worden, ein Rathausanbau wurde in Angriff genommen, ein Gemeindeunimog erworben und ein Kinderspielplatz errichtet. Auch der Bau einer gemeinsamen Kläranlage für die drei Orte und eines gemeinsamen Kindergartens in Heiningen sei ein Verdienst aus der Zeit des Bürgermeisters Schäfer. Und bis heute gebe es das von ihm initiierte Mitteilungsblatt. „Die meisten Versprechen von Backnang wurden eingehalten – bis auf das Lehrschwimmbecken“, sagte Konrad über das Ergebnis des langen Prozesses, der schließlich – gegen den ursprünglichen Wunsch der Waldremser und gegen den heftigen Widerstand von Bürgermeister Schäfer – am 1. Januar 1972 zur Eingliederung nach Backnang führte.

„Es war keine Liebesheirat, eher eine Zweckehe“, räumt der Erste Bürgermeister der Stadt Backnang, Siegfried Janocha, ein. Doch auch daraus sei Positives entstanden – Backnang habe dringend benötigte Flächen für Wohnungsbau und Industrieansiedlungen bekommen, die Stadtteile (Maubach, Heiningen, Waldrems und im Norden schließlich noch Strümpfelbach) profitierten von einer leistungsstarken Verwaltung mit dem Angebot sämtlicher Dienstleistungen, zudem sei kräftig in deren Infrastruktur investiert worden. Waldrems sei ein „Ort zum Wohlfühlen“, der sich „in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt und dennoch den ländlichen Charakter bewahrt“ habe. Mit Einrichtungen wie Talschule, Reisbachhalle, Kindergärten, Spielplätzen, Funpark und dem Pflegestift am Langenbach sei für Jung und Alt gesorgt.

Besonders hob Janocha den „ausgesprochenen Bürgersinn“ und das große ehrenamtliche Engagement vieler hervor. Er erwähnte die breite Aufstellung des Radsportvereins Backnang-Waldrems. Der Bundeserstligist könne auf zahlreiche deutsche Meistertitel blicken. Der Dorf- und Backhausverein Waldrems vertrete Waldrems international bei der Feinschmeckermesse „Gourmandises d’Ardèche“. Für einen mobilen Backofen, aus dem neben Holzofenbroten auch Salzkuchen, Flachswickel und Pizza gezaubert würden, habe die Stadt Backnang gerne die Patenschaft übernommen. Janocha lobte die „konstruktive, vertrauensvolle und von Respekt geprägte“ Zusammenarbeit zwischen der Stadt Backnang und Ortsvorsteherin und Ortschaftsrat von Waldrems. „Frau Konrad, Sie engagieren sich für Ihr Waldrems und das neben Beruf und Familie, was angesichts der Fülle und Vielfalt eine echte Herausforderung darstellt“, so der Backnanger Bürgermeister. Er überreichte ein Modell wie aus einer Eisenbahnanlage, das auf das Jubiläumsgeschenk der Stadt Backnang hindeutete: „Eine übergroße Aussichtsbank, um von der Höhenlage des Schüttbergs aus die Schönheit unserer Landschaft und der Backnanger Bucht genießen zu können.“

Wie auch beim 50-Jahr-Jubiläum der Eingemeindung Heiningens gelang es Stadtarchivar Bernhard Trefz, kurzweilig all die politischen Umstände der Gemeinde- und Kreisreform in den Jahren 1968 bis 1975 wie auch die persönlichen Interessen und Befindlichkeiten, die bei deren Umsetzung im Raum Backnang eine Rolle spielten, zu erläutern. Es war ein langer Weg, auf dem verschiedene Optionen durchdiskutiert wurden. Waldrems, Heiningen und Maubach zu einer Gemeinde zusammenzuführen, scheiterte im Wesentlichen daran, dass Maubach sich früh nach Backnang orientierte – daran habe auch eine „Charmeoffensive“ der anderen beiden Gemeinden Richtung Maubach nichts geändert. Auch Verhandlungen mit Allmersbach im Tal zum Zusammenschluss mit Waldrems und Heiningen zu „Waldheimbach“ scheiterten. Überlegungen, sich nach Weissach zu orientieren, verliefen im Sande. Nur 40 Prozent der Waldremser Bürger beteiligten sich an der Abstimmung zur Eingliederung nach Backnang, doch das Ergebnis war eindeutig pro Backnang. „Es war eine sachgerechte Lösung“, urteilt der Archivar.

Für einen würdigen Rahmen der Festveranstaltung in der Reisbachhalle sorgte der Männergesangverein Harmonie Waldrems-Heiningen unter Leitung von Werner Schuller.

Siegfried Janocha überreicht Ortsvorsteherin Regina Konrad das Modell des Jubiläumsgeschenks, einer Sitzbank, die auf dem Schüttberg aufgestellt werden soll.

© Tobias Sellmaier

Siegfried Janocha überreicht Ortsvorsteherin Regina Konrad das Modell des Jubiläumsgeschenks, einer Sitzbank, die auf dem Schüttberg aufgestellt werden soll.

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Erstellt:
7. Juni 2022, 11:30 Uhr

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