Backnang macht mit bei Regiorad Stuttgart

An den fünf Stationen Bahnhof (Nord und Süd), Biegel, Berufsschulzentrum und Bahnhof Maubach können in Backnang künftig Räder ausgeliehen werden. Trotz großzügiger Zuschüsse muss die Stadt für drei Jahre etwa 100000 Euro für den Service selbst aufbringen.

Räder wie diese stehen im Stadtgebiet künftig zur Ausleihe zur Verfügung. Foto: Regiorad Stuttgart

Räder wie diese stehen im Stadtgebiet künftig zur Ausleihe zur Verfügung. Foto: Regiorad Stuttgart

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Vom kommenden Herbst an haben interessierte Radler auch in Backnang die Möglichkeit, an fünf Stationen im Stadtgebiet Fahrräder auszuleihen. Mit deutlicher Mehrheit hat sich der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung für den Anbieter Regiorad Stuttgart entschieden. Nur die beiden AfD-Stadträte Michael Malcher und Steffen Siggi Degler stimmten mit Nein, Rolf Hettich (CDU) enthielt sich.

Die Leihräder sind vor allem für jene Menschen gedacht, die etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Backnang ankommen, dann aber noch eine überschaubare Wegstrecke bis zu ihrem endgültigen Ziel haben. Der Begriff „die letzte Meile“ umschreibt dies anschaulich. So sind in Backnang fünf Stationen vorgesehen: zwei am Bahnhof (Nord und Süd), eine in der Innenstadt am Biegel, eine am Kreisberufsschulzentrum und eine am Bahnhof Maubach.

Inzwischen beteiligen sich über 40 Kommunen mit rund 200 Stationen und insgesamt 1400 Fahrrädern und Pedelecs an dem Angebot. Mehr als 31000 Kunden waren im vergangenen Jahr registriert, das entspricht einem Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019. Allerdings ging die Anzahl der Ausleihen im Pandemiejahr 2020 von 178000 auf 106269 Ausleihen zurück.

Das Verkehrsministerium und die Region Stuttgart zahlen hohe Zuschüsse

Ein Argument für den Vertragsabschluss mag auch das Ergebnis des ADFC-Klimatests gewesen sein. Dort wurde Backnang unter anderem angekreidet, dass es keine öffentlichen Räder gibt. Zudem ist die Förderung sehr erfreulich. Sobald eine Kommune eine Station einrichtet, finanziert der Verband Region Stuttgart die zweite. Allein auf diesem Weg rechnet Backnang mit einer Förderung von 48000 Euro. Zudem gibt es ein Förderprogramm des Verkehrsministeriums, das im Falle von Backnang weitere 12000 Euro für die Anschaffung von Pedelecs zuschießen würde. Damit nicht genug: Der Verband Region Stuttgart legt noch einmalig 4500 Euro obendrauf als Förderung des regionalen Mobilitätspunkts. Und zudem ist der Landkreis mit im Boot. Auch mit ihm gibt es eine Kooperation im Rahmen des Mobilitätskonzepts für das Kreisberufsschulzentrum, dort übernimmt der Landkreis die Kosten.

Andererseits ist die Investition auch nicht ohne. Die fünf Stationen à vier Pedelecs und einem Fahrrad kosten die Stadt pro Jahr 45000 Euro. Und da der Vertrag mit der DB Connect GmbH fünf Jahre laufen würde, käme so ein stattliches Sümmchen zusammen. Und obendrauf noch die Einmalkosten für die Tiefbauarbeiten, also das Fundament und den Medienanschluss, in Höhe von insgesamt 25000 Euro.

Die Rahmenbedingungen des Vertrags zwischen der Stadt Backnang und der DB Connect GmbH sehen eine Vertragslaufzeit bis Ende Oktober 2026 vor. Es existiert jedoch ein einseitiges Kündigungsrecht der Stadt zum 31. Oktober 2024, sodass im ungünstigsten Fall drei Jahre lang Beiträge bezahlt werden müssten. In der Summe – dreimal 45000 Euro plus 25000 Euro Einmalkosten – kämen so trotz der Zuschüsse rund 100000 Euro zusammen, die an der Stadt hängen bleiben würden.

Die Reaktionen der Stadträte gingen sehr weit auseinander, die Extreme stellten Karl Scheib (BfB) und Michael Malcher dar. Scheib zeigte sich begeistert, dass das Projekt nun endlich auch in Backnang ankommt: „Ich bin gespannt, wie es angenommen wird, in Maubach sicherlich sehr gut.“ Malcher hingegen rechnete vor, dass aufgrund der von Regiorad Stuttgart präsentierten Zahlen von 2019 jede Fahrt etwa 35,60 Euro koste. Er hatte dabei mit zweieinhalb Ausleihen pro Tag und Station gerechnet. Malcher: „Ich halte das für einen teuren Spaß für jemand, der keine Lust hat, sein eigenes Rad mitzunehmen.“ Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hatte zuvor noch erwähnt, dass die Nachfrage steigen werde, je mehr Kommunen sich beteiligen und somit das Netz verdichten. So würden etwa entlang der S3 auch Winnenden und Leutenbach beitreten. Und Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann ergänzte, entlang der S4 wären es wohl auch Marbach am Neckar und Steinheim an der Murr. Und so versuchte Friedrich die positiven Aspekte in den Vordergrund zu rücken: „Neue Stationen werden das Netz verbessern. Und sollte das System entgegen aller Hoffnung nicht funktionieren, so haben wir immer noch eine Ausstiegsklausel. Ich werbe dafür, einen Versuch zu wagen, das ist ein Baustein auf dem Weg zur Mobilitätswende.“ Auch Armin Dobler (SPD) sagte: „Ich möchte auch Mut machen. Wir sollten positiv denken und eher die Chancen sehen als die Gefahren. Es geht um den letzten Kilometer. Unser Beitritt ist praktizierter Umweltschutz und ein Baustein von vielen. Vielleicht bekommen wir so auch das Stellplatzproblem ein bisschen in den Griff.“ Ein Standpunkt, den Malcher völlig ablehnte. Er bezweifelte, dass das Angebot angenommen wird, und verwies auf seine Beobachtungen in Stuttgart: „Ich habe solche Räder am Feuersee in Stuttgart rumliegen sehen, dort haben sie Moos angesetzt.“ Er weigerte sich, einen Sinn zu sehen „für die letzte Meile“, und sagte im Hinblick auf mögliche Nutzer: „Die sollen die letzte Meile laufen, das ist auch gesünder. Ich kann mich nicht für einen Beitritt erwärmen.“ Heinz Franke nahm den Ball auf: „Rein monetär betrachtet sind die Bedenken von Herrn Malcher berechtigt. Anfänge tragen oft ein Risiko in sich, aber wir sollten das Ziel im Auge behalten. Wenn wir den Versuch nicht wagen, werden wir nie wissen, ob das Projekt zu einem Erfolg werden kann.“ Zudem verwies Franke darauf, dass es viele Angebote gebe, bei denen die Stadt dauerhaft draufzahle.

Skeptisch zeigte sich auch Rolf Hettich: „Das ist grundsätzlich ein gutes System, das in der Großstadt auch gut funktioniert. Ich bezweifle aber, dass es dies in Backnang tut, es gibt hier zu wenig Stationen.“ Er pflichtete zwar bei, dass es immer noch die Möglichkeit gebe, nach drei Jahren auszusteigen, „aber das hat uns dann bis dahin trotzdem 100000 Euro gekostet“.

Der Weg zur Ausleihe

Registrierung Kunden müssen sich einmalig registrieren über die Website oder per Regioradstuttgart-App.

Wege zum Rad Ausleihen sind möglich über Regioradstuttgart-App, ein Terminal an der Station, direkt am Rad oder über Telefon.

Bezahlen Der Nutzer erhält einmal monatlich eine Rechnung mit detaillierter Aufstellung aller Ausleihvorgänge. Am Terminal gibt es keine direkte Bezahlmöglichkeit.

Tarife Polygocard-Kunden zahlen bei einem Fahrrad für die erste halbe Stunde nichts, danach jede halbe Stunde 1 Euro oder pro Tag 10 Euro. Ein Pedelec kostet 10 Cent pro Minute, 3 Euro je Stunde oder 12 Euro am Tag. Der Basistarif für ein Fahrrad kostet sofort 1 Euro pro halbe Stunde oder 15 Euro pro Tag. Für ein Pedelec sind 12 Cent pro Minute, 4 Euro pro Stunde oder 22,50 Euro pro Tag fällig. Darüber hinaus gibt es Tagespässe für 24 oder 72 Stunden (15/40 Euro).

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Erstellt:
27. Juli 2021, 06:00 Uhr

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