Bürgerhaus-Pächter beendet Bewirtung

Das Backnanger Bürgerhaus steht aktuell ohne Cateringservice und das Restaurant Markgraf ohne Gastwirt da. Die Coronapandemie und die ausbleibenden Soforthilfen haben die Betreiber, das Geschwisterpaar Anna und Sebastian Fruth, in die Knie gezwungen.

Die Stühle sind hochgestellt, die Regale ausgeräumt. Heute gibt Sebastian Fruth die Schlüssel für das Bürgerhaus und den Markgraf zurück. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Stühle sind hochgestellt, die Regale ausgeräumt. Heute gibt Sebastian Fruth die Schlüssel für das Bürgerhaus und den Markgraf zurück. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Sebastian Fruth hat die Notbremse gezogen und zusammen mit seiner Schwester Anna die Stadt erfolgreich um die vorzeitige Aufhebung zweier Pachtverträge gebeten. Dies bedeutet: Das Restaurant Markgraf hat keinen Pächter und Gastwirt mehr und das Backnanger Bürgerhaus steht ohne Cateringservice da. Die Fruth Catering GmbH und die Stadt Backnang haben beide Verträge im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. Januar dieses Jahres aufgelöst. Heute Nachmittag übergeben Anna und Sebastian Fruth die Schlüssel an Johannes Ellrott, den Leiter des Kultur- und Sportamts Backnang.

Fruth analysiert die aktuelle Lage: „Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr tragbar ist, weiterzumachen. Wenn wir jetzt aufhören, sind wir finanziell mit einem blauen Auge davongekommen.“ Der Gastronom berichtet von einem coronabedingten Umsatzeinbruch im vergangenen Jahr in Höhe von etwa 750000 Euro. Die Soforthilfe der Regierung hingegen habe lediglich 30000 Euro betragen. Die fehlende Unterstützung ist für Fruth der wesentliche Grund, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, zumal es sich beim Bürgerhaus samt Markgraf um ein Objekt handelt, das nicht ihm selbst gehört, sondern das er lediglich mit seiner Schwester Anna zusammen gepachtet hat. Fruth schimpft: „Von den Soforthilfen kommt wenig bis nichts bei uns an. Von der Novemberhilfe ist jetzt Anfang Februar ein Drittel der zugesprochenen Hilfe angekommen. Wir haben fast alle unsere privaten Reserven aufgebraucht. Ab März hätten wir uns verschulden müssen oder wären zahlungsunfähig gewesen.“

Konkret geht es um zwei Pachtverträge, die nun beendet werden. Die Saal- und Konferenzebene des Bürgerhauses bewirtschaftet Familie Fruth seit 15 Jahren, anfangs hatte der Vater der Geschwister, Nick Fruth, das Zepter inne. Zudem hat die Fruth Catering GmbH seit mehr als drei Jahren einen Pachtvertrag über die Bewirtschaftung des Restaurants Markgraf und des Felsenkellers im Bürgerhaus.

Nach harten Verhandlungen und vor allem dank der Unterstützung mehrerer Stadträte hat Fruth eigenen Angaben zufolge „gegen große Widerstände der Stadtverwaltung und nach einem wirklichen Kampf“ einen Pachterlass für die Saalebene des Bürgerhauses erhalten. Da dort seit März vergangenen Jahres keine beziehungsweise keine bewirteten Veranstaltungen mehr stattfinden, braucht der Unternehmer die Pacht nicht zu bezahlen. Anders sieht es mit dem Restaurant Markgraf aus. Dort pocht die Stadt auf die Bezahlung, obwohl mit dem zweiten Lockdown der Betrieb eingestellt wurde.

Fruth verweist darauf, dass seine Catering-Sparte das finanzielle Zugpferd seines Betriebs gewesen ist. Weil aber derzeit coronabedingt auch alle Messen und geschäftlichen und privaten Feiern abgesagt sind, gibt es auch auf diesem Sektor nichts zu verdienen. Gleichzeitig hat er aber vor allem für diesen Geschäftsbereich viele Mitarbeiter auf 450-Euro-Basis eingestellt. Insgesamt stehen etwa 50 Mitarbeiter mit solchen Verträgen bei ihm in Lohn und Brot, fünf weitere Mitarbeiter sind fest angestellt. Der Geschäftsmann rechnet vor: „Die 450-Euro-Kräfte darf man nicht in Kurzarbeit schicken, aber es müssen mindestens 50 Prozent der Angestellten in Kurzarbeit sein, um Kurzarbeitergeld erhalten zu können.“ Da er also die Quote nicht erfüllen kann, bekommt er eigenen Angaben zufolge auch von dieser Seite keine Unterstützung.

Gekränkt ist Fruth über einige Aussagen von Verantwortlichen der Stadt. So hieß es laut Fruth etwa, die Pacht solle aus folgender Begründung nicht gestundet werden: „Wir hätten ja einfallsreich sein können und selbst eigene Veranstaltungen im Bürgerhaus auf die Beine stellen können.“ Der 30-Jährige spricht von einer Frechheit: „Wir haben alle Register gezogen.“ So erinnert er unter anderem an die Bar „Hafenviertel“, die er den Sommer über am Murrufer unterhalb des Burgbergs betrieben hat, oder an den „Stadtstrand“, in den er viel Liebe gesteckt hat. Beides sei eine Bereicherung für die Stadt gewesen. Die Ausfälle an anderer Stelle konnten jedoch weder das Hafenviertel noch der Stadtstrand kompensieren. Dass nun nach über drei Jahren Markgraf der Schlussstrich gezogen wird „tut mir schon weh“. Und er betont nochmals, dass er es als „undankbar“ vonseiten der Stadt empfindet, „man hätte eine Lösung finden können“. Nun kommt es am heutigen Donnerstag zur Schlüsselübergabe.

In den vergangenen Tagen und Wochen haben Fruth und sein Team das Catering-Equipment bereits in einer Halle in der Fabrikstraße eingelagert und im Bürgerhaus kleinere Reparaturen übernommen und alles für die Übergabe auf Vordermann gebracht.

Wie es mit dem Wirt aus Oppenweiler weitergeht, ist unklar. Sicher ist nur, dass er auch künftig – nach dem Lockdown – Catering anbieten möchte. Ob er auch nochmals eine Gaststätte übernimmt, ließ der Gefrustete sich noch nicht entlocken: „Ich weiß es noch nicht, die Lage ist derzeit ziemlich entmutigend. Ich fühle mich von allen Seiten im Stich gelassen.“

Johannes Ellrott versteht die Frustration Fruths nur zu gut, er kennt sie von vielen anderen Wirten, Geschäftsleuten oder Künstlern. Allerdings betont er, dass die Stadt keine Schuld treffe. Vielmehr verweist er darauf, dass die Pächter von sich aus im Dezember auf die Stadt zugekommen seien mit der Bitte, den Pachtvertrag, der eigentlich bis zum 22. November 2022 läuft, vorzeitig aufzulösen. „Wir haben den Aufhebungsvorschlag von Fruth geprüft und akzeptiert und sind der Fruth GmbH sehr weit entgegengekommen, sogar weiter als die Forderungen waren.“ Die Entscheidung fußte auf dem gesunden Menschenverstand. „Wir wollen den beiden keine Steine in den Weg legen.“

Ellrott bestätigte, dass der GmbH kulanterweise die Pacht für die Saalebene für die Monate März bis Oktober erlassen wurden. Auf der Pacht für die Monate November bis Januar habe die Stadt jedoch bestanden, weil es dafür auch die Novemberhilfen gegeben habe. Die Frage, ob es mit mehr Entgegenkommen nicht möglich gewesen wäre, den bewährten Gastronomen in der für die Stadt so wichtigen Einrichtung zu halten, wich Ellrott aus: „Das war nicht Teil der Anfrage von Fruth.“ Ellrott sagte: „Ich habe Verständnis dafür, dass die Nerven in dieser ganz, ganz schlimmen Zeit blank liegen, aber wir können nichts dafür. Alle leiden, alle hoffen, dass es bald wieder weitergeht.“ Auch der Gemeinderat habe „die gute Entscheidung“ mitgetragen.

Gleichzeitig hob Ellrott die große Bedeutung des Bürgerhauses hervor. „Das ist der zentrale Treffpunkt für kulturelle Veranstaltungen in der Stadt mit einer Strahlkraft in die Region hinaus, da wird sich auch in Zukunft nichts dran ändern. Die Bewirtung in der Saalebene und im Restaurant Markgraf ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Angebots.“ Weil in der Kürze der Zeit und wegen der allgemeinen Lage noch nichts spruchreif ist, sagte Ellrott ganz allgemein: „Wir sind dabei, ein Konzept zu erarbeiten. Fest steht: Es wird auch künftig Bewirtung geben.“

Kommentar
Frust und Hoffnung

Von Matthias Nothstein

Die Frustration von Sebastian Fruth ist groß, und das nicht nur wegen Corona. So blies ihm schon vor zwei Jahren heftiger Gegenwind vonseiten einiger konservativer Stadträte entgegen, als er seine Strandbar mit Shisha-Wasserpfeifen ausstatten wollte. Er durfte nicht. Es sollte ein Angebot an die jungen Erwachsenen sein und verhindern, dass diese ihre Freizeit ausschließlich beispielsweise in Stuttgart verbringen und Backnang immer mehr zum Provinznest verkommt.

Nun ruhen alle Hoffnungen auf dem neuen Leiter des Kultur- und Sportamts, Johannes Ellrott. Er hat bei seiner Vorstellung die Stadträte mit vielen Ideen und neuen Konzepten begeistert. Zumindest in Bezug auf das Bürgerhaus und das angegliederte Restaurant kann er jetzt beziehungsweise nach dem Ende des Lockdowns aus dem Vollen schöpfen. Man darf gespannt sein, wie das neue Konzept aussieht. Einfach wird die Umsetzung im Restaurant mit Sicherheit nicht. Schließlich sind schon mehrere Betreiber, die vollmundig gestartet sind, grandios gescheitert.

m.nothstein@bkz.de

Bürgerhaus-Pächter beendet Bewirtung

„Ich habe Verständnis dafür, dass die Nerven in dieser ganz schlimmen Zeit blank liegen.“

Johannes Ellrott, Backnanger Kultur- und Sportamtsleiter

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Erstellt:
11. Februar 2021, 06:00 Uhr

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