Entbürokratisierung
CBAM und die Kunst ein Moped zu reparieren
Der geplante Klimazoll der EU ist im Grunde eine gute Sache, treibt allerdings manch bürokratische Blüte. Das soll nun geändert werden.

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Die Stahlproduktion ist ein energieintensives Gewerbe, weshalb die Unternehmen für den Klimaschutz bezahlen müssen.
Von Knut Krohn
Das Beispiel mit dem Moped erzählt Peter Liese besonders gern. In den Augen des CDU-Europaabgeordneten beschreibt die Geschichte überaus plastisch, wie eine EU-Regelung ins Absurde abgleiten kann. Ein Jugendlicher in den Niederlanden wurde jüngst von einer Behörde in seinem Heimatland aufgefordert, einen umfangreichen Fragebogen auszufüllen, weil er einen Auspuff für sein Gefährt im außereuropäischen Ausland bestellt hatte. Der Grund: Nach den geplanten neuen EU-Regeln fiel das Ersatzteil unter den CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM.
Dieser Carbon Border Adjustment Mechanism ist im Grunde eine gute Sache, soll er doch die europäische Industrie vor Billigimporten aus Drittstaaten schützen. Beschlossen wurde der CO2-Grenzausgleichsmechanismus vom Europäischen Parlament im Jahr 2023 gemeinsam mit einer Verschärfung des Emissionshandels. Das heißt, energieintensive Industrien wie Stahl-, Zement- und Kalkproduzenten werden in Zukunft sehr viel weniger kostenlose Zertifikate aus dem Emissionshandel erhalten. Damit ihre Produkte nicht einfach durch Billigprodukte aus Marokko, der Türkei oder China ersetzt werden, wird an der EU-Außengrenze eine Art Klimazoll erhoben. Alle Produzenten, die nicht einem ähnlich strengen Klimaregime wie in der EU unterworfen sind, müssen einen entsprechenden Ausgleich zahlen.
Der Wind in Brüssel hat sich gedreht
Doch inzwischen hat sich der Wind in Brüssel gedreht. Der Kampf gegen den Klimawandel genießt natürlich weiter höchste Priorität, doch inzwischen wird daran gearbeitet, die oft hochkomplexen Klimaschutzgesetze zu vereinfachen. Das Schlagwort heißt nun Entbürokratisierung. In diesem Rahmen wurde auch der CBAM genauer unter die Lupe genommen und man wurde dort auch schnell fündig. Denn die hochkomplexe Vorschrift sieht zum Beispiel vor, dass ein Importeur etwa von Stahl und Aluminium über jede einzelne Lieferung Bericht erstatten muss, die den Wert von 150 Euro übersteigt. Deshalb bekam auch der niederländische Mopedfahrer Post vom Amt.
Diese und zahlreiche andere Regelungen sollen nun wegfallen, verspricht der CDU-Mann Liese. Weil die Absurdität mancher Vorgabe offensichtlich ist, haben sich auch die Sozialdemokraten im Europaparlament in diesem Fall dem Bürokratieabbau verschrieben. Die Importgrenze von 150 Euro werde verschwinden und durch eine Mengengrenze von 50 Tonnen ersetzt, erklärt Tiemo Wölken, der für die SPD im Europaparlament sitzt. Außerdem soll durch die Definition von mehr Standardwerten der leidige Papierkram für die Firmen deutlich reduziert werden. Damit würden 91 Prozent der Fälle, die bisher unter den CBAM fallen, von den Berichtspflichten befreit, erklärt der Sozialdemokrat. Dennoch würden 99 Prozent der Emissionen weiter erfasst. Liese und Wölken betonen zufrieden, dass hier Bürokratieabbau vor allem für kleine und mittlere Unternehmen zusammen mit dem Umweltschutz Hand in Hand gehen würden.
150-Euro-Grenze bleibt rätselhaft
Nicht beantworten konnten die Parlamentarier die Frage, wie es die realitätsferne 150-Euro-Grenze in den EU-Gesetzestext geschafft hat. Da beide nicht direkt bei den CBAM-Verhandlungen dabei waren, mussten auch sie nachfragen und wurden nicht fündig. Offensichtlich wird der Schwarze Peter von einem an den nächsten weitergereicht. Tiemo Wölken betont aber, dass man in diesem Fall die positive Seite der Geschichte hervorheben müsse. Die Europäische Union habe bewiesen, dass sie auch schnell reagieren kann, wenn man mit einer Regelung mal über das Ziel hinausschieße.
Das sieht die EU-Kommission ähnlich, die in dieser Angelegenheit ein Eilverfahren erbeten hat. Ziel ist es, die notwendigen Änderungen noch vor dem finalen Scharfschalten des CBAM im kommenden Jahr umzusetzen, weswegen die Parlamentarier bereits am Donnerstag darüber abstimmen werden. Im Fall des niederländischen Moped-Fahrers hat übrigens die Mutter die Sache in die Hand genommen und auch geregelt. Die Frau rief kurzerhand bei der zuständigen Behörde an und erklärte den dortigen Mitarbeitern, dass die Gesetzgebung ziemlicher Unsinn und deshalb nicht umzusetzen sei. In den Gängen es Europaparlaments hat die Geschichte bereits Legendenstatus.