Chef der Innenministerkonferenz: Terroristen früh erkennen

dpa Erfurt. Nach den Anschlägen in Halle und Hanau sowie der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke spricht der Chef der Innenministerkonferenz von einer neuen Phase des Terrorismus. Finden die Innenminister von Bund und Ländern nun eine gemeinsame Linie?

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnt vor Zunahme von Terrorismus. Foto: Bodo Schackow/dpa

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnt vor Zunahme von Terrorismus. Foto: Bodo Schackow/dpa

Vor einem dreitägigen Treffen der Innenminister in Erfurt mahnt der Chef der Konferenz, der Thüringer Ressortchef Georg Maier, zu mehr Ehrgeiz im Kampf gegen rechtsextreme Terroristen.

Bund und Länder müssten potenzielle Täter früher erkennen und auch im Internet schneller ausfindig machen, sagte der SPD-Politiker der dpa. Er sprach von einer „neuen Phase des politisch motivierten Terrorismus in Deutschland“.

Man habe bittere Erkenntnisse aus den Attentaten der vergangenen zwölf Monate ziehen müssen, bei denen 13 Menschen getötet worden seien, sagte Maier - und verwies auf die Anschläge in Hanau und Halle sowie auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Das ist Terrorismus, da braucht man nicht lange drum herum reden.“

Das Thema spielt bei der Frühjahrskonferenz der Innenminister von Bund und Ländern eine Rolle, die von Mittwoch bis Freitag in Erfurt läuft. Thüringen hat in diesem Jahr den Vorsitz. Ergebnisse sollen am Freitag vorgestellt werden. Auf der Tagesordnung steht unter anderem noch eine Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien und der Kampf gegen Kinderpornografie.

In Deutschland galten im vergangenen Jahr 39 Rechtsextremisten als terroristische Gefährder, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des FDP-Innenpolitikers Benjamin Strasser hervorgeht. Laut Bundeskriminalamt gibt es nun bereits 65 rechte Gefährder. Maier warnte vor diesem Hintergrund von einer „neuen Dimension der Bedrohung unserer Demokratie“.

Diese Bedrohung komme von rechtsterroristischen Strukturen. Dabei gibt er zu bedenken, dass sich der heutige rechte Terrorismus von jenem in den 1970er Jahren unterscheide, damals von links. „Die RAF in den 70er Jahren hatte eine klar umrissene Struktur. Da kannte man auch die Namen“, sagte Maier. Dagegen sei etwa beim islamistischen Terrorismus bereits aufgefallen, dass Einzelne teils plötzlich und unerwartet ihre Taten verübt hätten. Im Fall Lübcke, in Hanau und in Halle hätten auch Einzeltäter zugeschlagen, die Sicherheitsbehörden nicht ausreichend auf dem Schirm gehabt hätten. „Es geht darum, Radikalisierungstendenzen in der Frühphase festzustellen - und das personenscharf“, sagte Maier.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht verlangte, Extremismus und Hass im Netz schneller und konsequenter zu verfolgen. Die Justiz müsse wegkommen von der häufig gewählten Praxis, Ermittlungen wegen kleinerer Delikte einzustellen, sagte der CDU-Politiker der dpa. Strafbefehle oder Gerichtsverfahren hätten „schon einen gewissen Effekt“ auf Menschen und könnten der Verrohung von Sprache und Gesellschaft entgegenwirken. Stahlknecht will auf der Ministerkonferenz unter anderem dafür werben, dass die Verfassungsschützer länderübergreifend enger zusammenarbeiten und die Beobachtung ausweiten, um Einzelpersonen und Netzwerke besser zu erkennen.

Stahlknecht sagte, gerade die Veröffentlichungen privater Chat-Protokolle zeigten immer wieder, wie sich Sprache radikalisiere. „Da wird Rassismus zum Salonthema. Und Fremdenfeindlichkeit gilt als schick und nicht weiter ernst zu nehmen.“ Dabei zeigten die Ereignisse der jüngsten Zeit, dass aus Worten Taten werden könnten.

Nach den jüngsten extremistischen Anschlägen fordert Sachsen nun einen besseren Informationsaustausch zwischen Waffenbehörden und Verfassungsschutz. „Wir wollen, dass Daten zwischen den Sicherheitsbehörden eines Landes und bei Bedarf auch länderübergreifend ausgetauscht werden und auch polizeiliche Erkenntnisse einfließen können“, sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) der dpa vor der Innenministerkonferenz.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) forderte eine härtere Gangart auch gegen kriminelle Clans und gegen Besitzer von Kinderpornografie. Besitz und Erwerb kinderpornografischen Materials müssten deutlich härter bestraft werden als bisher, sagte Pistorius im „Welt“-Interview. Allen müsse klar sein: „Wenn auf dem Handy, auf dem Computer solche Bilder oder Videos zu finden sind, dann hat das richtig schmerzhafte Konsequenzen.“

Im Kampf gegen Kindesmissbrauch fordert das Land Nordrhein-Westfalen, dass Tatverdächtige künftig schneller in Untersuchungshaft genommen werden sollen. Einen entsprechenden Beschlussvorschlag hat das Innenministerium laut „Welt“ eingebracht. Richtern soll dadurch die Möglichkeit gegeben werden, Untersuchungshaft auch dann anzuordnen, wenn bei einem Tatverdächtigen keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht. Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte: „Meine Ermittler berichten mir immer wieder, dass viele Richter sich schwer tun, in Missbrauchsfällen Untersuchungshaft anzuordnen, zum Beispiel, weil sie die Wiederholungsgefahr verneinen.“ Das könne nicht sein. „Diese Beschuldigten sind nicht selten tickende Zeitbomben.“

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Erstellt:
17. Juni 2020, 04:30 Uhr

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