„Das Futter reicht nie und nimmer!“

Die Hitze des Sommers bringt Landwirte im Winter ins Schwitzen – Tierhalter reagieren ganz unterschiedlich auf Ernteausfälle

Der Rekordsommer ist vorbei, seine Auswirkungen aber noch lange nicht. Für die Milchviehbetriebe im Raum Backnang bedeutet die Hitze und Trockenheit konkret nun Futterknappheit. Die Landwirte reagieren unterschiedlich auf dieses Problem. Während die einen bereits Tiere verkaufen, um mit dem wenigen Futter über die Runden zu kommen, kaufen andere Futter zu oder stellen die tierische Ernährung um.

„Viele Landwirtegleichen das Dilemma mit dem Zukauf vonMaissilage aus.“Michael Stuber, Leiter desLandwirtschaftsamts Backnang

„Viele Landwirte gleichen das Dilemma mit dem Zukauf von Maissilage aus.“ Michael Stuber, Leiter des Landwirtschaftsamts Backnang

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. In einem normalen Jahr können die Milchviehbetriebe ihre Grasflächen hierzulande vier oder fünfmal mähen. In diesem Jahr ist vieles anders. Im Frühjahr ging es noch gut los, der erste Schnitt im April war ungewöhnlich früh und vom Ertrag und der Qualität ausgesprochen gut. Doch schon der zweite Schnitt etwa vier bis sechs Wochen später Ende Mai erbrachte nur noch etwa 70 Prozent des Ertrags und eine unterdurchschnittliche Qualität. Und richtig hart hat es die Bauern dann beim dritten Schnitt erwischt, „da haben wir die Konsequenzen der Dürre so richtig zu spüren bekommen“, klagt Steffen Lederer von den Kirchberger Obertorhöfen. Der Ertrag lag nur noch bei 30 Prozent. Und dabei waren wertvolle Futtergräser gar nicht mehr vorhanden, sondern nur noch Kräuter, die resistenter sind gegen die Trockenheit und die die Milchbauern eigentlich nicht wollen. Die vierte Nutzung Mitte August war dann ein Totalausfall. „Wir haben die Wiesen nur gemäht, damit sie sauber waren und weil Gras nur dann wachsen kann.“

Der 26-jährige Mitgeschäftsführer der Lederer GbR hat für seinen Betrieb errechnet, dass er 60 Prozent weniger Grasertrag hat als in normalen Jahren, „das bedeutet 800 bis 900 Kubikmeter weniger Gras für unsere 125 Milchkühe“. Kälber, Jungvieh und Bullen mitgezählt, muss der Betrieb sogar 280 bis 300 Tiere versorgen. Der einzige Ausweg für Lederer ist die Zufütterung von Maissilage. Die jedoch ist insofern problematisch, weil Mais zwar Energie liefert, nicht aber das Eiweißfutter ersetzen kann. Ersatz für diesen Teil der tierischen Ernährung ist Rapsschrot, „aber der ist knapp und teuer“, so Lederer. Theoretisch könnte Lederer auch Soja als Ersatz einsetzen. Aber im Fall der Lederer GbR kommt das nicht infrage, weil der Betrieb beim Gentechnikfrei-Programm der Hohenloher Molkerei mitmacht. Diese zahlt zwar deshalb einen etwas höheren Milchpreis, aber die Teilnehmer müssen sich im Gegenzug verpflichten, nur Soja aus Deutschland zu verwenden. Oder aus garantiert gentechnikfreiem Anbau. Für Lederer keine Alternative, denn deutsches Soja ist zu teuer und bei ausländischem Soja kann niemand die geforderte Qualität garantieren.

Die Möglichkeit, Tiere zu verkaufen, kommt für Lederer nicht in die Tüte, „das ist langfristig gesehen keine Lösung“. Vor allem in Norddeutschland wurde dieser Weg von vielen Betrieben gewählt, mit der Konsequenz, dass der Fleischmarkt voll eingebrochen ist, die Rede ist von einem Minus von 30 bis 40 Prozent. Lederer: „Das ist unrentabel. Und zudem fehlen mir nächstes Jahr diese Tiere.“

Zu alledem hat Lederer mit den ausgetrockneten Wiesen nun auch noch Mehrarbeit. Denn er muss sie nun neu mit dem gewünschten Gras einsäen und pflegen, „sonst kriegen wir die Kräuter nie in den Griff“. Wenn es aber demnächst nicht regnet, war auch diese Arbeit umsonst.

Andreas Schunter aus Burgstetten bestätigt die Auswirkungen der Dürre. Der Sprecher des Kreisbauernverbands Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems sagt: „Betriebe, die besonders stark auf Grünland gesetzt haben, sind besonders betroffen, sie haben im Landkreis im Durchschnitt nur 50 Prozent des üblichen Ertrags.“ Doch die Dürre wirkt sich nicht auf alle Ernten gleich aus. So sind etwa beim Getreide Einbußen von etwa 10 Prozent zu verbuchen. Beim Mais hingegen sieht es ganz anders aus, hier liegt die Ernte laut Schunter „vielleicht sogar über dem Durchschnitt“. Begründung: Mais ist zwar keine ausgesprochene Tropenpflanze, aber sie kommt mit den hohen Temperaturen bestens zurecht.

Aber selbst innerhalb weniger Kilometer gibt es große Unterschiede. So ist der Bereich Welzheim/Alfdorf relativ gut mit Regen versorgt gewesen. Und wirklich hart getroffen hat es den Raum Sulzbach an der Murr/Murrhardt. Eben dort betreiben Ute und Frank Gruber ihren Zuchtbetrieb. Statt der üblichen fünf Grasschnitte ernteten sie nur zwei im April und Mai. Dann noch ein bisschen im August, und zwar in den Lagen in den Talauen, die nahe am Grundwasser liegen. Gruber: „Bis Anfang Juli gab’s wöchentlich vier bis fünf Liter Wasser je Quadratmeter, das hat dann wenigstens das Getreide und den Mais gerettet. Letzterer ist durch seine mexikanische Herkunft stoffwechseltechnisch auf Wassersparen eingerichtet. Die letzten 2,5 Monate gab’s nur Hitze und ein paar Tropfen. Für uns als Betrieb, dessen Fläche zu 80 Prozent aus obligatorischem Grünland besteht, eine Katastrophe. Das Futter reicht uns nie und nimmer bis zum nächsten Sommer.“

Als Schwarzbunt-Zuchtbetrieb hat Gruber sonst immer alle weiblichen Kälber selber aufgezogen, obwohl er höchstens die Hälfte davon zur Bestandsergänzung für abgehende Altkühe brauchen konnte. Zum Verkauf sind bei dieser Rasse Zuchttiere, die bereits Milch geben, lukrativer als Jungrinder. Der Käufer darf sich über mehr Milch freuen und hat keine Aufzuchtkosten. Die überzähligen Erstkalbskühe wurden auf der Zuchtviehversteigerung in Bad Waldsee verkauft und erbrachten dort je nach Marktlage und Qualität das Doppelte bis Vierfache des Schlachterlöses einer Altkuh.

In diesem Sommer hat Gruber jedoch schon einige Tiere zum Schlachten gegeben. Der Preis war lange Zeit stabil, da andere Regionen – zum Beispiel schon der Ostalbkreis – mehr Regen abbekommen hatten. Zudem gingen einige tragende Jungrinder als Zuchtvieh in den Export nach Ägypten und in die Türkei. Und weitere sieben Rinder im deckfähigen Alter (ab 15 Monaten) konnte Gruber diese Woche als Trägertiere nach Norddeutschland verkaufen. Gruber: „Die bekommen dort sündhaft teure Embryonen aus den USA eingepflanzt. Diese werden tiefgefroren mit dem Flugzeug angeliefert, aus Spitzenkühen gewonnen, drei bis fünf Stück zu mehreren Tausend Euro.“

Mit dem Blick auf andere Regionen relativiert Gruber sogar sein Klagen, „um Künzelsau scheint’s noch trockener zu sein“. Er zeigt sich optimistisch: „Ich hoffe ja immer noch, dass es jetzt mal 40 Liter regnet und wir noch einen Schnitt bekommen. Im letzten Dürrejahr 2003 gab’s den noch im Oktober.“

Michael Stuber ist seit 1. September der Leiter des Landwirtschaftsamtes Backnang. Er bestätigt, dass die Niederschläge regional sehr unterschiedlich ausgefallen sind, je nachdem, wo sich beispielsweise im Hochsommer ein Gewitter entladen hat. Was an der Ernte deutlich abzulesen ist. So gibt es auf einer Markung extreme Dürreschäden und nur wenige Hundert Meter weiter hat es für einen Schnitt mehr gereicht. Stuber weiß, dass viele Landwirte das Dilemma mit Maissilage ausgleichen. Manch ein Acker, auf dem eigentlich Körnermais geerntet werden sollte, wurde bereits siliert, weil die Körnerbildung – Tropenpflanze hin oder her – auch unter der Hitze gelitten hat.

Laut Stuber haben einige Landwirte reagiert und ihre Tiere früher als geplant verkauft. Vor allem ältere Tiere, bei denen die Milchleistung schon nachlässt. „Sie würden ohnehin früher oder später geschlachtet werden. Nun halt ein wenig früher, damit der Betrieb etwas Futter für den Rest des Bestands einspart.“ Stuber erklärt, der Schlachtpreis für Vieh sei bereits im Keller: „Er ist schon gesunken. Um wie viel Prozent, lässt sich schwer beziffern, da dieser Preis immer saisonalen Schwankungen unterworfen ist.“

Brachflächen dürfen als Weiden genutzt werden Info Wegen der langen Trockenheit gibt es für die Landwirte im Land Ausnahmen bei der Futtermittelbeschaffung. Das hat Agrarminister Peter Hauk (CDU) jetzt mitgeteilt: „Wir können die Betriebe und vor allem ihre Tiere jetzt nicht im Stich lassen.“ Unter anderem sollen jene Bauern, die am Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (Fakt) teilnehmen, begrünte Ackerflächen zur Fütterung nutzen dürfen – was normalerweise nicht erlaubt ist. Sie müssen dafür einen Antrag stellen. Auch ökologische Brachflächen sollen als Weiden dienen oder beschnitten und die Pflanzen verfüttert werden können. Zudem sollen Ökobetriebe Futtermittel aus nicht ökologischer Erzeugung zukaufen dürfen, um die Versorgung ihrer Tiere sicherzustellen. Den Weg dafür hatte die EU-Kommission frei gemacht. Sie hat beschlossen, dass Landwirte wegen der Trockenheit ausnahmsweise von einigen Anforderungen zum Umweltschutz befreit werden können.
Es ist ein Trauerspiel, wie viele Wiesen derzeit aussehen. Außer ein paar trockenresistenten Spezialisten wächst nichts mehr. Der Heuwender kommt seit Wochen nicht mehr zum Einsatz und „steht nur noch zur Deko auf der Grünfläche“, so der sarkastische Kommentar eines Betroffenen. Foto: U. Gruber

Es ist ein Trauerspiel, wie viele Wiesen derzeit aussehen. Außer ein paar trockenresistenten Spezialisten wächst nichts mehr. Der Heuwender kommt seit Wochen nicht mehr zum Einsatz und „steht nur noch zur Deko auf der Grünfläche“, so der sarkastische Kommentar eines Betroffenen. Foto: U. Gruber

Die Landwirte Andreas Schunter, Martin Lederer und Steffen Lederer (von links) müssen nun schauen, wie sie die Auswirkungen der Trockenheit auffangen können, damit ihre Tiere auch bis zur nächsten Ernte immer genügend zu fressen haben. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Landwirte Andreas Schunter, Martin Lederer und Steffen Lederer (von links) müssen nun schauen, wie sie die Auswirkungen der Trockenheit auffangen können, damit ihre Tiere auch bis zur nächsten Ernte immer genügend zu fressen haben. Foto: A. Becher

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Erstellt:
9. Oktober 2018, 06:00 Uhr

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