Der schwarze Wahlkreis wird bunter

Herbe Verluste für CDU und AfD, Gewinne für SPD, FDP und Grüne – die Sieger und Verlierer im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd sind dieselben wie auf Bundesebene. Allerdings kann sich die CDU hier noch als stärkste Kraft behaupten und verteidigt auch das Direktmandat.

Im Sitzungssaal des Backnanger Rathauses beginnt die Auszählung: Der Anteil der Briefwähler war diesmal höher als sonst. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Im Sitzungssaal des Backnanger Rathauses beginnt die Auszählung: Der Anteil der Briefwähler war diesmal höher als sonst. Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

Backnang. Spiegelberg war am schnellsten: Bereits um 19.08 Uhr vermeldete die Gemeinde im Schwäbischen Wald ihr Endergebnis. Eines, das durchaus mit Spannung erwartet wurde, schließlich war die kleine Gemeinde bei vergangenen Wahlen stets eine Hochburg der AfD gewesen. Diesem Ruf wurde Spiegelberg zwar auch diesmal wieder gerecht, allerdings blieben die Rechtspopulisten mit 19,2 Prozent der Zweitstimmen deutlich unter ihrem Ergebnis von 2017, als sie noch auf 23,5 Prozent gekommen waren. Auch in den meisten anderen Städten und Gemeinden verlor die AfD Stimmen. Ihren prozentualen Spitzenwert holte die Partei diesmal übrigens nicht in Spiegelberg, sondern im benachbarten Großerlach mit 20,4 Prozent.

Weitaus dramatischere Verluste musste allerdings die CDU einstecken, die bereits vor vier Jahren deutlich an Boden verloren hatte. Von 48,4 Prozent bei der Bundestagswahl 2013 über 35,2 Prozent 2017 ging es nun um weitere neun Prozentpunkte bergab auf 25,9 Prozent – für einen Wahlkreis, der früher als tiefschwarz galt, ein verheerendes Ergebnis. Trotzdem bleibt die Union mit vier Prozentpunkten Vorsprung auf die SPD noch die stärkste Kraft und kann auch das Direktmandat verteidigen. Inge Gräßle reichten 30,5 Prozent der Erststimmen, um ihren Parteifreund Norbert Barthle in Berlin zu beerben.

Ricarda Lang landet nur auf Platz fünf

Ein richtig gutes Ergebnis erzielte der junge SPD-Kandidat Tim-Luka Schwab, der, getragen vom Bundestrend, fast 6000 Erststimmen mehr bekam als der langjährige Abgeordnete Christian Lange vor vier Jahren. Zum Einzug in den Bundestag reichte es für Schwab allerdings nicht, weil seine Partei ihn bei der Aufstellung der Landesliste auf den letzten Platz gesetzt hatte.

Trotzdem wird der Wahlkreis auch weiterhin mit zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten sein: Grünen-Kandidatin Ricarda Lang holte wie erwartet ein Zweitmandat über die Landesliste. Ihr persönliches Ergebnis im Wahlkreis fiel eher enttäuschend aus: Mit 11,5 Prozent der Erststimmen landete die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen lediglich auf dem fünften Platz, noch hinter den Kandidaten von FDP (12,0) und AfD (11,7).

Die FDP ist in ihrem liberalen Stammland ohnehin auf dem besten Weg, an alte Erfolge anzuknüpfen. Nach dem Absturz bei der Bundestagswahl 2013 konnte die Partei im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd nun zum zweiten Mal in Folge deutlich zulegen (plus 3,4 Prozentpunkte) und ist hier mit 15,8 Prozent wieder drittstärkste Kraft. Auch die Grünen konnten ihr Ergebnis bei den Zweitstimmen verbessern (plus 2,2 Prozentpunkte), allerdings deutlich weniger als auf Bundesebene.

Wie im ganzen Land gehört auch im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd die Linke zu den Verlierern: Ihr Ergebnis von 2017 hat die Partei hier glatt halbiert von 5,9 auf 2,9 Prozent. Von den sonstigen Parteien schnitt die aus der „Querdenker“-Szene hervorgegangene Partei „die Basis“ am besten ab: Sie kam auf 2,3 Prozent der Stimmen. Alle weiteren Parteien blieben unter zwei Prozent.

CDU-Hochburgen im Ostalbkreis

Beim Blick auf die einzelnen Gemeinden zeigt sich, dass die CDU ihre besten Ergebnisse im Ostalbkreis geholt hat, in Heuchlingen immerhin 36,5 Prozent. Im Backnanger Raum liegt die Partei hingegen in keiner einzigen Gemeinde über 30 Prozent. Ihr schlechtestes Ergebnis holte die CDU in Großerlach, wo sie mit 20,65 Prozent nur ganz knapp vor der AfD liegt. Auch die SPD-Hochburg liegt im Ostalbkreis: Die kleine Gemeinde Leinzell ist auch die einzige, in der die SPD mit einem Zweitstimmenergebnis von 25,7 Prozent die CDU (24,6 Prozent) überholt hat. Die Grünen schneiden vor allem in den Städten gut ab: Ihr bestes Ergebnis holten sie in Schwäbisch Gmünd (16,3 Prozent), aber auch das Backnanger Ergebnis fiel mit 15,0 Prozent überdurchschnittlich aus. Die liberalen Hochburgen lagen in Eschach (19,3) und Weissach im Tal (18,4 Prozent).

Die Wahlbeteiligung lag bei dieser Bundestagswahl bei 77,0 Prozent und damit nur knapp unter den 77,3 Prozent von 2013. Am höchsten war die Beteiligung in Waldstetten (83,4 Prozent) und Burgstetten (83,3). Am geringsten war das Interesse in Großerlach (70,6) und Murrhardt (72,4).

Kommentar
Frauenduo mit guter Startposition

Von Kornelius Fritz

Die Sensation ist ausgeblieben: Das Direktmandat im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd geht wieder an die CDU – so wie jedes Mal, seit es den Wahlkreis gibt. Allerdings musste die Union erneut Federn lassen: Schon Norbert Barthle hatte vor vier Jahren rund 15000 Stimmen gegenüber 2013 eingebüßt, Inge Gräßle hat nun weitere 14500 Wähler verloren. Der Abstand zu den Herausforderern war am Ende trotzdem noch relativ deutlich. Damit wird der Wahlkreis in den nächsten vier Jahren in Berlin von einer Frau repräsentiert, die man als Politikprofi bezeichnen darf. Nach acht Jahren im Landtag und 15 Jahren im EU-Parlament kennt Inge Gräßle das Geschäft aus dem Effeff und ist in ihrer Partei bestens vernetzt. Die neue Abgeordnete kann deshalb darauf hoffen, dass sie nicht, wie sonst üblich, erst einmal ein Dasein als Hinterbänklerin fristen muss, sondern von Anfang an Zugang zu den Ebenen haben wird, auf denen Entscheidungen getroffen werden.

Gleiches gilt auch für Ricarda Lang, die über die Landesliste in den Bundestag einzieht, obwohl ihr Erststimmenergebnis enttäuschend ausgefallen ist. Man darf gespannt sein, ob sie als stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen den Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd nur als Karrieresprungbrett nutzt oder sich in den kommenden Jahren wirklich aktiv für die Interessen der Region einsetzen wird.

Denn eine starke Stimme in Berlin ist – unabhängig von parteipolitischen Präferenzen – wichtig für den Wahlkreis, der bisher immerhin von zwei Staatssekretären vertreten wurde. Mit dem neuen Frauenduo ist die Hoffnung verbunden, dass die Themen der Region in Berlin weiterhin Gehör finden werden, etwa wenn es um die B14 oder den Ausbau der Murrbahn geht.

Für den jungen SPD-Kandidaten Tim-Luka Schwab hat es diesmal noch nicht zu einem Mandat gereicht, aber der 21-Jährige hat mit enormem Einsatz und einem erfrischenden Auftreten im Wahlkampf viele Sympathiepunkte gesammelt. Ein solches politisches Talent sollte die SPD fördern und nicht noch einmal mit dem letzten Platz auf der Landesliste abspeisen.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
27. September 2021, 06:00 Uhr

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