Die Apfelernte leidet unter Trockenheit

Noch im Frühjahr blickten die Obstbauern positiv auf die Ernte, die Bäume waren voller Blüten, es schien ein gutes Apfeljahr zu werden. Doch die Trockenheit im Sommer ließ Obst zu früh herunterfallen und die aktuellen Obstpreise sind so schlecht, dass sich der Aufwand kaum lohnt.

Die Äpfel sind in diesem Jahr kleiner, viele sind frühzeitig von den Bäumen gefallen.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Äpfel sind in diesem Jahr kleiner, viele sind frühzeitig von den Bäumen gefallen.Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Der Natur fehlte im Sommer der Regen, das bekommen die örtlichen Obstbauern aktuell bei der Apfelernte deutlich zu spüren. Dabei schien es noch im Frühjahr ein vielversprechendes Apfeljahr zu werden. „Die Bäume hatten eigentlich viele Blüten“, meint Bernd Heller, der in Auenwald eine Annahmestelle für Mostobst betreibt. „Aber die Ernte fällt nun deutlich schlechter aus als zunächst erwartet.“ Durch die Hitze und Trockenheit sind viele Äpfel frühzeitig von den Bäumen gefallen. Zwar habe der Regen der vergangenen zwei Wochen gutgetan, doch es sei noch unsicher, ob es ausreichend war, um positive Auswirkungen auf die späteren Sorten zu haben. Allgemein sei die Ernte in diesem Jahr etwa zwei Wochen früher dran als sonst. „Die Bäume hatten schon zwei Wochen früher Blüten, auch die Ernte endet in diesem Jahr früher als sonst“, so Heller.

Auch eine Folge der Trockenheit: Die Äpfel sind deutlich kleiner als gewöhnlich. Zwar sei die Gesamtmenge wohl etwas mehr als im vergangenen Jahr, in dem die Apfelernte sehr gering ausfiel, doch die kleinen Äpfel geben auch weniger Saft. „Die Saftqualität ist dafür gut, er hat einen guten Zuckergehalt“, meint Bernd Heller.

Wer bewässern und beschatten kann, hat im Sommer davon profitiert

Bei Martin Körner, der einen Obstbaubetrieb in Strümpfelbach hat, fällt die Bilanz deutlich positiver aus, auch wenn es noch etwas zu früh ist, um eine abschließende Bilanz zu ziehen. „Insgesamt sind wir ganz zufrieden“, meint er, allerdings gebe es zwischen Tafelobst und Streuobst teils deutliche Unterschiede bei Erträgen und Qualität. „Wer Netze und eine Bewässerung hat, hat davon in diesem Jahr profitiert“, betont er. Er selbst habe unbewässerte und bewässerte Bäume, der Unterschied sei deutlich sichtbar. „Gerade der August hat den unbewässerten Bäumen schon sehr wehgetan“, meint Körner. In den vergangenen zwei Wochen sei dafür quasi perfektes Apfelwetter gewesen. Helle Tage und kalte Nächte sorgen für eine gute Farbe der Äpfel, ohne dass sie zu früh reifen, erzählt der Apfelexperte. Das sei im August ein Problem gewesen. Die reifen Äpfel mussten geerntet werden – etwa zwei Wochen früher als im Vorjahr –, hatten aber noch nicht die gewünschte Farbe angenommen.

Die Trockenheit hat aber nicht nur die Obstbäume selbst betroffen, sondern auch deren Umfeld. So gab es in diesem Jahr deutlich mehr Schäden durch Vögel. „Bevor die Vögel verdursten, bedienen sie sich natürlich am Saft der Äpfel“, erklärt Körner. Auch die Raupenart Apfelwickler hat sich durch die Hitze in diesem Jahr ungewöhnlich stark ausgebreitet. Für gewöhnlich gebe es nur eine, manchmal auch zwei Generationen des Wurms, in diesem Jahr seien teilweise aber sogar drei Generationen geschlüpft. „Das war neben der Trockenheit auch ein Grund dafür, dass viele Äpfel frühzeitig von den Bäumen gefallen sind“, sagt Körner. Während aufgrund der Trockenheit und Hitze Vogelpick und Apfelwickler Probleme bereitet haben, blieben die Obstbauern andererseits komplett von Pilzkrankheiten und Fäulnis verschont.

Die Stimmung unter den Landwirten ist nicht gut

Die kleinen und zu früh heruntergefallenen Äpfel sind aber nicht die schlimmste Folge der anhaltenden Trockenheit für Streuobstwiesen und Stücklesbesitzer. „Einige der älteren oder angeschlagenen Bäume sind schon vertrocknet“, berichtet Bernd Heller. Er befürchtet, dass es noch weitere erwischen wird. Jüngere Bäume haben kaum Triebe, die älteren sind durch den Wassermangel angeschlagen. Die Trockenheit könnte also Auswirkungen auf die Obstbauern über die diesjährige Ernte hinaus haben. Ob viele Obstbauern die Mühe und die Kosten auf sich nehmen, die kaputten Bäume angesichts des schlechten Obstpreises zu ersetzen, sei fraglich, so Heller.

Die Stimmung unter den Landwirten sei angesichts der aktuellen Preise für Streuobst nämlich alles andere als gut. „Vor zwei Jahren lag der Preis noch bei etwa 20 Euro pro 100 Kilogramm Äpfel“, erzählt er. Jetzt liege der Preis bei Bioobst bei etwa 13 Euro und bei normalem Streuobst nur bei etwa zehn Euro pro 100 Kilogramm Äpfel. „Manche Landwirte lesen gar nicht mehr alle Äpfel auf, weil die Arbeit sich zu dem Preis nicht lohnt“, sagt Heller.

Das bestätigt auch Manfred Trefz, der im Nebenerwerb auch Streuobstwiesen bewirtschaftet. Früher habe er Äpfel im Graben und direkt am Stamm noch per Hand aufgesammelt, jetzt nehme er nur noch mit, was die Maschine aufsammelt. „Wir zahlen die Gebühren für die Maschine, der Sprit dafür und für den Schlepper wird teurer, alles wird teurer, aber Äpfel werden billiger“, sagt er. Dazu komme die viele Arbeit, die das ganz Jahr über in die Streuobstwiese gesteckt werden muss: Mehrmals muss um die Bäume herum gemäht werden, die Bäume müssen regelmäßig ausgeschnitten und gepflegt werden. Die große Bedeutung der Streuobstwiesen für Natur- und Artenschutz müsse sich auch am Preis zeigen, damit sich der Aufwand für die Landwirte lohnt, meint Trefz.

Hohe Energiekosten belasten die Abnehmer und Mostbetriebe

Die schlechte Stimmung angesichts der niedrigen Preise bekommen die Abnehmer an den Annahmestellen teils zu spüren. So auch das Aspacher Unternehmen Streker Natursäfte. „Viele verstehen aber auch, dass das angesichts der aktuellen Situation für alle schwierig ist“, sagt Inhaberin Petra Streker. So werde der Markt zum einen stark von der Masse an Äpfeln, die es in diesem Jahr in Polen gab, bestimmt, zum anderen werde die Lieferkette immer teurer. Besonders der teure Gaspreis sorge schon jetzt für regelmäßige Preiserhöhungen verschiedener Lieferanten, zum Beispiel bei Glasherstellern, welche einen extrem hohen Energieverbrauch haben. Dabei sind auch die Strom- und Heizkosten für Streker stark gestiegen. Viel Strom wird für die Kühlung benötigt, viel Dampf für die Reinigung und Herstellung der Säfte. Aktuell bereitet sich die Unternehmerin sogar schon auf verschiedenen Szenarien vor, sollte die Gaslieferung für das Unternehmen unterbrochen werden. „Anders als manche unserer Lieferanten konnten wir die Preissteigerung aber noch nicht an die Kunden weitergeben“, sagt Petra Streker. Und es sei auch unsicher, inwieweit sie den Preis an die Kunden überhaupt weitergeben könne. „Alle machen sich Sorgen, wie der Verbraucher handeln wird“, erzählt sie. Zwar sei hier in der Region bio immer gut angenommen worden, doch ob viele weiterhin dazu und zu regionalen Produkten greifen, wenn sie mehr aufs Geld achten müssen, sei fraglich. „Schon jetzt berichten die Lebensmittelketten, dass Kunden vermehrt Aktionsware kaufen und zu vergünstigten Lebensmitteln greifen“, berichtet die Aspacher Unternehmerin. „Wer weiß, was sich die Leute überhaupt noch leisten können und wollen.“

Preisbarometer Streuobst

Verein Hochstamm Anders als bei Milch oder Fleisch gibt es beim Mostobst bisher keine systematische Erfassung der Preise, die Abnehmer ihren Erzeugern ausbezahlen. Doch der Verein Hochstamm Deutschland sammelt die Preise deutschlandweit, um einen Trend zu ermitteln.

Durchschnittspreis 2022 Der verbreitete Einstiegspreis in Baden-Württemberg liegt laut des Vereins zwischen 8,50 und 10 Euro. Dies sei weit entfernt von wirtschaftlicher Rentabilität. Vertreter aus Natur- und Streuobstschutz sehen mindestens 15 bis 20 Euro als fairen Auszahlungspreis an. Die niedrigsten Preise wurden im Raum Rastatt, Backnang und Hohenlohe/Tauber mit 5 bis 6 Euro gemeldet. Der Abnahmepreis für Bioobst liege durchschnittlich bei 13 Euro.

Rentabilität Aus der Zwischenbilanz dieses Jahres sei laut dem Verein erkennbar, dass die Entlohnung der Streuobstbewirtschafter nach wie vor „skandalös gering“ ist. Die Zuweisung einer Schuld für diese geringe Wertschöpfung sei allerdings komplex, da zum Beispiel die Mostbetriebe wiederum mit energie- und personalintensiven Verarbeitungsprozessen und dem Preisniveau für regionalen Apfelsaft in der Realität der globalen Preispolitik ringen müssen.

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Erstellt:
24. September 2022, 06:00 Uhr

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