Ausbildungssituation im Rems-Murr-Kreis stabilisiert sich

Die Ausbildungsvertragszahlen gehen laut IHK Rems-Murr nach den Coronajahren 2020 und 2021 insgesamt wieder nach oben. Dennoch werden in vielen Branchen zum 1. September und auch danach noch Auszubildende vom Fachinformatiker bis hin zum Verfahrensmechaniker gesucht.

Timo Maurer hat im vergangenen Jahr eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik bei Lorch Schweißtechnik begonnen. Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Timo Maurer hat im vergangenen Jahr eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik bei Lorch Schweißtechnik begonnen. Foto: Jörg Fiedler

Von Ingrid Knack

Rems-Murr. Der 1. September bedeutet alljährlich in vielen Firmen: Neue Auszubildende werden begrüßt. „Bei Tesat in Backnang starten dieses Jahr vier Auszubildende und fünf duale Studenten in die Berufswelt“, sagt Nina Backes von der Unternehmenskommunikation auf Anfrage. „Die Auszubildenden werden Elektroniker und Mechatroniker.“

Bei der „modernen Ausbildung“ bei Tesat in Backnang. Foto: Tesat

Bei der „modernen Ausbildung“ bei Tesat in Backnang. Foto: Tesat

Wer allerdings bis dato keine Ausbildungsstelle hat, dem stehen auch zum jetzigen Zeitpunkt viele Wege offen. „Für 2022 sind noch zwei Oberflächenbeschichter-Ausbildungsstellen und vier duale Studienplätze in der Fachrichtung IT frei, die wir Stand heute noch nicht besetzen konnten“, erklärt Backes. Insbesondere für den Beruf des Oberflächenbeschichters sei es äußerst schwierig, Nachwuchs zu gewinnen. „Hier ist eine hohe Affinität zu chemischen Vorgängen Voraussetzung; ein Oberflächenbeschichter sorgt dafür, dass unsere Geräte im Weltall gegen Korrosionen und Kollisionen geschützt und elektrisch optimal leitfähig sind. Er arbeitet mit chemischen Substanzen wie Gold, Silber und Säurebädern.“ Für 2023 können sich Auszubildende überdies seit Juli bei Tesat bewerben.

Auenwalder Firma konnte weitestgehend ihre Ausbildungsstellen besetzen

Für das Auenwalder Unternehmen Lorch Schweißtechnik waren wie für die meisten Betriebe vor allem die ersten Coronajahre auch in Bezug auf neue Auszubildende eine Herausforderung, wie Ausbildungsleiterin Victoria Weinstein versichert. Fehlende Messen, Praktika und sonstige Berufsorientierungsveranstaltungen hätten die Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz für die Schülerinnen und Schüler erschwert.

„Was sich auch in unseren Bewerberzahlen bemerkbar gemacht hat – insbesondere in den gewerblichen und technischen Berufen. Umso mehr freuen wir uns, dass wir unsere Stellen weitestgehend besetzen konnten und im Herbst 2022 nun insgesamt sechs neue Auszubildende beziehungsweise duale Studenten in den Berufen Industriekaufmann, Fachkraft für Lagerlogistik, Fachlagerist und im dualen Studium Wirtschaftsingenieurwesen starten werden.“ Was durchaus nicht selbstverständlich ist. Die Lagerlogistikberufe zählten zu jenen, bei denen man in der Regel mehr Angebote habe als Nachfragen, weiß Barbara Keller, Abteilungsreferentin des Referats Aus- und Weiterbildung der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr.

Wer noch eine Ausbildungsstelle sucht, hat gute Chancen

Ausbildungsplatzsuchende haben jedenfalls beste Chancen, auch jetzt noch unterzukommen. Wo ist das Angebot am größten? „Das sind im Grunde für den IHK-Bereich die Klassiker. Das Hotel- und Gaststättengewerbe sucht natürlich schon seit vielen Jahren, aber auch dieses Jahr noch Azubis.“ Erfreulich dabei sei allerdings, „dass da nach wie vor ausgebildet wird“. Eine weitere Branche, in der junge Menschen sich über Ausbildungsplätze keine Gedanken machen müssen, sei der Einzelhandel. Und in der IT-Branche würden händeringend Azubis gesucht. „Die Fachinformatiker sind die, die hier momentan am meisten gebraucht werden“, so Keller.

Wer sich für das verarbeitende Gewerbe interessiert, habe teilweise ebenfalls gute Karten. Gemeint sei nicht die klassische Automobilzuliefererindustrie, „aber alles, was so ein bisschen rechts und links von diesem Schema ist“. Barbara Keller geht in diesem Zusammenhang auf die kunststoffverarbeitende Industrie ein. Dort würden in der Regel Verfahrensmechaniker für Beschichtungstechnik oder auch für Kunststoff- und Kautschuktechnik gesucht. „Das sind so die Klassiker.“

Nach den zwei Coronajahren geht es aufwärts

Nach den Coronatiefs 2020 und 2021 hat sich vieles verbessert. Die Messe Fokus Beruf in Präsenz in Schorndorf war ein Riesenerfolg, Berater der Arbeitsagentur konnten wieder in den Schulen informieren und vieles mehr. Dies ging mit einer Stabilisierung der Ausbildungssituation einher. Keller: „Wir verzeichnen aktuell neun Prozent mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr, was immer noch unter dem Niveau von 2019 liegt. Wobei das auch eines unserer Rekordjahre war. Aber wir spüren die Tendenz, dass es wieder in die richtige Richtung geht.“ Dies seien jedoch Stichtagsbetrachtungen. „Da kann in den nächsten Wochen noch einiges in die eine oder andere Richtung passieren. In Zahlen bedeutet dies zum Stichtag 31. Juli: Wir haben jetzt 973 Verträge eingetragen, 2021 waren es zum gleichen Stichtag 894.“

Obwohl jungen Menschen heute viele Möglichkeiten offenstehen, eine Ausbildung zu starten, gibt es freilich auch diejenigen, die noch keinen Plan haben. Entweder wegen mangelnder Möglichkeiten in der Vergangenheit, in einen Betrieb hineinzuschnuppern, oder sie schieben die Entscheidung auf die lange Bank und gehen lieber erst einmal weiter zur Schule. In diesem Zusammenhang sagt Katja Krüger, Teamleiterin „Berufsberatung vor dem Erwerbsleben“ bei der Arbeitsagentur in Waiblingen: „Es ist noch nicht zu spät für eine Ausbildung. Es gibt noch viele attraktive Angebote. Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit hilft dabei individuell, das Richtige zu finden. Wenn es nicht gleich klappen sollte, haben wir auch Angebote zur Überbrückung – eine Beratung lohnt sich auf jeden Fall.“ Ähnlich drückt sich Barbara Keller aus. Sie weist auf die IHK-Bewerbervermittlung „Ausbildungsplatz gesucht“ hin. Der Ausbildungswille der Firmen sei erfreulicherweise ungebrochen groß.

Wenn das Zeugnis nicht optimal ist, kann man in der Praxis überzeugen

Katja Krüger macht obendrein auf ein besonderes Angebot aufmerksam, das sich an die jungen Menschen wendet, die in Sachen Berufswahl noch unschlüssig sind: die Einstiegsqualifizierung (EQ). Dabei wird den angehenden Auszubildenden die Möglichkeit gegeben, zu zeigen, was in ihnen steckt. So werden sie nicht nur nach ihren Zeugnissen beurteilt. In einem betrieblichen Langzeitpraktikum lernen sie den jeweiligen Ausbildungsberuf und den Betrieb ausführlich kennen. Die Einstiegsqualifizierung kann laut Krüger bis 1. März 2023 begonnen werden und wird von der Arbeitsagentur gefördert.

Ein interessantes Angebot der Arbeitsagentur ist auch die assistierte Ausbildung (AsA). Der Betrieb und die Auszubildenden erhalten dabei bedarfsgerechte Unterstützung von Ausbildungsbegleitern, die dem Unternehmen und den Auszubildenden persönlich zur Seite stehen.

Praktikumswochen gehen noch bis zum Ende der Ferien

Zudem spricht Krüger die landesweiten Praktikumswochen an, die bis zum Ende der Sommerferien gehen. „Fehlende Praktika kann man hier nachholen.“ In einer Praktikumswoche lernen die Jugendlichen fünf Unternehmen und Berufe kennen. Krüger macht noch darauf aufmerksam, dass es viele Jugendliche gibt, die falsche Vorstellungen von speziellen Berufen haben. „Generell können die Berater Klischees aufweichen.“ Sie könnten den Blick der Ausbildungsplatzsuchenden auf Berufe lenken, die diese nicht im Blick haben.

Fazit: Es gibt Chancen über Chancen. Beispielsweise gehören Pflegeberufe und Handwerksberufe ebenfalls zu den ganz großen Themen.

Wege zur Ausbildung

IHK-Bewerbervermittlung Interessierte können sich bei Jennifer Löffler, Telefon 07151/959698744, melden.

Agentur für Arbeit Waiblingen Die Arbeitsagentur unterstützt dabei, wenn es darum geht, noch vor oder auch nach dem 1. September eine Ausbildungsstelle zu finden. Im September gibt es überdies eine Nachvermittlungsbörse. Zu erreichen sind die Beratungsfachkräfte der Agentur für Arbeit über den BiZ-Call unter der Nummer 07151/9519-902 montags bis donnerstags von 10 bis 15 Uhr. Kontakt über E-Mail: waiblingen.berufsberatung@arbeitsagentur.de

Aktion Praktikum Infos: https://praktikumswoche.de/rems-murr-kreis. Infos über das Handwerk: https://www.handwerk.de

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Erstellt:
20. August 2022, 06:00 Uhr

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