Eine zweite Bühne für das Backnanger Bandhaustheater

Auf dem Kaess-Areal, einer ehemaligen Lederfabrik im Westen Backnangs, wird eine der Industriehallen für mindestens ein Jahr als Kultur- und Veranstaltungsort umgenutzt. Das Bandhaustheater erhält damit in seinem Jubiläumsjahr eine zweite Spielstätte.

Maximilian Friedrich, Johannes Ellrott und Juliane Putzmann (von links) freuen sich beim Rundgang durch die neue Spielstätte auf dem Kaess-Areal über die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Maximilian Friedrich, Johannes Ellrott und Juliane Putzmann (von links) freuen sich beim Rundgang durch die neue Spielstätte auf dem Kaess-Areal über die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Backnang. Die kreative Umnutzung ehemaliger Industrieareale als stimmungsvolle neue Heimat für Kunst und Kultur ist ein zeitgeistiges Phänomen, das in vielen Metropolen zu beobachten ist – so auch bald auf dem Kaess-Areal in der Backnanger Fabrikstraße direkt am Ufer der Murr. Das Bandhaustheater erhält hier nämlich eine zweite Spielstätte, die Stadt Backnang einen weiteren Veranstaltungsort.

„Das ist ein sehr freudiger Anlass und ein Meilenstein für das Bandhaus“, sagte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich beim Pressetermin in der neu angemieteten Kulturhalle, die sich zudem auf dem Areal der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 befindet. Zwar ist die Spielstätte nicht im engeren Sinne Bestandteil des IBA-Festivals, das bereits in diesem Sommer stattfindet, doch die Synergieeffekte sind offenkundig. Das beginne bereits mit dem Umstand, dass etwa Kulturveranstaltungen im Rahmenprogramm des Festivals in der neuen Location stattfinden könnten, erklärte Johannes Ellrott, Leiter des Kultur- und Sportamts der Stadt Backnang. Die Tatsache, dass das Bandhaus darüber hinaus Zehn-Jahr-Jubiläum feiert, komplettiert den Rahmen für ein besonderes Kulturjahr.

Ein Gemeinschaftswerk verschiedener Interessensgruppen

Juliane Putzmann, Leiterin des Bandhaustheaters, betonte in ihrer Begrüßung die gelungene Kooperation mit den unterschiedlichen Stellen der Stadt und mit Wolfgang Kaess, Geschäftsführer der Grundstücksgemeinschaft Carl Kaess. „Es ist ein Paradebeispiel für gelungene Zusammenarbeit“, sagte die Theaterpädagogin.

Einen wichtigen Schritt zur Finanzierung des Projekts hatte die Leitung des Bandhaustheaters zuvor durch einen erfolgreichen Antrag auf das Förderprogramm „Freiräume“ selbst geleistet: Mit 100000 Euro sollte das Theater vom Land Baden-Württemberg unterstützt werden (wir berichteten). Allerdings geriet diese Förderung noch einmal ins Wanken: Sie ist nämlich an die langfristige Etablierung einer Kultureinrichtung gebunden, was auf dem Kaess-Areal nicht garantiert werden kann, schließlich handelt es sich bei dem gesamten Gebiet um ein Umgestaltungsprojekt (siehe Infokasten). „Das war uns bei diesem Betrag einfach zu riskant“, sagte Putzmann. Der Förderantrag wurde daraufhin auf eine Interimsspielstätte umgemünzt, die Unterstützung beträgt nun immerhin noch 40000 Euro. Dieser Betrag fließt vor allem in das Kulturprogramm und die Gagen, außerdem in die Infrastruktur und in kleinerem Umfang in die Umbauarbeiten.

Der Mietvertrag ist vorerst bis März nächsten Jahres befristet

Der Mietvertrag für die Räumlichkeiten, welcher zum 1. Mai wirksam wird, ist daher vorerst auf den 31. März 2024 befristet. Maximilian Friedrich zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass eine solche Einrichtung perspektivisch auch darüber hinaus gehalten werden könne.

Knapp drei Wochen ist es erst her, dass die Anmietung der Halle als Spielstätte im Gremium von der Stadt beschlossen wurde, seitdem ist vor Ort aber schon einiges passiert: Wände wurden herausgerissen und Teile der Einrichtung zurückgebaut, auch rechtliche Vorschriften wie Brandschutzbestimmungen, Fluchtwege und Toiletten sind bereits berücksichtigt. Bei einer Führung durch die Räumlichkeiten zeichnete Juliane Putzmann ein greifbares Bild der zukünftigen Kultureinrichtung.

Der Umbau ist in vollem Gang,die Programmplanung läuft

„Hätte ich eine Spielstätte am Reißbrett entwerfen dürfen, wäre das hier eine denkbare Variante gewesen“, schwärmt sie sichtlich begeistert. Der Kassenbereich und das Foyer sind schon zu erahnen, eine Küche und Toiletten sowohl für die Gäste als auch für die Künstler sind bereits vorhanden. Kleinere Räume bieten sich als Lager an, ein weiterer separater Raum als Backstagebereich. Das Herz der Spielstätte soll als „Black Box“ gestaltet werden: Der Boden wird mit einem Messeteppich ausgelegt, die Decke schwarz gestrichen. Die Wände werden mit Molton behängt, sodass der Raum je nach Bedarf verdunkelt oder, etwa für Workshops, hell gehalten werden kann.

Auf eine fest installierte Bühne wird hingegen verzichtet. „Stattdessen wollen wir bewegliche Podestelemente verwenden, die sich je nach Anlass flexibel anordnen lassen“, erklärte Juliane Putzmann. 95 bis 100 Gäste sollen in der Halle Platz finden, hier müsse im Hinblick auf Luft und gute Sicht noch ein wenig unter Realbedingungen getestet werden.

Künstler, Vereine und Schulen sollen von der neuen Kultureinrichtung profitieren

Im Übrigen handelt es sich zwar vorrangig um eine Probebühne und zweite Spielstätte für das Bandhaustheater, allerdings sollen auch andere Künstler sowie Vereine und Schulen von der neuen Kultureinrichtung profitieren. „Wir haben Kooperationen mit dem Kreisjugendring, der Backnanger Bürgerbühne und der Bläserphilharmonie Rems-Murr, aber auch weitere Nutzungen bieten sich an“, sagte Putzmann.

Tatsächlich ist beim Programm aufgrund der kurzfristigen Umsetzung noch vieles offen. Es stehen aber auch schon einige Höhepunkte fest, darunter das Ensemble Fernweh und ein offenes Atelier mit der Künstlerin Barbara Kastin. Angesetzt sind die ersten Veranstaltungen ab Juli, doch wenn es nach Juliane Putzmann geht, soll es gerne schon früher losgehen.

Voraussichtlich ab Mitte Mai wird eine neue Website über das Programm und alle Entwicklungen rund um die neue Spielstätte informieren. Auch ein Name für die Einrichtung steht bereits im Raum: „Murrpott“, was sowohl der Nähe zum Fluss als auch dem industriellen Charakter des Areals Rechnung trägt.

Kaess-Areal

Historie Beim Kaess-Areal handelt es sich um eine ehemalige Lederfabrik im Westen des Stadtgebiets direkt an der Murr. Der Gebäudeteil, welcher nun als Kulturort genutzt wird, war ursprünglich der Grubenhof. Hier wurden einst Kuhhäute zur Gerbung in zwei Meter tiefe Gruben gelegt, später wurde das Leder zu Schuhsohlen weiterverarbeitet. 1975 wurde die Fabrik geschlossen, die Räumlichkeiten wurden vermietet, zuletzt an eine österreichische Firma, die Pelletofenanlagen produziert. Nach deren Auszug im vergangenen Jahr standen die Räumlichkeiten leer.

Gegenwart Heute ist das Areal ein Gewerbehof, der viele verschiedene Unternehmen und Einrichtungen beherbergt. Dazu zählen unter anderem mehrere Handwerksbetriebe, ein Unternehmen für Energiesysteme, ein Hersteller von Verpackungsmaterial, ein Tanzstudio und eine Kampfkunstschule. Die Kultureinrichtung könnte das Areal für die Öffentlichkeit noch sichtbarer machen, doch der Gewerbehof „ist als produktives Stadtviertel schon lange bedeutend“, betont Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts.

Zukunft Das Areal ist Bestandteil des sogenannten Quartiers Backnang-West, welches als Projektgelände für die IBA 2027 eine Umgestaltung mit modernen Wohnanlagen, Pop-up-Stores und Kultur- und Freizeiteinrichtungen erfahren soll. Wie sich diese Pläne auf das Kaess-Areal konkret auswirken, wird noch erarbeitet.

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Erstellt:
20. April 2023, 06:00 Uhr

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