Endstation Gefängnis

Anton Schlecker bleibt frei – seine Kinder müssen in Haft

Jetzt ist es rechtskräftig: Lars und Meike Schlecker, die Kinder des einstigen Drogeriekönigs Anton Schlecker, müssen ins Gefängnis. Der Unternehmensgründer hingegen kommt mit einer Bewährungsstrafe davon.

Stuttgart Was eine Insolvenz ist, weiß Heike Hirning jetzt zu Genüge. Sie war bei Schlecker beschäftigt, als die Drogeriemarktkette am 23. Januar 2012 Insolvenz anmelden musste. Wie viele andere Schlecker-Frauen wollte sie nach dem Erlebnis aber nicht aufgeben und hat in ihrer Filiale in Schwaikheim einen eigenen Drogeriemarkt aufgemacht – einen Drehpunkt. Doch auch der musste 2016 wieder zumachen, weil die Kunden ausgeblieben sind. Wieder eine Insolvenz. Wieder ein Rückschlag.

Wenn Frauen wie Heike Hirning von den Millionen hören, die die Familie Schlecker vor der Insolvenz aus dem Drogerieimperium abgezogen haben, sind das Nachrichten aus einer anderen Welt. Insgesamt sieben Millionen Euro haben sich Lars und Meike Schlecker – die Kinder des einstigen Drogeriekönigs Anton Schlecker – nur wenige Tage vor der Insolvenz von einer Logistikfirma des Drogerieimperiums per Blitzüberweisung auf ihre Privatkonten überwiesen.

Wegen des Vorwurfs der Untreue, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts und der Beihilfe zum Bankrott ihres Vaters hat das Landgericht Stuttgart Lars und Meike Schlecker daher im November 2017 zu Haftstrafen verurteilt. Gegen dieses Urteil hatten die Kinder Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Der BGH wiederum hat das Rechtsmittel nun abgelehnt und nur die Freiheitsstrafe um einen beziehungsweise zwei Monate heruntergesetzt. Damit sind Lars und Meike Schlecker nun rechtskräftig zu Haftstrafen von jeweils zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt.

Für die Prozessbeobachter kommt die Mitteilung des BGH nicht überraschend. Und dennoch wirbelt die Nachricht – auch sieben Jahre nach der Insolvenz – wieder Staub auf. „Bemerkenswert ist doch vor allem, dass die Kinder jetzt ins Gefängnis müssen und Anton Schlecker nicht“, sagt Marianne Grün, die viele Jahre bei Schlecker beschäftigt war. „Zwar haben die Kinder ihr Leben lang von der unternehmerischen Tätigkeit ihres Vaters profitiert, aber sie sind doch nicht schuld an der Insolvenz oder daran, wie Schlecker seine Mitarbeiter behandelt hat.“

Doch vor Gericht ging es freilich nicht um Themen der guten Unternehmenführung. Es ging nicht um die Frage, ob bei Schlecker die Gänge zu eng und zu dunkel waren oder ob Anton Schlecker ein guter oder ein schlechter Chef war. Es ging um die Frage, ob Schlecker im Wissen der drohenden Insolvenz Gelder beiseitegeschafft und sie so dem Zugriff der Gläubiger entzogen hat.

Hier konnten die Richter Anton Schlecker nur kleinere Beträge nachweisen als seinen Kindern. So hat er beispielsweise am 31. März 2011 an seine vier Enkel insgesamt 800 000 Euro überwiesen. Aus dem Umkreis der Familie heißt es immer wieder, dass er dies vor allem getan hat, um Erbschaftssteuer zu sparen. Außerdem hat der einstige Drogeriekönig seiner Familie eine Luxusreise auf die Karibikinsel Antigua Ende 2011 bezahlt, die 58 072 Euro gekostet hat. Unter anderem für diese Überweisungen verurteilte das Landgericht Schlecker zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren.

Aus seinem Umkreis heißt es auch heute noch, dass Schlecker nicht mit der Insolvenz gerechnet habe. Schlecker hat sein Unternehmen in der Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns geführt. Ein solcher haftet mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten seines Unternehmens. Darum ist Schlecker bis an sein Lebensende verschuldet und muss alle zwei Jahre seine Finanzen offenlegen. Den Antrag auf die sogenannte Restschuldbefreiung hatte er vor über einem Jahr zurückgezogen.

All dies hätte er verhindern können, wenn er die Rechtsform des Unternehmens geändert hätte. Dass er diesen Versuch nie unternommen hat, werten Menschen, die ihn kennen, als Hinweis darauf, dass er an das Fortbestehen seines Drogerieimperiums glaubte.

100 Kilometer von Stuttgart entfernt betreibt die ehemalige Schlecker-Beschäftigte Ramona Damske in Baiersbronn ihr „Lädle“. Auch dort war Schlecker an diesem Tag nochmal ein Thema: „Ich finde es gut, dass die Sache jetzt erledigt ist“, sagt Damske. „Noch besser wäre aber, wenn Schlecker mir das Geld auszahlen würden, das mir noch zusteht.“ Doch da hat sie keine große Hoffnung mehr.

Für Damske hat sich nach der Insolvenz ihres Arbeitgebers alles zum Besseren gewendet: „Für mich war die Pleite wie ein Sprungbrett“, sagt sie heute. Aus ihrem „Lädle“ ist längst ein kleines Kaufhaus geworden. „Wir haben das Sortiment erweitert und führen alles von frischen Waren bis zum Deoroller – ein richtiger Tante-Emma-Laden eben.“ Von den Erträgen können die 57-Jährige und ihr Mann gut leben.

Anton Schlecker unterdessen lebt mit seiner Frau Christa in der Familienvilla in Ehingen. Christa Schlecker betreibt eine Immobilienfirma, die das Paar heute finanziert. Lars Schlecker lebt in Berlin und umgibt sich gern mit den Kreativköpfen der Hauptstadt. Der Lebensmittelpunkt von Meike Schlecker war zuletzt London. Sie ist selbst Mutter. Vor diesem Hintergrund ist die Haft für sie nicht einfach zu organisieren.

Schlecker bleibt zwar auf freiem Fuß. Da er die Öffentlichkeit meidet, befindet er sich aber auch in der Ehinger Villa wie in einer Art goldenem Käfig. Sein Lebenswerk und 25 000 Schlecker-Arbeitsplätze sind Geschichte. Seinen Kindern hat Schlecker nicht viel Gutes gebracht: Als sie jung waren, wurden sie wegen des reichen Vaters entführt, nun wandern sie ins Gefängnis. Anton Schleckers Erleichterung darüber, dass es die Kinder getroffen hat und nicht ihn; dürfte sich in Grenzen halten.

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Erstellt:
26. April 2019, 03:12 Uhr

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