Ergebnis spätestens Ende September

Eine offizielle Badestelle in der Murr lässt auf sich warten. Die Entnahme von Wasserproben zieht sich hin. Dass das Schwimmen in der Murr auch heute noch möglich ist, wurde jüngst von drei sportlichen Herren im Beisein der Presse unter Beweis gestellt.

Baden in der Murr vor 70 Jahren: Die zwei Jahre alten Zwillinge Heidi und Traudel Deess mit Mutter Frida und Vater Walter Deess im erfrischenden Nass. Foto: privat

Baden in der Murr vor 70 Jahren: Die zwei Jahre alten Zwillinge Heidi und Traudel Deess mit Mutter Frida und Vater Walter Deess im erfrischenden Nass. Foto: privat

Von Armin Fechter

BACKNANG. Ob es in diesem Sommer noch was wird mit einer offiziellen Liegewiese oder einem Naturstrand an der Murr, ist fraglich. Das Verfahren, das Oberbürgermeister Frank Nopper mit den Wasserproben im Fluss veranlasst hat, stellt sich inzwischen als ziemlich aufwendig heraus.

Anfang August wurde, wie die städtische Pressereferentin Christine Wolff auf Nachfragen erklärt, vonseiten der Stadtverwaltung mit den wöchentlichen Probenentnahmen begonnen. Mindestens sechs Proben müssen demnach entnommen werden, dabei müssen jeweils unterschiedliche Wasserstände vorliegen – also nach Regen, aber auch während Trockenphasen. Infolgedessen, so Wolff, „rechnen wir mit einem Ergebnis spätestens Ende September“. Aber wohl auch nicht viel früher, wie zu vermuten ist – und dann sind die Sommerferien vorbei.

Die Proben müssen dann, wie Wolff weiter erläutert, innerhalb der Richtlinie für europäische Badegewässer liegen, damit das Baden in der Murr anschließend ganz offiziell abgesegnet werden kann. Und auf was kommt es dabei an? Maßgebend sei insbesondere die Konzentration bestimmter Bakterien, die normalerweise im menschlichen und tierischen Darm vorkommen. Verschiedene Stämme dieser Bakterien können sich aber – wenn sie aufgenommen werden – heftig auf den menschlichen Körper auswirken. Diese Bakterien dienen als Indikatoren für fäkale Verunreinigungen eines Gewässers.

Die Rede ist zum einen von sogenannten intestinalen Enterokokken. Als Hauptquellen gelten Menschen, Nutztiere und Wasservögel. Die Enterokokken können zu schweren Wund- und Harnwegsinfektionen führen, insbesondere bei Patienten mit geschwächter Immunabwehr. Zum anderen geht es um „Escherichia Coli“ (kurz oft E.coli, auch Kolibakterien). Auch sie kommen natürlich im Darm vor, können aber Durchfallerkrankungen auslösen. Sie sind jedoch nicht so resistent wie die Enterokokken.

Die aktuell laufenden Wasseruntersuchungen in der Murr gehen letztlich auf eine Initiative des Stadtrats Karl Scheib vom Bürgerforum zurück. Er hatte sich dafür starkgemacht, Familien mit Kindern einen leichten Zugang zur Murr zu ermöglichen. Dies vor dem Hintergrund der Coronapandemie, die es vielen Familien nicht erlaubt, in den Urlaub zu gehen. Schönes Sommerwetter aber lockt hinaus ins Freie, ans Wasser. Im Backnanger Freibad kann der Wunsch nach nasser Erfrischung derweil nur eingeschränkt erfüllt werden, weil sich stets nur eine begrenzte Anzahl von Besuchern gleichzeitig auf der Anlage aufhalten darf und die Zeiten überdies befristet sind. Zudem wurden manche Freibäder in der näheren und weiteren Umgebung erst später oder sogar gar nicht geöffnet.

Solche Beschränkungen haben wiederum den Ansturm auf die Badeseen befeuert, wo an den vergangenen Wochenenden teilweise chaotische Verhältnisse herrschten. Manche Seen, darunter der unter Coronabedingungen hoffnungslos überfüllte Breitenauer See, wurden deshalb ganz geschlossen. Andernorts standen drastische Maßnahmen kurz bevor.

Scheib verwies deshalb auf die Murr als naheliegende Alternative. Ihm lag dabei fern, hohe Hürden zu errichten – beispielsweise die Forderung nach einer Mindestwassertiefe, um das Schwimmen zu ermöglichen. Vielmehr sollte sein Ruf nach einer Bademöglichkeit lediglich Kindern die Chance eröffnen, dass sie im Wasser planschen, spritzen und herumtollen können. Das Baden in der Murr hat nämlich eine lange Tradition.

So verwies er nach Steinbach, wo es einst eine öffentliche Badewiese gegeben hat. Baden – auf eigene Gefahr – war dort möglich. Und er hat dazu auch einen fotografischen Nachweis geliefert: eine Aufnahme, die zwei Kinder und deren Eltern zeigt, die zusammen das nasse Vergnügen genießen. Es handelt sich um die – heute 72 Jahre alten – Zwillinge Heidi und Traudel Deess mit Mutter Frida und Vater Walter Deess. Damals beteiligte sich, wie Scheib herausgefunden hat, sogar die Steinbacher Schule am Wasserspaß. Nachmittags hieß es an den entsprechenden Tagen für die Mädchen „Baden statt Haushaltsschule“ und für die Buben „Baden statt Werken“.

Dass das Schwimmen in der Murr auch heute noch möglich ist, bewies der Stadtrat gemeinsam mit seinem Amtskollegen, dem Triathleten Jörg Bauer, der öfter seine Trainingsstrecken dort absolviert, und dem Extremschwimmer Martin Tschepe: Bei der Bleichwiese stiegen sie ein und drehten eine Runde. Damit verstießen sie gegen keine Regeln oder Verbote. Denn laut Landratsamt gilt grundsätzlich bei öffentlichen Gewässern der Gemeingebrauch: Jeder darf im Fluss baden – allerdings auf eigene Gefahr.

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Erstellt:
26. August 2020, 06:00 Uhr

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