Erste Schritte zur Backnanger Wärmewende

Die Backnanger Stadtverwaltung präsentiert im Ausschuss für Technik und Umwelt ihre Favoriten bei den Maßnahmen zur Energieeinsparung. Mit den vorgestellten Projekten könnte ein Viertel der Treibhausgase eingespart werden.

Eines der größten Potenziale an Energieeinsparung schlummert bei der Sanierung von Gebäuden. Foto: Ingo Bartussek – stock.adobe.com

© Ingo Bartussek - stock.adobe.com

Eines der größten Potenziale an Energieeinsparung schlummert bei der Sanierung von Gebäuden. Foto: Ingo Bartussek – stock.adobe.com

Von Matthias Nothstein

Backnang. Als Große Kreisstadt ist Backnang verpflichtet, sich einen Wärmeplan erstellen zu lassen. Dieser Plan soll ein Fahrplan sein, damit die Stadt ihre Klimaschutzziele im Wärmebereich erreichen kann. In diesem Wärmeplan sind etliche Maßnahmen aufgelistet, die dazu beitragen, den Energieverbrauch zu senken. Nun hat das Land über das Klimaschutzgesetz die Kommune dazu gezwungen, mindestens fünf Maßnahmen zu benennen, die in den nächsten fünf Jahren begonnen werden. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses Umwelt und Technik haben Erster Bürgermeister Stefan Setzer, Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann und Stadtwerkechef Thomas Steffen diese fünf Maßnahmen vorgestellt. Es sind:

Energiemanagement und Sanierungsfahrpläne In Backnang gibt es 80 öffentliche Nichtwohngebäude, die für vier Prozent des Gesamtwärmeverbrauchs verantwortlich sind. Um mindestens auf den Standard eines Effizienzhauses mit der Stufe 55 zu kommen, müsste der Wärmebedarf um 65 Prozent verringert werden. Das bisherige Energiemanagement hat in den vergangenen Jahren die Verbräuche dokumentiert und beschrieben, welche Gebäudesanierungen nötig sind und welche Heizungen ausgetauscht werden sollen. Dieses Energiemanagement soll nun deutlich erweitert werden. So sollen konkrete Fahrpläne erstellt werden, welche kommunalen Gebäude saniert werden müssen. Auch die Akquirierung von Fördermitteln ist eine Aufgabe. Ferner soll der Energiebedarf gesenkt werden, indem die Anlagentechnik und das Nutzerverhalten optimiert werden.

Sanierungsmanagement in Quartieren Im Bestandswohnungsbau kann die Sanierungsquote erheblich erhöht werden, wenn es für die jeweiligen Quartiere geeignete Konzepte gibt. Backnang möchte mit zwei Quartieren beginnen, solche Lösungen aufzuzeigen. Dabei handelt es sich um das Gebiet Backnang-Süd von der Straße Im Blütengarten bis ins Industriegebiet Kuchengrund sowie um den Stadtteil Strümpfelbach.

Das Gebiet Backnang-Süd hat einen riesigen Energiebedarf, der überwiegend mit Erdgas abgedeckt wird. Großmann wirbt für ein vernetztes Versorgungssystem zwischen Gewerbegebiet und dem benachbarten kleinräumigen Siedlungsgebiet. Es gibt ein vorhandenes Nahwärmenetz und gleichzeitig gewerbliche Abwärme, die ungenutzt verpufft. Auch Wärme aus Abwasser soll genutzt werden. Auch die großflächigen Flach- und Gewerbedächer sowie Brachen und Baulücken könnten für die Energiegewinnung genutzt werden. Wichtig ist, den Dialog zwischen den Gewerbetreibenden und den Wohnungseigentümern anzustoßen und am Laufen zu halten.

In Strümpfelbach wird 88 Prozent der Wärme aus Heizöl gewonnen, ein Gasnetz existiert nicht. Hier soll der Schwerpunkt der Arbeit auf der Entwicklung einer Strategie zum Umbau der Wärmeversorgung liegen. Es geht um gebäudeübergreifende Wärmeversorgung durch Großwärmepumpen, Geothermie oder Solarthermie. Großmann: „Strümpfelbach könnte als Pilotquartier und Vorbild für den Einsatz von Wärmepumpen dienen.“

Sanierungsoffensive Wird ein Haus vollständig energetisch saniert, lassen sich 40 bis 60 Prozent, im Extremfall sogar 80 Prozent des Energiebedarfs einsparen. Um dies den Bürgern klarzumachen und sie dafür zu gewinnen, baut die Stadt ihre „aufsuchende Energie- und Sanierungsberatung“ aus. Ziel ist es, die Angesprochenen zu Sanierungsmaßnahmen und energiesparendem Verhalten zu motivieren.

Fotovoltaik-Freiflächenanlagen Laut der Vorgabe des Landes müssen 0,2 Prozent der Fläche für Freiflächen-Fotovoltaikanlagen ausgewiesen werden. Um gezielt Flächen für diesen Zweck zu sichern, setzt die Stadt auf eine „Positivplanung“. Zudem möchte sie Flächeneigentümer ansprechen, die Grundstücke zu kaufen, eventuell auch in Kooperation mit einer Bürgerenergiegenossenschaft. Ein erster Schritt ist auch, eine Freiflächenanlage als eigenes Projekt oder in Kooperation mit einer Genossenschaft anzugehen. Mehr zu diesem Aspekt siehe Text unten.

Neue Wärmenetze Eine besonders effiziente Art der Wärmeversorgung stellen Wärmenetze dar. Es gibt (meist) nur eine Erzeugungsanlage, was den Abwärmeverlust reduziert. Die Gebäude selbst benötigen keine Wartung, keine Modernisierung, keine Schornsteine, keinen Lagerplatz. Im Stadtgebiet existieren bereits mehrere Nahwärmenetze. Nun soll geprüft werden, ob diese ausgebaut oder verbunden werden können und ob ihr Brennstoff auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden kann. Auch soll die Verwaltung ausloten, ob neue Nahwärmenetze möglich sind. Chancen werden gesehen für den Campus Mörike-/Schickhardt-Schule, für die Obere Walke, wo das Finanzamt alleine jährlich 1000 Megawattstunden Gas mit einem über 20 Jahre alten Gaskessel verbraucht, beim künftigen IBA-Gelände, im Gewerbegebiet Backnang-Süd oder im Industriegebiet Lerchenäcker. Die Möglichkeiten der Abwärmenutzung sind auch zu prüfen bei der Kläranlage und der Biogasanlage der Abfallwirtschaft Rems-Murr in Neuschöntal.

Die Ausschussmitglieder waren angesichts der Fülle der Aufgaben schwer beeindruckt und stellten mehrfach die Frage, ob die Verwaltung für all diese Arbeiten genügend Personal hat. Ulrike Sturm (Grüne) plädierte dafür, sich frühzeitig um solche Experten zu bemühen, angesichts der vielen Aufgaben, die es auch in den anderen Kommunen gibt, werde es ihrer Ansicht nach „ein Hauen und Stechen“ um dieses Personal geben. Erster Bürgermeister Stefan Setzer pflichte ihr bei: „Wir werden einen deutlichen Personalbedarf haben.“ Er verwies darauf, dass ganz neue Aufgabenfelder für die Verwaltung dazugekommen sind. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass mit all den Plänen knapp 25 Prozent der Treibhausgase eingespart werden können. Weshalb Sturm auch sagte: „Wir dürfen auch nicht die anderen drei Viertel aus den Augen verlieren.“ Gerhard Ketterer (CDU) hob darauf ab, dass die Akzeptanz bei der Bevölkerung für diese Maßnahmen da ist. Gleichzeitig sorgte er sich um die Finanzen. Er befürchtet, dass viele neue Schulden für die Stadt dazukommen. Deshalb sollen die Mitarbeiter besonders darauf achten, wo es Fördertöpfe gibt. Rolf Hettich (CDU) sagte: „Es ist wichtig, dass wir solch eine Wärmeplanung haben, jetzt können wir Schritt für Schritt abarbeiten.“ Auch Hettich machten die Finanzen Sorgen. Deshalb appellierte er: „Unser Schwerpunkt sollte darauf liegen, die Bürger zu informieren und zu motivieren.“ Die gestiegene Akzeptanz und Sanierungsbereitschaft der Bürger bestätigte auch Setzer. Er vermutete, dies hänge wohl auch an den Kosten für Energie. Er gab aber zu Bedenken: „Für all diese Arbeiten brauchen wir auch Handwerker.“

Dass die Information der Bürger ganz entscheidend wichtig ist, das bestätigte auch Klimamanagerin Simone Lebherz. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Bürger oft fragen: „Was passiert in meinem Quartier, was habe ich für Möglichkeiten?“ Deshalb müsse demnächst für das gesamte Stadtgebiet klar sein, was wo geplant werde.

Der Ausschuss beauftragte die Verwaltung, die fünf priorisierten Maßnahmen wie vorgeschlagen weiterzuentwickeln. Nur Steffen Siggi Degler (AfD) stimmte dagegen. Er hatte Zweifel geäußert, ob das Stromnetz für den massiven Ausbau der Wärmepumpentechnik geeignet sei. Stadtwerkechef Thomas Steffen räumte ein, dass dies „in der heutigen Dimensionierung des Netzes“ kritisch wäre. Aber das Netz werde ständig ausgebaut. Und er verwies darauf, dass deshalb die Bürger die Dämmung der Häuser und den Ausbau der Fotovoltaik angehen müssen, damit der Autarkiegrad steigt.

Infoveranstaltung Am Montag, 12. Juni, 18 Uhr lädt die Stadt zur Infoveranstaltung zum Thema „Wie saniere ich mein Haus zukunftsfähig“ ins Bürgerhaus Backnang ein.

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Erstellt:
8. Mai 2023, 06:00 Uhr

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