Neu im Kino

Fan trifft Band auf einsamer Insel

Die Komödie „The Ballad of Wallis Island“ punktet mit einem ungewöhnlichen Mix aus Witz, Melancholie, Klamauk, Empathie und viel Musik.

Nell Mortimer (Carey Mulligan) und Herb McGwyer (Tom Basden) treffen unerwarteterweise aufeinander für ein Band-Revival.

© Universal/ Focus Features

Nell Mortimer (Carey Mulligan) und Herb McGwyer (Tom Basden) treffen unerwarteterweise aufeinander für ein Band-Revival.

Von Martin Schwickert

Von einer halben Millionen britischen Pfund Gage lässt sich der Folksänger Herb McGwyer (Tom Basden) für einen Gig auf eine einsame walisische Insel locken. Nicht einmal einen Bootsanleger gibt es dort, so dass der Musiker durch das Wasser an den Strand warten muss, wo ihn sein Auftraggeber Charles Heath (Tim Key) voller Aufregung erwartet.

„Weniger als 100“ antwortet dieser auf die Frage, wie viele Zuschauende zu dem Konzert kommen werden. Das ist immer noch übertrieben. Denn der begeisterte Fan und zweifacher Lotteriemillionär hat das Konzert ganz für sich allein organisiert. Vor allem die alten Songs möchte er hören, mit dem das Indie-Folk-Duo Mortimer&McGwyer vor zehn Jahren die Hallen füllte. Mittlerweile verfolgt Herb eine Solokarriere und biedert sich mit abnehmendem Erfolg dem Mainstream an.

In Erinnerung an glückliche Tage

Zu seiner Überraschung legt am Tag danach auch Nell Mortimer (Carey Mulligan) auf der Insel an, die ebenfalls mit einem lukrativen Honorar geködert wurde. Als waschechter Fan will Charles das Duo wieder auf der Bühne zusammenbringen, das seinerzeit auch offstage ein Paar war. Für kurze Zeit glaubt man sich in James Griffiths‘ „The Ballad of Wallis Island“ in einem Stalker-Horror-Szenario, in dem ein fanatischer Musikliebhaber seine Idole auf einer abgelegenen Insel in die Falle lockt.

Doch es stellt sich heraus, dass dieser unentwegt vor sich her plappernde Charles zwar etwas übergriffig agiert, aber keinerlei kriminelle Absichten verfolgt. Der Witwer hat vor fünf Jahren seine Frau verloren, die ebenfalls ein großer Fan von Mortimer-McGwyer war. Wenn das Duo in der Probe den ersten gemeinsamen Song anstimmt, sieht man in Charles‘ Augen den schmerzhaften Glanz der Erinnerung an glückliche Tage.

Auch wenn ihre Stimmen weiterhin gut harmonieren, stehen die Chancen auf ein privates Revival des Folkduos schlecht. Während Herb zunehmend versteht, dass seine Trennung von Nell ihn privat wie künstlerisch in die Sackgasse geführt hat, hat Nell die Vergangenheit längst hinter sich gelassen. Mit einem ganz eigenen, melancholischen Humor entwirft Griffiths eine Musikkomödie, in der die Charaktere vor einer einsamen Inselkulisse auf sich selbst zurück geworfen werden. Während der Sänger Herb von allem Glamour entkleidet seine Karriere-, Lebens- und Liebesentscheidungen zu überdenken beginnt, wird der begeisterte Fan mit der Entmythologisierung seiner Idole konfrontiert und muss sich der eigenen Einsamkeit neu stellen.

Stand-Up-Komödianten als Schauspieler und Drehbuchautoren

Basden und Key, die das Drehbuch gemeinsam verfasst haben, verfügen als Stand-Up-Komödianten über eine langjährige, gemeinsame Berufserfahrung, die sich auf der Leinwand auszahlt. Während Basden angstfrei die Schwächen des narzisstischen Musikers herausarbeitet, stattet Key die Figur des Fans mit einem kongenialen Wortstrom aus, in dem die Pointen unaufhörlich ineinander stolpern. Dazu kommen die zahlreichen, stimmungsvollen Folksongs, die Basden für den Film geschrieben hat, um die Harmoniesehnsüchte der Figuren wenigstens in der Musik aufblühen zu lassen.

„The Ballad of Wallis Island“ ist eine Komödie, die mit einer unorthodoxen Mischung aus Witz, Melancholie, Klamauk, Empathie und Musik ihre ganz eigene Stimme fernab aller Feel-Good-Movie-Standards sucht – und findet.

The Ballad of Wallis Island. Großbritannien 2024. Regie: James Griffiths. Mit Tom Basden, Tim Key, Carey Mulligan. 99 Minuten. Ab 6.

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Erstellt:
10. Juli 2025, 11:08 Uhr

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