Festwirte auf dem Backnanger Straßenfest

Straßenfestgeschichte(n) Dauerregen bei der Premiere 1971. Wegen des schlechten Umsatzes fordern die Backnanger Wirte den Montag als zusätzlichen Straßenfesttag. Ernst Kress und Otto Körner, Gastronomen der ersten Stunde, sowie Festwirte der folgenden Jahre erinnern sich.

Die Backnanger Gastronomen Ernst Kress (links) und Otto Körner erzählen sehr lebendig von der Auswahl der Wirte 1971. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Backnanger Gastronomen Ernst Kress (links) und Otto Körner erzählen sehr lebendig von der Auswahl der Wirte 1971. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Ein halbes Jahrhundert Backnanger Straßenfest – da gibt’s unendlich viele Geschichten zu erzählen. Da sind die Vereine, die Musik, die Bühnen, der Rummel, die Organisatoren und die zahlreichen Helferinnen und Helfer. Und da sind natürlich auch die Wirte, die es mit anspruchsvoller Gastronomie und professionellem Einsatz alljährlich schaffen, ihre zahlreichen Gäste möglichst rasch und ohne lange Warteschlangen zu bedienen.

Dass die ersten Straßenfestjahre aber gar nicht so professionell abliefen, sondern alle Beteiligten von Jahr zu Jahr dazulernen mussten, daran können sich Ernst Kress und Otto Körner noch lebhaft erinnern. Der eine, 82 Jahre alt, führte zusammen mit seiner Frau Ursel Kress die Gaststätte Scholpp im Melanchthonweg. Der andere, 83 Jahre, betrieb mit seiner verstorbenen Frau Sabine die Gaststätte Germania in Strümpfelbach. Die beiden gehörten zu den zehn Backnanger Wirten der ersten Stunde. Sie sind die Einzigen, die noch leben.

Wenn das Duo erzählt, hört sich das nach einem recht holprigen Straßenfeststart an, der dann aber doch zum Erfolg führte. Die Stadt sei damals an den Vorsitzenden des Wirtevereins des Altkreises Backnang, Hans Rees, herangetreten: Wir möchten ein Straßenfest! „1970 haben wir dann deshalb die ersten Ausschusssitzungen gehabt, im Waldhorn, bei Kollege Heinz Hilt“, erinnert sich Kress. „Und da war auch einer vom Hotel- und Gaststättenverband mit dabei, der hat uns beraten.“

Auf die Frage nach interessierten Wirten hat sich nur ein Einziger gemeldet

„Im Ausschuss waren wir zehn Wirte alle gleich dafür“, sagt Körner. Bei der darauffolgenden Hauptversammlung im „Lamm“ in Großaspach sei von der Begeisterung nichts mehr zu spüren gewesen. „Auf die Frage nach interessierten Wirten hat sich außer dem Gehringer, damals auf der Königsbacher Klause in der Sulzbacher Straße, kein Einziger gemeldet“, erinnert sich Körner. Bei einer weiteren Ausschusssitzung habe Vorsitzender Rees ein Machtwort gesprochen: „Ihr habt alle dafür gestimmt, also seid ihr alle dabei.“

Kress erinnert an das finanzielle Risiko: „Jeder von uns hätte zunächst 1000 Mark bringen müssen, als Sicherheit. Wir haben aber das Glück gehabt, dass unser Generalsponsor, die Schwaben-Bräu, die Haftung übernommen hätte, wenn das für die Wirte schiefgegangen wäre.“ Die Premiere des Straßenfests, das ursprünglich am Sonntagabend hätte enden sollen, wäre auch fast in die Hose gegangen, „denn es hat geschifft wie die Sau“, sagt Kress. „Wir haben damals zum Ausschenken 100-Liter-Fässer gehabt mit Eis und Sandsäcken zum Kühlen drauf. Leute vom Volksfest haben uns erst mal zeigen müssen, wie man die ansticht. Aber wegen des Regens ist keiner gekommen und wir sind auf unseren Fässern gehockt und haben Däumchen gedreht.“ Dann wären die Wirte zusammengestanden. „Wir haben zur Stadt gesagt: Wenn wir nicht den Montag dazukriegen, ist das Straßenfest für uns erledigt“, so Kress. Körner lacht: „Dann war der Montag so gut, dann ist der geblieben. Seitdem ist der Montag der beste Tag.“

Jürgen Mozer (62) vom Mozer-Team aus Aspach-Kleinaspach, Festwirt von 1995 bis 2002: Das war eine relativ schöne Zeit, man hat viel mitgemacht, aber ich möcht’s heute nicht mehr haben, wenn ich ganz ehrlich bin. Die Leute haben sich verändert, haben ihre Getränke und ihr Essen selbst mitgebracht. Das war nicht so gut. Aber unsere Zeit war trotzdem schön. Wir haben’s gern gemacht, es hat Spaß gemacht. Jetzt bin ich aber auch gern als Besucher dort.

Simone Waldenmaier (49), Hirsch in Winterbach-Manolzweiler, Festwirtin von 2013 bis 2016: Es war immer sehr arbeitsreich und hat immer sehr gut funktioniert, auch mit dem Oberbürgermeister Nopper, der täglich mindestens einmal an den Stand kam, und sich jeden Abend verabschiedet hat. Ich habe auch genossen, dass ich im Rathaus sitzen durfte, den Schlüssel und auch das Vertrauen hatte, weil da mein Büro drin war. Backnang ist für mich eine sehr kulturelle, gemischte und interessante Stadt. Wir hatten auch ein ganz tolles Verhältnis zur Familie Lutz vom „Löwen“, die uns besonders in unserem ersten Jahr unterstützt hat, wo wir noch nicht so richtig gewusst haben: Wie ticken die Backnanger und was kommt auf uns zu. Einmal kam eine unserer Mitarbeiterinnen mit Flip-Flops an; die musste ich wieder heimschicken, weil ich gesagt hab: Mädel, so kannst du in Backnang nicht bedienen. Und einmal hab ich bei den VIPs serviert und das Jacket eines Gasts mit Maultaschenbrühe getauft. Aber er sah es ganz sportlich. Und mein Kind, die Joana-Sophie, 2003 geboren, war schon im Maxi-Cosi mit dabei. Einmal ist sie sogar verloren gegangen, dann hat die ganze Stadt suchen müssen. Ich hab Angst gehabt, bei den Menschenmassen, und sie hat ja grad mal laufen können und dann der Fluss, nicht, dass die mir da reinfällt. Schließlich wurde sie gefunden, sie saß quietschvergnügt auf der Bühne und hat einfach der Musik zugehört.

Romy Putler (26), Juniorchefin bei Gastronomie Putler, Kernen im Remstal; Festwirtin 2017 bis 2019, 2022: Das Backnanger Straßenfest ist ja echt riesig und beeindruckend. Im ersten Jahr war der schräge Platz eine Herausforderung für uns. Aber wir haben einen super Zeltbauer, der das gut hinbekommt. Trotzdem ist’s sportlich, wenn man immer den Berg hoch- und runterläuft. Einmal gab’s einen total verregneten Samstag, trotzdem kamen ein paar Backnanger mit Regenschirm, haben gefeiert und es war eine richtig nette Stimmung. Ein besonders schöner Moment war am letzten Abend bei unserem ersten Fest der Zapfenstreich. Das kannten wir noch nicht. Alle stehen, niemand spricht – da haben wir alle im Zelt Gänsehaut bekommen, und auch Tränen.

Von Beginn an hat der Festwirt seinen Stand vor dem Rathaus, wie hier 1972. Foto: Archiv

Von Beginn an hat der Festwirt seinen Stand vor dem Rathaus, wie hier 1972. Foto: Archiv

Acht verschiedene Festwirte in der 50-jährigen Straßenfestgeschichte

Hauptstand Der Hauptstand der Gastronomie ist stets der Platz an der Marktstraße vor dem historischen Rathaus. Dieser Standort ist eine große Herausforderung für die Festwirte, weil der Platz schräg ist und zur Bühne hin kräftig ansteigt.

Premiere Erster Festwirt und Betreiber des Hauptstands war Heinz Hilt, „Gastwirt und Küchenchef des Backnanger Gasthofs Waldhorn, seinerzeit erstes Haus am Platz“, wie Klaus Erlekamm in seinem Buch „Backnanger Straßenfest – Erfolgsgeschichte des ersten deutschen Straßenfests“ schreibt. Heinz Hilt, der Vater des jetzigen Löwenwirts Markus Hilt, war von 1971 bis 1978 Festwirt.

Rekord Mit 16 Teilnahmen zwischen 1979 und 1994 halten Willi und R. Spörle aus Oppenweiler-Zell den Rekord der meisten Arbeitseinsätze. Ihnen folgte zwischen 1995 und 2002 das Mozer-Team aus Aspach-Kleinaspach. Walter Daferner vom Gasthaus Hirsch in Winterbach-Manolzweiler gab von 2003 bis 2008 seine Visitenkarte am Marktplatz ab. Gerhard „Nick“ Fruth, damals vom Waldhotel Forsthof in Kleinbottwar, bewirtete 2009 und Wilhelmer und Breitmayer aus Stuttgart 2010 bis 2012.

Tradition Simone Waldenmaier vom Hirsch in Winterbach-Manolzweiler setzte zwischen 2013 und 2016 die Tradition ihres Vaters Walter Daferner im Rahmen der Marktplatzgastronomie fort. Als Nachfolgerin schwingt Festwirtin Ingrid Putler von der Gastronomie Putler aus Kernen im Remstal von 2017 bis 2019 und auch in diesem Jahr wieder ihr Zepter auf dem Marktplatz.

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Erstellt:
7. Juni 2022, 06:00 Uhr

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