Pflanze mit Superkraft
Forscher finden Ur-Vorfahren der Kartoffel
Für die Entstehung vieler Pflanzen muss man Millionen Jahre zurückgehen. Das ist auch bei der Kartoffel so. Forscher haben herausgefunden, wie und wann sie sich entwickelt hat.

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Von Markus Brauer
Sie sind rund, hellgelb und manchmal ist noch ein bisschen Erde dran. Kartoffeln gehören zu den wichtigsten Nahrungsmitteln der Menschen. Ursprünglich kommt die Pflanze aus Südamerika.
Forscher wollten wissen, wie die Kartoffel in der Natur entstand. Dabei fanden sie heraus, dass sich vor sehr langer Zeit Gene der Tomate und einer kartoffelähnlichen Pflanze gemischt haben. Gene sind winzige Bausteine, in denen Infos über ein Lebewesen gespeichert sind.
Eigenschaften der Tomate helfen der Kartoffel
Wichtig waren jeweils ein Gen der beiden Pflanzen. Durch diese entstanden nämlich die Knollen der Kartoffel. So können sie Nährstoffe speichern und gut wachsen - auch bei schlechteren Bedingungen. „Wir haben das Geheimnis um den Ursprung von Kartoffeln endgültig gelöst“ erklärt Zhiyang Zhang von der Chinesischen Akademie für Agrarwissenschaften in Shenzhen, der die Studie geleitet hat.
Alle heutigen Kartoffeln gehen demnach auf eine Kreuzung von urzeitlichen Tomaten mit knollenlosen Etuberosum-Pflanzen zurück, wie eine chinesische Genstudie enthüllt. Diese Kreuzung brachte den Kartoffel-Vorfahren vor rund neun Millionen Jahren neues genetisches Material und die Fähigkeit zur Knollenbildung. Erst dadurch konnten sich Kartoffeln selbst in rauen Umgebungen behaupten und zu einem unverzichtbaren Grundnahrungsmittel werden.
Schon vor 11.000 Jahren standen Wildkartoffeln auf der Speisekarte
Kartoffeln sind eine der wichtigsten Nutzpflanzen der Welt. Schon vor 11.000 Jahren standen Wildkartoffeln auf der Speisekarte nordamerikanischer Ureinwohner. Der Ursprung der Kartoffel ist deshalb so rätselhaft, weil die Knollenpflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse Merkmale verschiedener Pflanzenlinien vereint, die auf den ersten Blick nicht recht zusammenpassen wollen.
Äußerlich ähneln Kartoffelpflanzen chilenischen Etuberosum-Gewächsen. Diese Pflanzen bilden wie die Kartoffel oberirdische Triebe und Blüten, aber keine Knollen. Genetisch ist die Kartoffel jedoch am engsten mit der Tomate verwandt, einem anderen Mitglied der Nachtschattenfamilie.
Ahnenforschung bei Familie Kartoffel
Die Forscher um Zhiyang Zhang haben mit einer der bislang umfassendsten genetischen Studien zur Kartoffel das Rätsel gelüftet. Insgesamt analysierten sie die Genome von 450 Kultur- und 56 Wildkartoffelarten. Hinzu kamen Referenzgenome weiterer Nachtschattengewächse – darunter Tomaten und Vertreter der Etuberosum-Linie.
Das Resultat: Jede der untersuchten Kartoffelarten enthält in ihrem Erbgut eine stabile, ausgewogene Mischung aus genetischem Material von zwei verschiedenen Nachtschattengewächsen: den knollenlosen Etuberosum-Pflanzen – und der Tomate, wie die Wissenschaftler herausfanden. Dieses genetische Mosaik deutet darauf hin, dass Kartoffeln einst bei einer natürlichen Kreuzung von Vertretern beider Linien entstanden sind.
Vor rund 14 Millionen Jahren spalteten sich demnach Etuberosum und Tomaten von einem gemeinsamen Vorfahren ab. Fünf Millionen Jahre später kam es dann vermutlich zufällig zu einer Hybridisierung. Bei dieser Kreuzung von Etuberosum und Tomaten entstand eine urzeitliche Kartoffelpflanze, aus der sich im Lauf der Zeit die heutigen Arten entwickelten.
Eine Knolle, zwei Gene
Durch diese urzeitliche Vereinigung der beiden Nachtschattengewächse entstand nicht nur eine neue Pflanzenlinie. Sie brachte auch die Fähigkeit zur Knollenbildung hervor. Zwei Gene jeweils eines aus jeder der beiden Elternlinien waren dafür verantwortlich. Nur wenn beide Gene zusammen vorliegen, kann die Kartoffelpflanze eine Knolle ausbilden.
Das SP6A-Gen, das der Pflanze signalisiert, wann sie eine Knolle ausbilden soll, stammt dabei von der Tomatenseite ihres Stammbaums. Das IT1-Gen, das anschließend das Wachstum der unterirdischen knollenbildenden Stängel steuert, kommt wiederum von der Etuberosum-Seite.
Die Kartoffel beißt sich durch
Diese evolutionäre Neuerung bedeutete , dass die ersten Kartoffelpflanzen Nährstoffe unterirdisch speichern und so Trockenheit oder Kälte besser überstehen konnten.
„Die Entwicklung einer Knolle verschaffte Kartoffeln einen enormen Vorteil in rauen Umgebungen, was zu einer explosionsartigen Vermehrung neuer Arten führte und zur reichen Vielfalt der Kartoffeln beitrug, die wir heute kennen und auf die wir uns verlassen“, erklärt Seniorautor Sanwen Huang (mit dpa-Agenturmaterial).