Gemüse vom Backnanger Mietacker

Jürgen Benignus und Elisabeth Späth haben ein Projekt gestartet, bei dem Privatleute kleine Parzellen selbst bewirtschaften

Auf Facebook kam Jürgen Benignus das Thema zuerst unter. Dort hat Elisabeth Späth die Diskussion aufgeworfen, ob es nicht möglich sei, ein kleines Stück Acker vom Bauer zu mieten, um darauf Obst und Gemüse für den Eigengebrauch anzupflanzen. Die Idee hat den Landwirt nicht mehr losgelassen. Nun setzen er und Späth sie um.

Auf diesem Stück Land sollen die kleinen „Äggerle“ entstehen, die Elisabeth Späth und Jürgen Benignus für den Obst- und Gemüseanbau im Kleinformat an Privatleute vermieten wollen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Auf diesem Stück Land sollen die kleinen „Äggerle“ entstehen, die Elisabeth Späth und Jürgen Benignus für den Obst- und Gemüseanbau im Kleinformat an Privatleute vermieten wollen. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Zugegeben, noch macht das „Äggerle“ nicht viel her. In der Nähe des Ungeheuerhofs und nur etwa 200 Meter von der Bushaltestelle „Industriestraße“ entfernt, hat Jürgen Benignus ein Stück Land auserkoren, wo im Frühjahr Privatpersonen auf einzelnen Parzellen sich als Landwirte betätigen können. Momentan stehen noch ein paar Grünpflanzen darauf, die vor allem den Zweck erfüllen, den Boden zu schützen. „Mitte April werden wir das Feld vorbereiten, sodass im Mai mit dem Anpflanzen begonnen werden kann“, erklärt Benignus. Zwei Reihen mit Kartoffeln und Zwiebeln würde der Betreiber eines Hofladens im Weiler Ungeheuerhof jeweils vorbereiten, den Rest können seine Pächter nach Belieben einsäen. Setzlinge könne man bei ihm bestellen oder selbst mitbringen. „Wir wollen nur den Rahmen stellen, bewirtschaften soll jeder selbst.“

Die Idee, kleine Gemüsegärten beim Bauern zu mieten, ist nicht neu. „Ich hatte öfter davon gelesen, dass es solche Projekte anderswo gibt“, erzählt Elisabeth Späth. Sie habe dies für „eine coole Sache“ gehalten und in der Region nach ähnlichen Projekten Ausschau gehalten – ohne Erfolg. Als sich dann in puncto Unverpackt-Laden etwas in Backnang bewegte (wir berichteten), nahm auch die Ingenieurin sich vor, die Sache anzupacken. Sie postete in einer Backnang-Gruppe die Frage, ob denn daran Interesse besteht – die Resonanz war prompt und heftig: „in zwei Stunden kamen etwa 50 Rückmeldungen“, erzählt sie. Offenbar hatte sie mit ihrem Vorschlag einen Nerv getroffen. Und wie es der Zufall so wollte, hat auch Jürgen Benignus die Diskussion auf Facebook mitverfolgt und sich ein Herz gefasst. Er nahm Kontakt zu Späth auf und beide machten sich daran, die Idee in die Tat umzusetzen. „Äggerle Benignus“ heißt das Projekt nun.

Den Bezug zu Lebensmitteln wieder enger gestalten

Am 17. Januar trafen sich beide zum ersten Mal und machten direkt Nägel mit Köpfen. „Für uns ist das ein Kaltstart“, räumt Benignus schmunzelnd ein. „Aber das Projekt wächst mit der Zeit bestimmt und wir sehen, was gut läuft und was nicht“, zeigt sich Späth optimistisch. In der vergangenen Woche sind beide mit einer Webseite zum Projekt online gegangen und haben diese über Facebook publik gemacht. Die ersten verbindlichen Anfragen liegen auch schon vor. Als Minimum der Teilnehmerzahl haben sich Benignus und Späth auf 20 verständigt. „Nach oben sind aber wenig Grenzen gesetzt“, sagt der Landwirt. Er nimmt das Projekt relativ gelassen: „Selbst wenn es nicht klappt: Was gebe ich denn mehr her als die Fläche in dieser Saison?“ Er sei aber frohen Mutes und freue sich darauf, den Teilnehmern die Landwirtschaft etwas näherzubringen. Das sei ihm ein wichtiges Anliegen. „Mir geht es darum, den Bezug zu den Lebensmitteln wieder enger zu gestalten“, erklärt er. Wenige zeigten Verständnis dafür, wenn etwa kurz vor der Ernte ein Hagelschlag kommt, der vieles kaputt macht. Dann habe man Ausfälle – auch wenn er es ihnen nicht wünscht, könne so etwas natürlich auch die Pächter treffen.

Wie man in unvorhergesehenen Situationen mit dem eigenen Äckerle zurechtkommt, dazu will Benignus den privaten Gemüsebauern Hilfestellung anbieten. Zum einen soll es im Vorfeld eine Informationsveranstaltung geben, die Teilnehmer könnten aber auch jederzeit im Hofladen auf dem Ungeheuerhof vorbeischauen und um Rat bitten. „Meine Mutter ist meistens dort, sie kann Tipps geben“, sagt er. Einige Gartengeräte könne er auch zur Verfügung stellen und sollte es lange trocken bleiben, könne er auch eine Bewässerung organisieren. Auch Parkplätze will Benignus anlegen, außerdem macht er sich Gedanken darüber, wie man Mundraub vorbeugen kann.

Was genau kommt in der Saison, die bis Oktober geht, auf die Teilnehmer zu? Benignus und Späth haben sich überlegt, Flächen in den Größen 60 und 100 Quadratmeter zu 119 und 178 Euro pro Saison anzubieten. Sollte jemand ein größeres Stück bebauen wollen, könne man dies individuell vereinbaren. „Bei 100 Quadratmetern hat man schon ordentlich zu bewirtschaften“, warnt er jedoch. Das Pflanzen sei nicht sehr aufwendig, jedoch komme viel Unkrautjäten auf die Kleinbauern zu. Ab und zu müsse vielleicht auch gegossen werden.

Auf Ertragsmaximierung istdas Projekt nicht ausgelegt

Welche Obst und Gemüsesorten angebaut werden, wird den Teilnehmern überlassen. „Für mich wird es spannend, zu sehen, was die Leute daraus machen“, sagt Jürgen Benignus. Die Organisatoren geben vor, dass „nichts mit chemischem Dünger, chemischem Pflanzenschutz oder genetisch verändertem Saatgut oder Jungpflanzen“ auf dem Feld aufgebracht werden darf. Erlaubt sei ausschließlich Schneckenkorn, wenn unbedingt notwendig. Späth regt an, dass sich die Teilnehmer untereinander kennenlernen: „Dann kann man auch mit anderen tauschen, wenn die andere Dinge angebaut haben.“ Außerdem könne man so „Urlaubsvertretungen“ organisieren. Sie selbst wird gemeinsam mit einer Freundin ebenfalls ein Äckerle bestellen. Die Backnangerin macht klar: „Das Projekt ist nicht auf Ertragsmaximierung ausgelegt.“ Die Teilnehmer sollen ihre Freude daran haben, an der frischen Luft zu arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit dann auch zu ernten und wertzuschätzen. „Das Tolle daran ist, dass du dein eigenes, gesundes und leckeres Gemüse erntest, regional und selbst gemacht“, hat sie deshalb auch auf der Webseite als Vorteile aufgezählt. Jürgen Benignus weist auf die aktuelle Klimadebatte hin: „Wenn es darum geht, CO2 einzusparen, muss jeder bei sich anfangen“, sagt er. Dies sei eine Möglichkeit dazu. Denn regionaler könne man sein Obst und Gemüse kaum beziehen. Zudem bekämen die Teilnehmer ein Gefühl dafür, was in der Region überhaupt wachsen kann und wann welche Sorte ihre Saison hat. Nun warten Jürgen Benignus und Elisabeth Späth ab, wie viele Teilnehmer sich finden. „Auf Facebook mögen das alle toll finden, aber wer es letztendlich macht, ist noch mal was anderes“, so Benignus.

Mehr Informationen zum Projekt gibt es im Internet auf der Webseite https://aeggerle-benignus.jimdosite.com

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Erstellt:
7. Februar 2020, 06:00 Uhr

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