Grenze zwischen Römern und Barbaren

Erlebniswege in der Region: Der Limes-Lehrpfad Mainhardter Wald verbindet ein Naturerlebnis mit einem Ausflug in die Römerzeit. Auf dem 28 Kilometer langen Wanderweg zwischen Grab und Öhringen gibt es Überreste und Nachbauten der Grenzanlagen zu sehen.

Wer Lust auf eine fachmännische Führung entlang des Lehrpfads hat, kann sich eine solche mit einem Limes-Cicerone buchen, beispielsweise mit Torsten Pasler. Fotos: A. Hohnerlein/T. Pasler

© Marc Weigert

Wer Lust auf eine fachmännische Führung entlang des Lehrpfads hat, kann sich eine solche mit einem Limes-Cicerone buchen, beispielsweise mit Torsten Pasler. Fotos: A. Hohnerlein/T. Pasler

Von Annette Hohnerlein

GROSSERLACH/MAINHARDT. Es geht noch ganz gemütlich los. Vom römischen Wachturm auf dem Heidenbuckel bei Grab ausgehend führt der Weg vorbei an der Graber Kirche, dann weiter durch Obstbaumwiesen, der Blick schweift über die Ebene, wunderschön. Sobald man in den Wald kommt, ist es aber vorbei mit dem entspannten Schlendern. Der Weg mutiert zum Trampelpfad, es geht steil bergab, über Stock und Stein, mit dicken Wurzeln als Fußangeln. Dann gleich wieder bergauf, genauso steil, man greift nach Ästen, um sich hinaufzuziehen, dann weiter durch eine matschige Rinne, die den Namen „Schweinsgraben“ trägt; beim Blick auf die Schuhe ahnt man, warum. Nein, für Kinderwagen oder Rollstühle ist der Trip nicht geeignet, man muss schon gut zu Fuß sein, um diesen Teil des Limes-Pfads zwischen Grab und Mainhardt zu bewältigen. Der Grund für diese ungewöhnliche Streckenführung: Der Weg verläuft die ganze Zeit dicht am ehemaligen römischen Limes entlang, und der geht nun mal viele Kilometer kerzengerade durch den Mainhardter Wald, wie mit dem Lineal gezogen, ohne Rücksicht auf topografische Gegebenheiten. Und während man mal schlendert, mal kraxelt, sieht man rechts oder links des Wegs immer wieder den Grenzwall des Limes, mit dem die Römer vor über 1700 Jahren ihr Reich zu den germanischen Nachbarn abgrenzten, die sie „Barbaren“ nannten.

Eine Gruppe von drei Frauen ist an diesem sonnigen Sonntag Ende Mai auf dem Limes-Lehrpfad unterwegs. Isabell Pergner, Rica Pitzer, Nora Kretzschmar und Hund Karlo genießen die abwechslungsreiche Tour. „Wir haben schon einige Pflanzen am Weg identifiziert. Und probiert“, verraten die drei Freundinnen. Sie wissen genau, was essbar ist und was nicht, schließlich haben sie zusammen Agrarwissenschaften in Hohenheim studiert.

Der Limes-Lehrpfad Mainhardter Wald ist kein Rundweg, sondern verläuft auf 28 Kilometern Länge in fast gerader Linie von Grab nach Öhringen. Unterwegs kommt der Wanderer an 20 Stationen vorbei, die ihm die Geschichte des Limes und der Menschen, die mit ihm zu tun hatten, nahebringen. Da gibt es archäologische Denkmäler wie die Überreste von Wachtürmen, von denen noch die Steine der quadratischen Fundamente zu sehen sind. Oder ein Kohortenkastell, in dem Soldaten untergebracht waren; dessen Grundmauern sind auf dem Schulhof der Helmut-Rau-Schule in Mainhardt zu bestaunen. Damit man sich besser vorstellen kann, wie die Grenzanlagen zu Römerzeiten aussahen, sind mehrere Wachtürme rekonstruiert worden, manche können auch bestiegen werden. Allerdings nicht wie zu Zeiten des Römischen Reichs, als die Soldaten aus Sicherheitsgründen nur über eine Leiter direkt in den ersten Stock ins Innere gelangten, sondern bequem über eine Treppe. An verschiedenen Stellen des Wegs wurde ein Stück Grenzwall mit Graben und einem Palisadenzaun aus Baumstämmen rekonstruiert. Darüber hinaus finden sich am Weg immer wieder Infotafeln, auf denen der historisch interessierte Wanderer Wissenswertes erfährt. Etwa über die Funktion der Türme (Überwachung der Grenze und Übermittlung von Nachrichten über Licht- oder Hornsignale), über das karge Leben der Soldaten, die auf den Türmen Wache schoben, oder den Beginn der systematischen Erforschung des Limes mit Gründung der Reichs-Limeskommission im Jahr 1892. In Mainhardt befindet sich das Römermuseum, in dem Fundstücke aus der Umgebung ausgestellt sind.

Der Obergermanisch-Raetische Limes ist Deutschlands größtes und bekanntestes archäologisches Denkmal und seit 2005 Unesco-Weltkulturerbe. Er markierte zwischen 160 und 260 nach Christus die Grenze der römischen Provinzen Raetien und Obergermanien zwischen Rhein und Donau und verläuft über 550 Kilometer durch Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Zur Anlage gehörten rund 900 Wachtürme und etwa 120 Kastelle für die Unterbringung von Soldaten.

Wer sich den römischen Grenzwall besonders sachkundig und stilecht erklären lassen will, kann eine Führung entlang des Lehrpfads oder durch ein Museum mit einem sogenannten Limes-Cicerone buchen. Einer von ihnen ist Torsten Pasler, der bei der Führung eine römische Rüstung oder eine Toga trägt. Er empfiehlt, den Limes-Lehrpfad in vier Etappen zu erkunden: entweder auf einer Wanderung zwischen dem Wachturm bei Grab und dem Römermuseum in Mainhardt oder auf einem Rundweg vom Gailsbacher Turm durch die Schluchtenstrecke bis zur Geschwister-Scholl-Gedenktafel bei Steinbrück und über Feldwege wieder zurück.

Ebenfalls ein Rundwanderweg führt vom Wanderparkplatz Pfedelbach-Gleichen zum Limesblick Gleichen, zum Sechseckturm und durch den Wald zurück. Möglich ist auch eine Stadtwanderung in Öhringen vom Parkhaus Hunnenstraße zum Weygang-Museum, zum Limestor, zum Limesblick Öhringen und durch das ehemalige Gartenschau-Gelände wieder zurück. Ergänzend meint Pasler: „Von fitten Frühaufstehern sind aber auch alle vier Etappen durchaus an einem langen Sommertag zu bewältigen.“

Die drei Freundinnen Rica Pitzer, Isabell Pergner und Nora Kretzschmar (von links) mit Hund Karlo.

Die drei Freundinnen Rica Pitzer, Isabell Pergner und Nora Kretzschmar (von links) mit Hund Karlo.

Los geht’s in Grab oder in Öhringen

Startpunkt Grab: Wachturm auf dem Heidenbuckel südlich von Großerlach-Grab, Wanderparkplatz am Limesturm. Die Buslinie372 verkehrt zwischen Murrhardt, Grab, Großerlach und Mainhardt.

Startpunkt Öhringen: Zum Beispiel am Weygang-Museum in der Karlsvorstadt oder am Bahnhof. Parkmöglichkeit im Parkhaus Hunnenstraße, Ecke Pfaffenmühlweg.

Schwierigkeitsgrad: Länge: 28 Kilometer von Grab bis Öhringen, Teilstrecken sind möglich; anspruchsvolles Höhenprofil.

Barrierefreiheit: Für Wanderer, die gut zu Fuß sind. Für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer nicht geeignet.

Infrastruktur: Einkehrmöglichkeiten findet man in Mainhardt und Öhringen. Grill- und Picknickplätze gibt es an der Hankertsmühle zwischen Grab und Mainhardt und in Pfedelbach-Gleichen zwischen dem Sechseckturm und dem Wanderparkplatz.

Toiletten: In Mainhardt (Römermuseum) und Öhringen (Marktplatz, Rathaus, Hauptbahnhof, Festplatz Herrenwiese) gibt es öffentliche Toiletten.

Limes-Radweg: Der Radweg Grab–Öhringen verläuft meist auf einer anderen Route als der Wanderweg. Er ist ebenfalls auf der Limes-Lehrpfad-Broschüre verzeichnet.

Informationen: Im Rathaus Mainhardt (07903/9150-0, rathaus@mainhardt.de) erhält man eine Broschüre zum Limes-Lehrpfad. Dort kann man auch eine Führung mit einem Limes-Cicerone buchen, alternativ auch unter www.limes-cicerones.de.

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Erstellt:
14. Juni 2021, 11:30 Uhr

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