Herbsttristesse bei den Unternehmen im Landkreis
Die Konjunkturumfrage der IHK zeichnet ein düsteres Bild: Nur noch jeder fünfte Betrieb bewertet seine wirtschaftliche Lage als gut.
© Alexander Becher
Blick auf das Backnanger Gewerbegebiet Lerchenäcker: Die Stimmung in den Unternehmen ist zurzeit trübe.
Rems-Murr. Dem Hoffnungsschimmer im Frühjahr folgt die Ernüchterung im Herbst: Die Mehrheit der Unternehmen im Rems-Murr-Kreis rechnet nicht mehr mit einer baldigen Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK), an der sich 171 Unternehmen aus dem Landkreis beteiligt haben. Von diesen bewerten nur noch 20,6 Prozent ihre wirtschaftliche Lage als gut, im Frühjahr waren es immerhin noch 30,7 Prozent. 48,7 Prozent bezeichnen ihre aktuelle Lage als zufriedenstellend – ein knapper Prozentpunkt mehr als im Frühjahr. 30,8 Prozent klagen über schlechte Geschäfte. Das sind fast acht Prozentpunkte mehr als bei der letzten Umfrage.
Auch der Blick in die Zukunft fällt wesentlich pessimistischer aus als zu Jahresbeginn. Nur 16,1 Prozent rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage (Frühjahr: 19,4 Prozent). 36,5 Prozent erwarten hingegen eine weitere Verschlechterung – im Frühjahr rechneten damit lediglich 23,9 Prozent der Betriebe.
„Die Standortbedingungen für Unternehmen haben sich weiter verschlechtert“, beklagt IHK-Präsident Claus Paal. „Energiepreise, Bürokratie, fehlende Planungssicherheit und viele aufgeschobene Strukturreformen belasten zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe“, so Paal. Ohne spürbare Entlastungen und mutige strukturelle Reformen drohe eine Abwanderung von Investitionen und Innovationskraft ins Ausland.
Das größte Risiko für die Gesamtwirtschaft ist aus Sicht der Unternehmen die schwächelnde Inlandsnachfrage. 73,2 Prozent der befragten Betriebe sehen darin eine Gefahr. Hohe Arbeits- und Energiekosten sowie die Wirtschaftspolitik der Regierung sind nach Ansicht der Firmen weitere Risiken. Den Fachkräftemangel sieht dagegen nur noch eine Minderheit als Gefahr.
Auch die ausländische Nachfrage bleibt hinter den Erwartungen zurück. Besonders die wachsende Konkurrenz aus China stellt viele Branchen vor Probleme. „Hinzu kommt, dass Verlässlichkeit im Handel mit den USA – einem unserer wichtigsten Wirtschaftspartner – derzeit kaum gegeben ist“, betont Claus Paal. Zwar habe die Einigung zwischen der EU und den USA im Zollkonflikt für etwas mehr Planungssicherheit gesorgt, doch die weiterhin bestehenden Importzölle von meist 15 Prozent stellen laut Paal „eine erhebliche Belastung für die Exportbetriebe in der Region“ dar.Aufgrund der unsicheren Lage halten sich die Betriebe momentan auch mit Investitionen zurück. Die Investitionsbereitschaft in der Industrie ist so niedrig wie zuletzt während der Coronapandemie. Wenn überhaupt investiert wird, handelt es sich überwiegend um Ersatzbeschaffungen. Digitalisierung und Rationalisierung sind weitere zentrale Motive, wenn Unternehmen Geld in die Hand nehmen.
© Gabriel Habermann
Besonders düster bewerten Unternehmen aus der Industrie und der Bauwirtschaft ihre Situation: 37,2 Prozent der Firmen aus diesen Branchen klagen über schlechte Geschäfte. Und die Zukunftserwartungen deuten auch nicht auf eine rasche Trendwende hin: Nur 18 Prozent rechnen mit einer Verbesserung im kommenden Jahr. Besonders betroffen ist die Automobilindustrie, deren Rückgang sich deutlich auf die heimischen Zulieferbetriebe und den Maschinenbau auswirkt. Die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe befinden sich auf niedrigem Niveau, die Produktion geht spürbar zurück. Aber auch im Handel und dem Dienstleistungssektor hat sich die Stimmung deutlich eingetrübt: Die anhaltende Konsumflaute führt dazu, dass nur noch 14,8 Prozent der Händler ihre Situation als gut bezeichnen (Frühjahr: 27,1 Prozent). 42,6 Prozent erwarten zudem eine weitere Verschlechterung im kommenden Jahr. Im Dienstleistungssektor sieht es zwar noch am besten aus, allerdings ist auch hier die Zahl der Betriebe, die gute Geschäfte machen, seit dem Frühjahr von 41,1 auf 27,5 Prozent gesunken.
Trotz der angespannten Wirtschaftslage gibt es auch Lichtblicke. Markus Beier, leitender Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr, sieht in staatlichen Investitionsprogrammen Chancen für die regionale Wirtschaft. „Der ‚Investitionsbooster‘ der Bundesregierung könnte in den kommenden zwei Jahren zu einer Ausweitung der Kapazitäten führen – insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Infrastruktur“, erklärt Beier. Große Hoffnungen setzt die IHK auch in die Mittel aus dem „Sondervermögen“ des Bundes. „Die schuldenfinanzierten zusätzlichen Finanzmittel müssen gezielt in zusätzliche Investitionen gelenkt werden. Alles andere wäre eine Mogelpackung“, so Beier. Außerdem seien tiefgreifende Reformen der sozialen Sicherungssysteme notwendig, um die Arbeitskosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. kf/pm
