„Ho-la-ri-dul-jo, ho-la-ri-dul-jo-hul-jo“

Veronika Hermann führt Interessierte ans Jodeln heran – Ein Besuch im Anfängerkurs bei der Volkshochschule in Murrhardt

Jodel-Dozentin Veronika Hermann macht es vor, die Teilnehmer jodeln nach. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Jodel-Dozentin Veronika Hermann macht es vor, die Teilnehmer jodeln nach. Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

MURRHARDT. Auf die Suche nach ihrem individuellen Jodelschlag haben sich 17 Mitstreiter beim Volkshochschulkurs „Jodeln macht glücklich“ in Murrhardt begeben. Ohne Scheu haben sie sich unter Anleitung von Veronika Hermann darangemacht, sich ungewöhnlichen Konsonanten-Vokal-Reihen bewegt sängerisch anzunähern. Belohnt wurden sie mit einem AlpenIndoorerlebnis, Tipps fürs tägliche Jodelmantra und jeder Menge guter Laune.

„Ho-la-ri-dul-jo, ho-la-ri-dul-jo-hul-jo“ steht tatsächlich, sozusagen als Text, auf den ausgeteilten Ge-sangsvorlagen. Damit ist die Übereinstimmung mit Loriots unvergesslichem Jodeldiplom-Sketch aber auch schon erschöpft, in dem Evelyn Hamann alias Frau Hoppenstedt mit tierischem Ernst eisern Jodelphrasen büffelt, um nach zwei Jahren mit ihrem Jodeldiplom „auf eigenen Füßen zu stehen“.

Nein, im Volkshochschulkurs „Jodeln macht glücklich“ für Anfänger in Murrhardt mit Dozentin Veronika Hermann überwiegt eindeutig der Spaß und gesessen wird allenfalls im Stuhlkreis und das die wenigste Zeit. Die Bewegung beginnt gleich nach der kurzen Vorstellungsrunde mit Lockerungsübungen – von den Zehen bis zur Zunge. „All inclusive“, stellen die Seminarteilnehmer unter Gelächter fest, „sogar Physiotherapie!“ Eine weitere Stimme: „Das hab ich ja noch nie gesehen, dass die beim Jodeln turnen!“ Nach etwas Theorie geht es auch schon an konkrete Atem- und Stimmübungen. Ein kräftig aspiriertes „Hhhä!“ kommt aus dem Bauch und symbolisiert die tiefere Bruststimme, mit der wir überwiegend auch sprechen. Ein schrilles „Diiii!“ wird mit der hohen Kopfstimme gebildet und werde im Alltag überwiegend von Frauen verwendet, etwa wenn sie mit einem Baby „Ja guck mal, eideiei!“ oder einem kleinen Tier sprächen. „Männer bringen das allenfalls hervor, wenn das Wasser unter der Dusche zu kalt ist“, sagt Veronika Hermann.

Beim Stimmregisterwechsel zwischen Brust- und Kopfstimme entsteht ein kurzer Schnackler, der sogenannte Jodelschlag. Während dieser beim Jodelgesang ausgiebig kultiviert wird, ist er beim klassischen Gesang gänzlich verpönt und wird abtrainiert. Definiert man Jodeln als musikalische Aneinanderreihung sinnfreier Silben mit betontem Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme, dann ist diese archaische Verständigungsform nicht nur in den Alpen, sondern weltweit in vielen Kulturen und sogar in der Tierwelt verbreitet: Das Heulen des Wolfs und das Hu-hu des Uhus seien nichts anderes, erklärt Kursleiterin Veronika Hermann, thematisch passend Vroni genannt. Die temperamentvolle 47-Jährige hat vor Jahren diese befreiende Ausdrucksform für sich entdeckt und „immer bedauert, dass ich dafür so weit nach Bayern oder in die Alpen fahren muss“.

Archaische Verständigungsform in vielen Kulturen und der Tierwelt

In Murrhardt hat die gebürtige Hohenloherin („Immer froche, i vergess als ebbes zum soche!“) im Kurs viele Gleichgesinnte gefunden und macht sich nun mit 17 Seminarteilnehmern plus Pressevertreterin singend auf die Suche nach deren individuellem Jodelschlag. Mit „Hä-i ho-u – ridiri“, einem Vierzeiler im kombinierten Vierer- und Dreiertakt, wird erst miteinander, dann als Kanon nacheinander gesungen, unterstützt von einem professionell jodelnden rosa Plüschflamingo. Ihre Freundin habe ihr über WhatsApp was vorgejodelt, erzählt Jodelneuling Steffi. Das hat ihr so gut gefallen, dass sie heute mit Tochter Natascha zum Schnupperkurs gekommen ist. Für die eher introvertierte Sabine hat das Jodeln etwas Meditatives: „Da kann man Freude und auch Trauer verarbeiten.“ Tatsächlich reicht die Bandbreite der Stimmung beim Jodeln von fröhlich über andächtig bis zu melancholisch. Birgit erzählt von einem nachhaltigen Gänsehauterlebnis mit zwei jodelnden jungen Frauen bei einer Berghütte in den Alpen.

Andere haben überhaupt Freude an volkstümlicher Musik, wie die vier Musikanten aus dem steirischen Akkordeonchor, die heute gleich spontan ihre Instrumente zum Grabenschulhaus beordern. Oder Sabine und Uta mit bayrischer Herkunft, die extra aus dem Kreis Ludwigsburg angereist sind und ihre musikalischen Wurzeln bereits in anspruchsvollen Volksmusikauftritten kultivieren. Uwe ist mit der örtlichen Narrenzunft viel und gern in Alpenländern unterwegs und plant optimistisch schon eine Konzertreise mit der neuen Truppe: „Jetzt sind wir noch die anonymen Jodler, aber in weiter Zukunft wird man noch viel von uns hören! Vielleicht sogar eine Welttournee?!“

Weil sich Texte und Melodien in Verbindung mit rhythmischer Bewegung besser einprägen beziehungsweise die Arbeit mit Musik leichter von der Hand geht, wird zum Gröbminger Labheuger (Heurechen) im Walzertakt mitgeschunkelt: „Dri-hul-jo i-di-ri, dri-hul-jo i“. Vroni geht beim Singen vor den Nachwuchsjodlern im Kreis entlang und strahlt einen nach dem anderen motivierend an: „Das eignet sich auch prima beim Staubsaugen oder Bügeln“, hat sie festgestellt. Ein Jodelmantra sozusagen. Der sonst schlagfertige Willi stellt allerdings bei der attraktiven Vorsängerin fest: „Wenn Sie mi so ogucke, bleibt mir d’ Stimm weg!“ Rücksichtsvoll dreht ihm Vroni lachend den Rücken zu. Was bei ihren langen, dunklen Locken ja auch kein unangenehmer Anblick ist.

Ein zweistimmig miteinander verwobener Jodelgesang wird beim Schreiten in zwei gegenläufigen Kreisen intoniert. Dann kommt in die Mitte ein einzelner Stuhl, auf dem jeder sich mit geschlossenen Augen und 3-D-Beschallung einmal im Jodelhimmel fühlen kann. Ein Indoor-Alpenerlebnis sozusagen. Überhaupt scheint selbst der große Saal im Grabenschulhaus zu eng für die sich nun entfaltende Stimmgewalt der begeisterten Sänger, man öffnet das Fenster: „Steh’n se draußen scho?“ So mischt sich auch das „Ä-ü, ä-ü“ eines vorbeifahrenden Polizeiautos äußerst passend ins Jodeldomino, bei dem jeder die Endsilbe des Vorgängers aufnimmt und weiterspinnt.

Anton ist nicht aus Tirol und kann nach eigenem Bekunden auch nicht singen. Beste Voraussetzung fürs Jodeln, meint Veronika Hermann, denn so muss er sich den mühsam abgewöhnten Schnackler nicht erst wieder angewöhnen. Martin singt zwar in einem Chor, trotzdem schnackelt’s bei ihm schon zünftig. „Das ist tierisch anstrengend, das tut richtig weh im Hals“, stellt er fest, als nun nacheinander jeder mit einem lang gezogenen, lauten „Aaaaa“ aus Kellertiefen bis in luftige Höhen seinen individuellen Umschlagpunkt sucht. Mancher findet die Erleuchtung sozusagen erst im 13. Stock, andere suchen den Punkt noch vergeblich. Zu sehr geglättet vom Gesangsunterricht.

Dann wird fröhlich mit den inzwischen eingetroffenen, steirischen Harmonikas zum Tanz aufgespielt; die der Vollständigkeit halber geforderten Juchitzer – die Alpenjauchzer oder Jubelschreie – kommen selbst von den sonst reservierten Schwaben überzeugend „Da hat die Vroni doch bei uns in Murrhardt genau ins Schwarze getroffen“, stellt Heimatforscher Christian fest, nimmt augenzwinkernd sein Jodeldiplom in Empfang und trägt sich gleich für die Fortsetzungsveranstaltung im Mai ein: „Jodeln 2.0 – ich bin dabei!“

Info

In der Umgebung werden von den Volkshochschulen im laufenden Semester folgende Jodelkurse angeboten: 4. April, 16 bis 20 Uhr in Murrhardt für Anfänger (Zusatzveranstaltung), 24. April, 17.30 bis 21.30 Uhr in Sulzbach an der Murr für Anfänger, 30. Mai, 13.30 bis 17.30 Uhr in Murrhardt für Fortgeschrittene, 19. Juni, 17.30 bis 21.30 Uhr in Backnang für Anfänger.

Außerdem gibt es einen Kurs bei den Landfrauen am 10. März, 18.30 bis 21.30 Uhr in Großerlach für Anfänger.

Weitere Informationen auch zu Jodelwanderungen, Firmenveranstaltungen, Überraschungscrashkursen auf der Homepage www.jodelzeit.de.

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Erstellt:
11. März 2020, 11:30 Uhr

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