Irritationen wegen Steinbrucherweiterung

Verunsicherung in Unter- und Mittelschöntal – Lukas Gläser treibt Rohstoffsicherung voran und kauft Gelände auf

Aufregung in den Schöntalen: Das Unternehmen Lukas Gläser möchte seinen Steinbruch bei Zwingelhausen erweitern. Und weil unklar ist, in welcher Größenordnung und in welcher Richtung, ist die Verunsicherung in der Bevölkerung von Unter- und Mittelschöntal groß. Die Backnanger Stadtverwaltung hat in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats versucht, dem gegenzusteuern.

Die rote Linie ist die Gemarkungsgrenze zwischen Backnang und Kirchberg. Bei der blauen Fläche handelt es sich um die bereits genehmigte Abbaufläche. Die gelb schraffierte Fläche ist im Regionalplan als Vorrangfläche ausgewiesen. Lukas Gläser bemüht sich, für sie eine Abbaugenehmigung zu erhalten. Die rote Fläche ist nicht zum Abbau bestimmt. Grundstücke, die Lukas Gläser dort kauft, sind als Tauschflächen vorgesehen. Foto: F. Muhl/BKZ

Die rote Linie ist die Gemarkungsgrenze zwischen Backnang und Kirchberg. Bei der blauen Fläche handelt es sich um die bereits genehmigte Abbaufläche. Die gelb schraffierte Fläche ist im Regionalplan als Vorrangfläche ausgewiesen. Lukas Gläser bemüht sich, für sie eine Abbaugenehmigung zu erhalten. Die rote Fläche ist nicht zum Abbau bestimmt. Grundstücke, die Lukas Gläser dort kauft, sind als Tauschflächen vorgesehen. Foto: F. Muhl/BKZ

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Oberbürgermeister Frank Nopper versuchte nicht, seine Überraschung zu kaschieren. Er sagte in der jüngsten gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse Technik und Umwelt sowie Verwaltung und Finanzen: „Wir wussten bis gestern auch nicht von den Plänen des Unternehmens.“ Er bestätigte, dass die mögliche Erweiterung des Steinbruchs die Gemüter der Schöntaler bewegt.

Auslöser der Verunsicherung sind zum einen Bautätigkeiten am Ostrand des Steinbruchs und Verhandlungen mit mehreren Grundstücksbesitzern, die Flächen zwischen dem Steinbruch und den Schöntalen ihr Eigen nennen. Zudem soll in den Orten eine Landkarte kursieren, auf der Erweiterungsflächen eingezeichnet sind, die sehr nah an die Wohnbebauung heranreichen. Die Bautätigkeiten alleine hätten wohl nicht ausgereicht, um für Aufregung zu sorgen. So hat das Unternehmen lediglich einen Zaun etwas versetzt und dahinter einen kleinen Damm aufgeschüttet.

Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamts, stellte gleich zu Beginn der Diskussion klar, dass bei diesem Projekt nicht die Stadt die Genehmigungsbehörde ist, sondern das Landratsamt Rems-Murr. Hintergrund ist, dass es sich bei den Plänen des Unternehmens um die Rohstoffsicherung handelt, und die ist laut Gesetzgeber von übergeordnetem Interesse. Abgebaut wird im Steinbruch Zwingelhausen nämlich Karbonatgestein. „Der wichtigste regionale Rohstoff“, so Großmann. Er wird benötigt für den Straßenbau und für die Asphaltherstellung.

Bislang liegt der Steinbruch zu 95 Prozent auf der Gemarkung Kirchberg. Allerdings ist die einzig mögliche und genehmigte Abbaurichtung östlich, und damit auf Backnanger Markung. Lukas-Gläser-Geschäftsführer Gerald Henkel sagt: „Die angestrebte Erweiterung hat eine Größe von 5,5 Hektar und befindet sich vollumfänglich innerhalb der Grenzen des gültigen Regionalplans des Verbands Region Stuttgart.“ Henkel bestätigt des Weiteren, dass die seit Jahren eingezäunte Fläche deckungsgleich ist mit der angestrebten Erweiterung. Darüber hinaus gebe es keine Flächen, für die jetzt eine Abbaugenehmigung eingeholt wird.

Das heißt jedoch nicht, dass in Zukunft keine weitere Erweiterung geplant ist. Im Gegenteil, um den Bestand des Unternehmens zu sichern, sind laut Henkel garantierte Abbauflächen für viele Jahre notwendig. „Da sind 40 Jahre eher das Minimum.“ Deshalb sind im Regionalplan Vorranggebiete für die Rohstoffsicherung ausgewiesen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Flächen, die noch weiter östlich liegen. Sie befinden sich laut Henkel aktuell in der Vorbereitungsphase für das notwendige Bundesimmissionsschutzgesetz-Verfahren. Mit einem Ergebnis hierzu rechnet er in etwa einem Jahr.

Obwohl es nicht üblich ist, kamen in der Sitzung auch die Teilortsanwälte Michael Trefz (Unterschöntal) und Andreas Zink (Mittelschöntal) zu Wort. Trefz schilderte sehr sachlich, dass die Bevölkerung kein Problem damit habe, wenn der Steinbruch in der Fläche erweitert wird, die eingezäunt und bereits vor 25 Jahren genehmigt worden ist. „Aber damals wurde uns zugesagt, weiter geht es nicht.“

Nun soll auf Antrag des Unternehmens auch der Abbau in einem ähnlich großen Gebiet weiter östlich genehmigt werden. Dabei handele es sich nicht nur um ein „wunderschöne Streuobstwiese mit 500 Bäumen“, sondern auch um ein von vielen Spaziergängern beliebtes Gebiet. Schon heute könne man laut Trefz die Erschütterungen im Dorf wahrnehmen, und dabei seien die Sprengungen noch 1000 Meter entfernt. Mit der bereits genehmigten Erweiterung würde die Abbaufläche auf 680 Meter an die ersten Häuser heranrücken, mit dem zweiten Schritt gar auf 530 Meter. Zu hören seien auch schon die Baumaschinen, da meist Westwind wehe. Trefz prophezeite: „Wenn es schlimmer wird, bekommen wir hier solche Probleme wie in Rielingshausen.“

Stadtbaudezernent Stefan Setzer verdeutlichte die Bedeutung der Rohstoffsicherung und der daraus resultierenden Rechte: „Es geht nicht darum, ob man etwas hört oder spürt, sondern um die Frage, ob das Maß der Zumutbarkeit überschritten wird.“ Es könne sein, dass man über eine andere Art der Sprengungen nachdenken müsse. Und Setzer versprach auch, dass im Genehmigungsverfahren die Sorgen der Bürger ernst genommen werden. Andreas Zink befürchtete, dass der Lärm deutlich zunehmen wird, da bislang der Bergkamm noch zwischen Steinbruch und Dorf liege. Wenn die Bagger aber den Kamm überschreiten, fehle der natürliche Lärmschutz, „die Topografie wird schlimmer“. Zink erwähnte auch den Aussiedlerhof Krauter, der demnächst nur noch 400 Meter vom Steinbruch entfernt liege und der heute schon unter Staub, Lärm und Dreck leide. Zudem habe die Stadt im Nordwesten von Unterschöntal das Bauerweiterungsland Brunnenäcker ausgewiesen. „Das liegt noch näher als der heutige Ort.“

„Die Nachricht ist überfallartig auf uns hereingebrochen“

Die Stadträte teilten allesamt die Bedenken der Bürger. So bezweifelte Gerhard Ketterer (CDU), dass der Landschaftshunger des Unternehmens durch die Erweiterung auf lange Zeit gestillt sei. Gemessen an den bisherigen Abbauflächen rechne er damit, dass diese Erweiterung nur etwa 20 Jahre lang reiche. Auch Willy Härtner (Grüne) wollte wissen, ob der Abbau in 40 Jahren ende. „Oder kann es dann weitergehen?“ Er hakte nach, wie sich die Erweiterung auf das Biotop Wüstenbachtal auswirke und ob dort eine Austrocknung drohe. Auch wollte Härtner wissen, wie es mit der Wiederauffüllung des riesigen Kraters und der Rekultivierung weitergehe. „Gibt Lukas Gläser der Natur diese Flächen wieder einmal zurück?“ Ute Ulfert (CDU) kritisierte die Informationspolitik des Unternehmens: „Es wäre entschieden besser gewesen, wenn es erst Informationen gegeben hätte und nicht erst diese Gerüchte.“ Sie wünschte sich, dass es jetzt recht schnell eine von Lukas Gläser angekündigte Informationsveranstaltung gibt: „Ich verstehe, dass die Anwohner beunruhigt sind.“ Und auch Heinz Franke (SPD) sagte: „Wir müssen die Ängste der Anwohner ernst nehmen.“ OB Nopper pflichtete dem bei: „Es ist richtig, dass es mehr Informationen hätte geben müssen, aber das wäre die Aufgabe des Unternehmens gewesen. Die Nachricht von der Erweiterung ist überfallartig über uns hereingebrochen.“

So kursiert derzeit eine Karte, auf der auch eine Fläche eingezeichnet ist, die noch näher zu den Schöntalen liegt. Hierbei handelt es sich laut Setzer um Tauschflächen. „Es gibt Bauern, die wollen für ihr Land kein Geld, sondern andere Grundstücke. Damit Lukas Gläser solche anbieten kann, werden derzeit Flächen aufgekauft, auf denen aber kein Abbau vorgesehen ist.“ Dies bestätigte Geschäftsführer Henkel: „Es ist keine Erweiterung in südlicher Richtung geplant, wir bewegen uns aktuell und auch zukünftig in den lokalen Rohstoffsicherungsflächen. Bei den Anfragen an die Grundstückseigentümer wurde das Unternehmen auch bezüglich möglicher Tauschflächen angesprochen. Daher rührt auch das Interesse an benachbarten Grundstücken.“

Kommentar

Von Matthias Nothstein

Der vorliegende Fall ist wieder einmal ein typisches Beispiel, wie Informationspolitik eines Unternehmens nicht laufen sollte. Weil die Bürger nicht wissen, was geplant ist, schießen die Gerüchte ins Kraut. Wer will es ihnen verübeln. Und ehe sich die Firmenchefs versehen, sehen sie sich mit Unterschriften sammelnden Bürgern, verärgerten Stadträten und irritierten Verwaltungen konfrontiert. Jetzt die ganzen Missverständnisse wieder aus dem Weg zu räumen, ist eine große und vor allen Dingen absolut unnötige Aufgabe. Und wenn erst einmal die Preisspekulationen Fahrt aufgenommen haben, dann kann dieses Vorgehen für das Unternehmen am Ende auch ein teures Unterfangen werden.

m.nothstein@bkz.de

Info
Infoveranstaltung im Mai

Das Unternehmen Lukas Gläser plant eine Informationsveranstaltung für interessierte Anwohner Anfang Mai. Dem Unternehmen ist es eigenen Angaben zufolge wichtig, „die Bürger transparent und fair einzubinden“. Dafür wurde zusätzlich eine externe Firma beauftragt, geeignete Beteiligungsformate zu entwickeln und umzusetzen. Diese Firma wird an dieser Veranstaltung teilnehmen und fungiert dort als allparteilicher Moderator.

Dem Landratsamt Rems-Murr-Kreis liegt zur Steinbrucherweiterung der Firma Gläser noch kein immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsantrag vor, teilt das Umweltschutzamt in einer Stellungnahme mit. Folglich können die Verantwortlichen keine Aussagen zu zukünftig geplanten Erweiterungsflächen treffen. „Bisher ist uns nur aufgrund von Gesprächen mit der Firma Gläser bekannt, dass ein Erweiterungsantrag angedacht ist.“

Die letzte 8,56 Hektar große Erweiterungsfläche wurde 2004 vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis immissionsschutzrechtlich genehmigt. Zu diesem Zeitpunkt stand noch eine Abbaureserve von 7,21 Hektar zur Verfügung. Als Gesamtabbaufläche nach Bestandskraft der Genehmigung standen somit 15,77 Hektar zur Verfügung. Die Gesamtfläche des Steinbruchs (abgebaut/Abbau/aktuell noch möglicher Abbau/Rekultivierung/Verkehrswege/Anlagen) beträgt 46 Hektar.

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Erstellt:
9. April 2019, 06:00 Uhr

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