Kaum Nachfrage nach Mehrweggeschirr in Backnang

Seit Jahresbeginn müssen Anbieter von Speisen und Getränken zum Mitnehmen auch wiederverwendbares To-go-Geschirr anbieten. Eine kleine Umfrage in der Backnanger Innenstadt ist allerdings ernüchternd. Pfandschüsseln und -becher sind nur äußerst selten erwünscht.

David Weller bietet seinen Salat zum Mitnehmen auch in Pfandglasschalen und den Kaffee in einem Mehrwegbecher an. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

David Weller bietet seinen Salat zum Mitnehmen auch in Pfandglasschalen und den Kaffee in einem Mehrwegbecher an. Foto: Tobias Sellmaier

Von Florian Muhl

Backnang. David Weller hat sich extra auf Messen umgeschaut. Welche Verpackung ist geeignet und auch wirtschaftlich, um diese den Kundinnen und Kunden im Backnanger Café Weller anbieten zu können und damit auch dem neuen Gesetz genüge zu tun? „Das war gar nicht so einfach“, sagt der 32-Jährige, der seit November 2022 Inhaber des Betriebs ist. Die einen waren nicht auslaufsicher, die anderen zu teuer und geeignete Behälter waren schließlich nicht spülmaschinenfest. Fündig geworden ist er schließlich beim Metzger&Gastro Einkauf München.

Wellers Salat to go passt genau in die Glasschüssel mit dem Click-lock-Deckel hinein, sogar die Salatsoße hat da noch Platz. Und sollte ein Kunde mal vergessen, die Schüssel abzugeben und so auf die fünf Euro Pfand verzichten, gerät der Konditormeister nicht gleich in die roten Zahlen. Denn der Einkaufspreis liegt genau im Bereich der Pfandgebühr. Aber wie ist die Nachfrage nach der klimafreundlichen Alternative zu den Einwegplastikschalen? „Sehr mau, die Nachfrage ist verschwindend gering“, sagt David Weller. Und er fügt hinzu: „Wenn wir da mal in der Woche eine rausgeben, ist das schon viel.“

Die Gastronomen reinigen die Behälter

Woran es liegt? Weller kann nur spekulieren: „Ich glaube, den Leuten ist das zu umständlich, die wieder zurückzubringen.“ Grundgereinigt sollten die Schüsseln bei der Rückgabe schon sein. Seine Pflicht ist es, die Behälter durch die Gastrospülmaschine (85 Grad) laufen zu lassen. Für den Kaffee hat er erst vor wenigen Wochen beim Bäckereinkauf kleine und große stabile Mehrwegkunststoffbecher entdeckt, für die er einen Euro Pfand verlangt.

„Die Nachfrage ist gleich null“, lautet die Antwort der Löwen-Wirtin Simone Hilt zum Thema Mehrweggeschirr. Einmal in der ganzen Zeit, also seit Januar, habe eine Frau in der Mehrwegschüssel eine Sauce Hollandaise verlangt und habe den Behälter auch wieder zurückgebracht, ohne dass Pfand verlangt worden wäre. Was des Öfteren von Kunden angefragt und gewünscht werden würde, sei, dass sie gern die eigenen Gefäße mitbringen würden. Nur wenige Schritte weiter in der Gaststätte Storchen die gleiche Auskunft. „Es wird wirklich gar nicht gefragt“, sagt Dimitrios Pinakas.

Auch der Storchen-Wirt hat die Erfahrung gemacht, dass Kunden gerne ihre eigenen Gefäße mitbringen. Schräg gegenüber im Döner- und Falafelladen Onkel Ali stößt die Frage nach Mehrweggeschirr auf großes Unverständnis. So etwas ist offensichtlich nicht im Angebot. Im Café Wunderbar von Mildenberger kostet der Mehrwegbecher 1,50 Euro Pfand. Und wie oft wird er verlangt? „Nicht so oft, leider nicht“, sagt die Verkäuferin. „Vielleicht einmal im Monat“, ergänzt die junge Frau noch.

Weinstube Kunberger macht gute Erfahrungen mit dem Pfandsystem

Dann aber in der Weinstube Kunberger ändert sich das bislang traurige Bild. „Wir verkaufen unser Essen immer wieder in unseren Mehrwegschüsseln“, sagt Küchenchef Nick Fruth. „Die Leut bringen das immer und wir spülen das richtig durch und sie nehmen’s wieder mit.“ Fünf Euro Pfand kostet die Schüssel. Das entspricht auch deren Einkaufspreis. Wie Kunberger-Wirtin Petra Wolf meint, gehen zehn bis 15 Speisen in der Mehrwegschüssel pro Woche über die Theke – „mindestens“.

Linda Maier, die das Gasthaus Löwen in Spiegelberg-Nassach zusammen mit ihrem Mann Thomas betreibt und bereits vor einem halben Jahr über ihre guten Erfahrungen mit Mehrweggeschirr auf Pfandbasis an dieser Stelle berichtet hat, ist noch immer überzeugt davon. „Das System wird richtig gut angenommen.“ Sie benutzt Behälter des Münchner Anbieters Recup. „Aber es sollte besser beworben werden. Es ist noch unbekannt“, meint Linda Maier, die doch eine leichte Tendenz zum Einweggeschirr wahrnimmt. Und das, obwohl sie für ihre Einwegbehälter einen Aufpreis von zwei, drei Euro verlangt. Bei einem kompletten Menü beträgt der Aufpreis acht, neun Euro, nur für die Alu- und Plastikeinwegverpackung.

Kampagne „Mehrwegbehälter willkommen“ wird von der Stadt Backnang unterstützt

Die Stadt Backnang unterstützt das Befüllen mitgebrachter Kundenbehälter mit der Kampagne „Mehrwegbehälter willkommen“ als aufwandsarmes, günstiges und umweltfreundliches Angebot für Betriebe und Kunden. Anfang des Jahres haben die Stabsstelle Klimamanagement und der Verein Stadtmarketing Anbieterinnen und Anbieter von Essen und Getränken zum Mitnehmen über die Inhalte der Verpackungsnovelle informiert. Dabei hat die Stadt angeboten, bei Interesse eine Informationsveranstaltung über verschiedene auf dem Markt befindliche Mehrwegsysteme zu organisieren. „Allerdings wurde dieses Angebot nicht wahrgenommen“, teilt die persönliche Referentin des Oberbürgermeisters Melanie Schuler mit.

„Ämterübergreifend hat die Wirtschaftsförderung zusammen mit dem Klimaschutz und der Pressestelle in einem Arbeitskreis geschaut, was können wir da machen als Landratsamt“, sagt der Tourismusbeauftragte Daniel Hoefer auf Nachfrage. „So hatten wir bereits im vergangenen Jahr einige Infoveranstaltungen zusammen mit Anbietern von Mehrwegsystemen. Und wir waren bei einzelnen Innungen vorstellig, um zu erfahren, wie da das Vorgehen ist.“ Beispielsweise hätten sich die Metzger für eigene Systeme entschieden.

„Mein persönlicher Eindruck ist, dass da noch nicht viel Umgewöhnung stattgefunden hat, denn die Einweg-to-go-Sachen sind ja weiterhin erlaubt, es muss nur eine Alternative angeboten werden“, sagt Dagmar Häcker von der Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) Bereich Technik. „Wenn die Entwicklung mal dahin geht, dass die Gastronomen sich absprechen und sich gegebenenfalls einem einheitlichen System anschließen, sodass es mehr Rückgabemöglichkeiten gibt, wird das Ganze vielleicht auch mehr angenommen“, meint Dagmar Häcker. „Letztlich hat das auch viel mit Angewohnheiten und Routinen zu tun.“

Marmeladenglas mit Manschette als Alternative. Foto: privat

Marmeladenglas mit Manschette als Alternative. Foto: privat

Neue Regeln für Essen und Getränke zum Mitnehmen

Mehrwegalternative Seit Anfang Januar dieses Jahres gelten neue Regelungen im Verpackungsgesetz, um die Umwelt und das Klima zu schonen. Anbieterinnen und Anbieter von Speisen und Getränken zum Mitnehmen müssen zusätzlich zur Einwegverpackung eine Mehrwegverpackung anbieten. Für kleine Betriebe gibt es eine besondere Regelung.

Gastrobetriebe Die Regelung gilt für Restaurants, Bistros, Kantinen, Cafés, Imbissbetriebe, Salatbars oder heiße Theken im Lebensmitteleinzelhandel, Caterer, Lieferdienste und Ähnliche, die Essen oder Getränke zum Mitnehmen anbieten.

Klimaschutz Ziel ist, dass weniger Einwegverpackungen aus Kunststoff oder mit Kunststoffbeschichtung für Essen und Getränke zum Mitnehmen verbraucht werden.

Informationen Betriebe müssen gut sichtbare und lesbare Infos zu den Mehrwegverpackungen anbringen, zum Beispiel auf Schildern oder Plakaten.

Preis Speisen und Getränke in Mehrweg dürfen nicht teurer sein als in Einweg, ein Pfand darf erhoben werden.

Mehrweglösung Kundinnen und Kunden können Gefäße selbst mitbringen. Das Befüllen in der Gastronomie oder beispielsweise beim Metzger ist erlaubt. Für die Sauberkeit und die Eignung der Gefäße tragen die Kunden die Verantwortung. Es ist hygienerechtlich nicht verboten. Optimal ist die Verwendung eines Hygienetabletts, da so der Kontakt mit dem Fremdgefäß vermieden werden kann.

Cappuccinoglas „Was inzwischen schon besser funktioniert, ist der Kaffee to go“ sagt Dagmar Häcker von der AWRM. Sie hat auch einen Tipp parat: „Man kann dafür ein einfaches Marmeladenglas mit Manschette nutzen. Das schraubt man nach dem Genuss des Cappuccinos wieder zu und steckt es ein, dann laufen auch keine Milchschaumreste in die Tasche.“

Infos Weitere Informationen unter www.lebensmittelverband.de und www.esseninmehrweg.de.

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Erstellt:
3. Juni 2023, 06:00 Uhr

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