Unterrichtsversorgung in Ba-Wü
Kultusministerium findet 1440 unbesetzte Lehrerstellen
Durch eine Datenpanne wurden 1440 Stellen als belegt angezeigt – obwohl sie eigentlich frei waren. Das Kultusministerium arbeitet nun mit Hochdruck daran, die zu besetzen.

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Das Kultusministerium kann deutlich mehr Lehrer einsetzen als bislang gedacht.
Von Annika Grah
So manchem Haushälter, der in den vergangenen Jahrzehnten harte Verhandlungen um Lehrerstellen geführt hat, dürften die Ohren klingen: Die Kultusverwaltung hat herausgefunden, dass 1440 Stellen fälschlicherweise als belegt ausgewiesen wurden, die eigentlich an den Schulen im Land zur Verfügung stehen könnten. Aufgefallen ist der Fehler jetzt, weil immer mehr Unstimmigkeiten auftauchten. Die neu berechnete Stellengrundlage sei inzwischen vom Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) verifiziert worden, teilt das Kultusministerium mit.
Fehler geht auf das Jahr 2005 zurück
Der genaue Grund für die Fehlannahme wird laut Kultusministerium noch ermittelt. Aktuell geht die Verwaltung davon aus, dass 2005 ein Fehler in der Datenübertragung passiert ist, als auf ein Personal- und Stellenprogramm namens DIPSY umgestellt wurde. Hinzu kämen mutmaßlich Programmierungsfehler durch das LBV und manuelle Nachbearbeitungen der Kultusverwaltung. Und: Die Ist-Stellen wurden seit 2005 fortgeschrieben, aber nie neu ermittelt.
Diese Fehler blieben jahrelang unbemerkt – und die Zahl der als belegt ausgewiesenen Stellen wuchs Jahr für Jahr an. Nachdem es zu Unstimmigkeiten kam, wurde zur Überprüfung im Juni ein neues Programm eingesetzt. Das förderte die 1440 unbesetzten Stellen zutage. Steuergeld wurde laut Kultusministerium nicht verschwendet. Im Gegenteil: Allein für die Gehälter hätte das Land über den Daumen gepeilt um die 120 Millionen Euro pro Jahr ausgegeben.
Allerdings hätte der seit Jahren herrschende Lehrermangel an baden-württembergischen Schulen möglicherweise früher gemildert werden können. Die zusätzlichen Stellen sollen jetzt so schnell wie möglich – teils auch schon im neuen Schuljahr 2025/26 – besetzt werden. Geplant ist, sie auf Grundschulen, Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SSBZ), beruflichen Schulen und in der Sekundarstufe 1 – außerhalb von Gymnasien – zu verteilen. Außerdem soll die Krankheitsreserve aufgestockt werden, die zuletzt 1945 Stellen zählte. Im Koalitionsvertrag hatte sich Grün-Schwarz dafür einmal 2000 Stellen vorgenommen.
An der Situation der frisch ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer, die wegen der G9-Umstellung erst einmal nicht am Gymnasium beschäftigt werden können, ändert der Stellenfund allerdings nichts. Es bleibt laut Kultusministerium dabei, dass an Gymnasien zunächst weniger Lehrerinnen und Lehrer benötigt werden.
Der Opposition dürfte es schwerfallen, den Fehler allein den Grünen anzukreiden. Denn eingeführt wurde das Planungstool 2005 unter CDU-Herrschaft. Dazwischen zeichneten mit Andreas Stoch und Gabriele Warminski-Leiteußer auch SPD-Kultusminister verantwortlich. Erst 2021 übernahmen die Grünen mit Theresa Schopper.
Unterrichtsversorgung soll verbessert werden
Das nächste Problem dürfte sein, die zusätzlichen Stellen zu besetzen. In den vergangenen Jahren hat sich der Lehrermangel zwar etwas abgeschwächt. Dank des Einsatzes von Quereinsteigern und des Ausbaus Studienplätzen war die Zahl zum Schuljahresstart 2024/25 auf 250 offene Stellen zurückgegangen, die später alle noch besetzt werden konnten. Ein Sprecher des Kultusministeriums zeigte sich zuversichtlich: „Ich bin optimistisch, dass wir die Unterrichtsversorgung verbessern können“, sagte er.
Bildungsverbände hatten in der Vergangenheit immer wieder mehr Lehrerstellen gefordert. Zu Beginn des Schuljahres sprachen sie von 1500 zusätzlichen Stellen, die angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen notwendig sei. Das Statistische Landesamt geht in seinen Modellrechnungen für allgemeinbildende Schulen aktuell von rund 1,15 Millionen Schülerinnen und Schülern aus. Bis 2035 könnte diese Zahl den Berechnungen zufolge auf 1,3 Millionen Schülerinnen und Schüler steigen. Hinzu kommen rund 400 000 Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen.
Fehler soll es in anderen Ministerien nicht geben
Dass es in anderen personalintensiven Ressorts wie etwa dem Wissenschaftsministerium oder dem Innenministerium ebenfalls solche Fehlplanungen gegeben hat, schließt die Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt aus. Im Gegensatz zum Rest der Landesverwaltung werden in der Kultusverwaltung Stellen nicht einem einzelnen Personalfall zugeordnet. Stattdessen gibt es einen Stellenpool, der für die Einstellung von Lehrern zur Verfügung steht. Hinzu kommt: Durch ständige Änderungen – etwa durch Veränderungen im Deputat, Elternzeit oder auch Sabbaticals – gebe es in dem System jährlich bis zu 54 000 Bewegungen. Das macht das System unübersichtlich. Um sicherzustellen, dass sich der Fehler nicht wiederholt, hat das Land nun eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch vom Rechnungshof begleitet werden soll.
Die G9-Delle
Das ProblemWegen der Rückkehr zu G9 werden in Baden-Württemberg in den kommenden Jahren zunächst weniger Lehrerinnen und Lehrer an den Gymnasien benötigt. Das liegt daran, dass die Klassenstufen 5 und 6, die als erste mit G9 starten, zunächst weniger Unterricht haben, weil der Stoff künftig auf neun Jahre verteilt wird – und nicht wie bisher auf acht Jahre.
Die LösungKonkret müssen zum kommenden Schuljahr nach Angaben des Kultusministeriums rund 360 Stellen besetzt werden. Dem stehen den Angaben zufolge rund 1500 Bewerberinnen und Bewerber gegenüber. Das Ministerium bietet Gymnasiallehrkräften deswegen an, vorübergehend an einer anderen Schulart zu unterrichten – zusammen mit dem Angebot, nach drei Jahren an ein Gymnasium wechseln zu können. Im Endausbau des neunjährigen Gymnasiums im Schuljahr 2032/2033 werden dann wegen der zusätzlichen Klassenstufe wieder mehr Lehrkräfte am Gymnasium benötigt. dpa