Milde Temperaturen verwirren die Tierwelt
Erste Pflanzen blühen schon, Frühlingsvögel zwitschern bereits: Die warmen Temperaturen im Januar haben zum Teil große Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt. Besonders Insekten haben mit zu wenig Nahrungsquellen zu kämpfen.

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Während die milden Temperaturen im Januar für die Honigbienen zumindest aktuell kein allzu großes Problem darstellen, wird es für Wildbienen und andere Insekten, die sich zu früh herauswagen, deutlich schwieriger. Archivfoto: Alexander Becher
Von Kristin Doberer
Rems-Murr. Statt Schnee, Frost und Eis ist der Januar bisher von sehr milden Temperaturen geprägt. Laut der Wetterstation des Deutschen Wetterdiensts in Großerlach lagen selbst die niedrigsten Temperaturen im Januar über 0, zu Beginn des Jahres stiegen sie sogar auf über 16 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen wird die Tierwelt zum Teil schon wieder aktiv: Morgens ist bereits Vogelgezwitscher zu hören und Insekten machen sich auf die Nahrungssuche. So zum Beispiel Honigbienen, die ab etwa 12 Grad Celsius unterwegs sind. „Die haben ja keinen Kalender wie wir. Wird es warm genug, fliegen sie“, erklärt Chris Matties vom Imkerverein Backnang. Aktuell sieht er für seine Bienen aber noch kein Problem, wenn sie schon im Januar fliegen. Denn zum einen finden die Bienen auch schon etwas Nahrung, da es vereinzelt bereits Pollen gibt, zum anderen können sich die Tiere bei sinkenden Temperaturen einfach wieder in den Bienenstock zurückziehen, wo sie sich einen Nahrungsvorrat angelegt haben. Problematischer wäre es nur, wenn die Bienen schon anfangen würden, ihren Nachwuchs aufzubauen, denn das müssten sie bei einem Kälteeinbruch wieder abbrechen, was viel Energie kostet. „Aber dafür sehe ich jetzt noch kein großes Risiko“, sagt Matties. „Dafür gibt es noch zu wenig Nahrung.“ Das warme Wetter könnte allerdings durchaus noch zu einem Problem werden. Beispielsweise wenn die Bienen durch das frühe Ausfliegen zu viel von ihren Vorräten verbrauchen. Oder wenn zum Beispiel Obstbäume zu früh austreiben und dann im März oder April durch Kälteeinbrüche ein Teil der späteren Nahrungsquelle kaputt geht. Wie genau ein so milder Winter die Bienen tatsächlich beeinflusst, sei aber auch für den Imker schwer abzuschätzen. „Das Thema ist ja noch relativ neu und je nach Standort, Stärke eines Bienenvolks und Bienenart reagieren diese auch anders“, so Matties.
Sind Wildbienen und Insekten zu früh unterwegs, fehlt ihnen die Nahrung
Für andere Insekten und Wildbienen dagegen könnten die aktuellen Temperaturen zu einem größeren Problem werden. Denn Wildbienen, manche Hummel- und Schmetterlingsarten sind immer öfter bereits im Januar aktiv, heißt es vom Nabu. Das kann auch Frank Ehret von der Backnanger Regionalgruppe des Naturgartenvereins bestätigen. „Ich habe jetzt schon einzelne frisch geschlüpfte Mauerbienen gesehen, die kommen normalerweise erst Mitte oder Ende März“, sagt Ehret. Die milden Temperaturen bringen die Tiere aus ihrem Rhythmus, verwirren sie und fordern meist auch den frühzeitigen Tod. Mauerbienen zum Beispiel leben für gewöhnlich vier bis sechs Wochen, diese Zeit ist genau durchgetaktet mit Nahrungssammlung und um für Nachwuchs zu sorgen. „Schlüpfen sie zu früh, kommen sie durcheinander“, so Ehret. Denn Kälte, Regen und das eingeschränkte Nahrungsangebot verwirren die Tiere, sie können ihren normalen Rhythmus nicht einhalten. Zwar kommen vereinzelt schon Winterlinge und Krokusse, doch ist das Nahrungsangebot grundsätzlich zu gering. Denn viele Insekten und Wildbienen seien auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert und angewiesen. „Die meisten Pflanzen brauchen nicht nur die Wärme, sondern auch bestimmte Sonnenzeitstunden“, erklärt Ehret.
Pflanzen lassen sich weniger durcheinanderbringen
Die Pflanzenwelt sei zum Teil zwar auch schon früher dran, lasse sich aber deutlich weniger durcheinanderbringen als die Tierwelt. Zwar könne es den Pflanzen schon etwas schaden, wenn sie bereits blühen und dann doch noch mal Frost kommt, „aber einen Ausfall können die ganz gut verkraften“, so Ehret. Wenn das allerdings über mehrere Jahre immer wieder passiert, werde es die Pflanze einiges an Kraft kosten. Die Folge davon, dass viele Pflanzen trotz der warmen Temperaturen noch nicht wachsen und blühen, ist allerdings, dass manche Tiere bereits unterwegs sind, deren Nahrungsangebot aber noch nicht zur Verfügung steht. Das könne langfristig auch den Pflanzen schaden. „Wenn es erst einen Einbruch der Population bestimmter Insekten gibt, kommt dann auch irgendwann der Einbruch bei den Pflanzen, die diese als Bestäuber brauchen“, sagt Ehret.
Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend
Auch andere Tierarten sind schon deutlich früher unterwegs als üblich. So hat Ehret zum Beispiel auch schon einen Teichfrosch in seinem Garten sitzen sehen. „Das ist extrem ungewöhnlich, die kommen eigentlich erst im März oder April.“ Welche Auswirkungen das Januarwetter auf die Amphibien haben wird, dafür werden wohl die Temperaturen in den nächsten zwei Wochen entscheidend sein, wie Jochen Schäufele von der Nabu-Gruppe in Aspach erklärt. „Noch ist es schwer zu sagen, ob die Ersten schon auf Wanderschaft sind“, meint Schäufele. Dafür fehle in der Region der Überblick. „Wenn es in den nächsten Wochen so warm bleibt, kann die Amphibienwanderung schon Ende Januar beginnen.“
Beginnt die Amphibienwanderung zu früh, kann es Kälteverluste geben
Neben der Temperatur ist zwar für Frösche, Kröten und Molche auch das richtige Verhältnis von Tageslänge, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wichtig, damit die Frühjahrswanderungen beginnen. Bleibt die Temperatur allerdings weiterhin so mild, dann könne ab Ende Januar mit den ersten Fröschen und Molchen gerechnet werden. „Gerade die Frühwanderer wie der Grünfrosch können dann schon unterwegs sein“, erklärt Schäufele. Das kann dann zu einem Problem werden, wenn die Temperaturen im Februar wieder fallen, „wie es in den vergangenen Jahren immer wieder vorgekommen ist“. Einmal losgelaufen, stellen plötzliche Kälteeinbrüche nämlich eine große Gefahr dar. Wandernde Amphibien können sich zum einen nicht mehr rechtzeitig durch Eingraben vor der Kälte schützen und erfrieren. Zum anderen könne es zu Kälteverlusten kommen, sollte der Laich schon vorangeschritten sein. Wie genau sich das Wetter auf die Amphibien und deren Laich auswirken wird, das werde man in Aspach in den nächsten Wochen weiter beobachten, wenn die verschiedenen Laichgewässer kontrolliert werden, so Schäufele.
Bei winterschlafenden Säugetieren wie Igeln, Fledermäusen oder auch Bilchen kann es laut Nabu vereinzelt zu gravierenden Schwierigkeiten kommen. Diese werden über eine „innere Uhr“ gesteuert, sodass die Tiere nicht ständig bei milder Witterung aus dem Winterschlaf gerissen werden. Problematisch werde es allerdings, wenn länger anhaltende milde Phasen sich zu häufig mit Kälteeinbrüchen abwechseln. Denn jedes richtige Aufwachen bis hin zu normaler Aktivität und Nahrungssuche erfordere sehr viel Energie. Dann reichen die angelegten Fettreserven unter Umständen nicht mehr aus, um den Winter gut zu überstehen, so der Nabu. Wer im Winter also zum Beispiel einen aktiven Igel beobachtet, sollte dem Tier unbedingt helfen oder ihn in sachkundige Obhut geben.

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Manche Amphibien könnten sich deutlich früher auf Wanderschaft begeben. Symbolfoto: Pixabay