Mitsotakis will mit Deutschland über Reparationen verhandeln

dpa Berlin. Der neue griechische Ministerpräsident Mitsotakis will Europa zeigen, dass die Schuldenkrise überwunden ist und mit Kanzlerin Merkel den Blick nach vorne richten. Es gibt aber ein heikles Thema aus der Vergangenheit, das die Beziehungen belastet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt Griechenlands Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Foto: Christoph Soeder

Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt Griechenlands Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Foto: Christoph Soeder

Mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs will der neue griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mit der Bundesregierung über Reparationen für die von Deutschland verursachten Schäden verhandeln.

Nach seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte sich der konservative Regierungschef eine entsprechende Forderung der linken Vorgängerregierung zu eigen, die vor knapp fünf Monaten an die Bundesregierung gerichtet wurde. „Wir hoffen, dass es da eine positive Reaktion geben wird“, sagte Mitsotakis.

Gleichzeitig bat er die Bundesregierung um Unterstützung für seinen Reformkurs und deutsche Unternehmen um Investitionen in seinem Land. Seine Regierung wolle viel weitreichendere Reformen als die von der EU auferlegten umsetzen. „Da brauchen wir die Deutschen an unserer Seite.“ Er wolle mit Merkel Anfang kommenden Jahres ein „sehr ehrgeiziges Investitionsprogramm“ mit Schwerpunkt Klimaschutz vorstellen.

Mitsotakis hatte vor sieben Wochen nach dem Wahlsieg seiner konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) den linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras abgelöst. Die Regierung Tsipras hatte Deutschland Anfang April in einer diplomatischen Note formell zu Verhandlungen über Reparationen für Kriegsschäden aufgefordert. Mitsotakis und seine ND hatte diesem Schritt im Parlament zugestimmt, sich nach seiner Amtsübernahme aber noch nicht zu dem Thema geäußert.

Nach seinem Treffen mit Merkel machte er nun klar, dass er den Kurs Tsipras' in dieser Frage fortsetzen werde. Er setze darauf, dass das „schwierige Kapitel“ Reparationen bald geschlossen werden könne. Die Lösung dieses Problems sei „wichtig für die engere Zusammenführung unserer beiden Länder“. Es geht um einen dreistelligen Milliardenbetrag. Vor drei Jahren hatte eine griechische Expertenkommission des Parlamentes die Ansprüche auf bis zu 290 Milliarden Euro geschätzt.

Für die Bundesregierung ist das Thema mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990 allerdings rechtlich und politisch abgeschlossen. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem waren zahlreiche von Nazi-Deutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland und Polen an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat die deutsche Haltung deswegen kürzlich in Frage gestellt. „Die Position der Bundesregierung ist völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend“, heißt es in einem Gutachten zur Reparationsfrage. Griechenland habe - anders als Polen - nie auf Reparationen verzichtet und seine Ansprüche immer wieder geltend gemacht.

Merkel ging in der Pressekonferenz mit Mitsotakis nicht auf das Reparationsthema ein. Am diesem Sonntag jährt sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall auf Polen zum 80. Mal. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird zu den Gedenkfeiern nach Polen reisen. Möglicherweise wird auch er dort mit Entschädigungsforderungen konfrontiert. Die rechtskonservative polnische Regierung erhebt wie Griechenland Anspruch auf weitere Entschädigung von Deutschland, hat aber noch keine formelle Forderung gestellt.

Ein anderes Thema, dass die deutsch-griechischen Beziehungen lange belastet hat, will Mitsotakis zu den Akten legen: „Ich möchte nicht, dass wir uns nur über die Tilgung der Schulden, über Finanzziele unterhalten“, sagte er. „Nach einer etwa zehnjährigen Krise haben wir jetzt den Blick in die Zukunft gerichtet.“

Merkel betonte, die deutsch-griechischen Beziehungen seien gut, könnten aber intensiviert werden. „Ich glaube, die jetzige wirtschaftliche Reformagenda wird auch die Verpflichtungen, die Griechenland ja immer noch hat im Rahmen der Finanzprogramme, leichter erfüllbar machen.“ Die Kanzlerin hob hervor, dass die neue griechische Regierung Privatisierungen von Unternehmen viel schneller umsetzen wolle. „Das heißt, auch für deutsche Unternehmen ergeben sich Investitionsmöglichkeiten, und die wird sicherlich die deutsche Wirtschaft auch gerne nutzen.“

Merkel und Mitsotakis kündigten auch eine engere Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage an. Die Kanzlerin betonte, beide Länder stünden zum EU-Türkei-Abkommen. „Ich freue mich, dass ein Schwerpunkt der Arbeit der neuen griechischen Regierung darauf liegt, dieses Abkommen wirklich jetzt mit Leben zu erfüllen.“ Der eigentliche Mechanismus des Abkommens, dass Flüchtlinge zurückkehren, sei noch nicht in Gang gesetzt worden.

Deutsche Fallschirmjäger: Im Mai 1941 begann das deutsche Luftlandeunternehmen "Merkur" mit der Eroberung der strategisch wichtigen griechischen Insel Kreta. Foto: Archiv

Deutsche Fallschirmjäger: Im Mai 1941 begann das deutsche Luftlandeunternehmen "Merkur" mit der Eroberung der strategisch wichtigen griechischen Insel Kreta. Foto: Archiv

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Erstellt:
29. August 2019, 16:43 Uhr

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