Müllabfuhr lässt 2000 Biotonnen stehen

Weil immer mehr Plastiktüten, Verpackungen und anderer Restmüll in der braunen Tonne landen, hat der Abfallbetrieb des Landkreises in den vergangenen Wochen Kontrollen durchgeführt. Die Kampagne hat offenbar ihren Zweck erfüllt.

AWRM-Geschäftsführer Gerald Balthasar in der Biovergärungsanlage Neuschöntal: Aus Bioabfällen wird hier Methangas gewonnen, das in Strom und Wärme umgewandelt wird. Übrig bleiben am Ende Kompost und Flüssigdünger. Foto: A. Palmizi

© ALEXANDRA PALMIZI

AWRM-Geschäftsführer Gerald Balthasar in der Biovergärungsanlage Neuschöntal: Aus Bioabfällen wird hier Methangas gewonnen, das in Strom und Wärme umgewandelt wird. Übrig bleiben am Ende Kompost und Flüssigdünger. Foto: A. Palmizi

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. „Flip-Flops in der Oper?“ Das klingt irgendwie fehl am Platz, genauso wie „Laubbläser im Musikverein“ oder ein „Schwimmkurs auf dem Tennisplatz“. Mit solchen Beispielen, die in den vergangenen Wochen auf großen Plakatwänden im ganzen Rems-Murr-Kreis zu sehen waren, wollte die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWMR) auf eine andere, ebenso unpassende Kombination hinweisen: Plastik im Biomüll. Ihrem Ruf als Weltmeister der Mülltrennung werden die Deutschen nämlich offenbar immer seltener gerecht. „Störstoffe beeinträchtigen unseren Verarbeitungsprozess sehr stark“, erklärt AWRM-Geschäftsführer Gerald Balthasar. Denn auch wenn es in den Hallen der Biovergärungsanlage in Backnang-Neuschöntal ziemlich streng riecht, ist die Verarbeitung organischer Abfälle eigentlich eine saubere Sache. Bei 55 Grad vergären Bakterien die Bioabfälle, dabei entsteht Methangas. Der daraus produzierte Strom deckt den Bedarf von rund 3000 Haushalten. Übrig bleiben am Ende nur Biokompost und Flüssigdünger, die die AWRM an Landwirte und Gartenbesitzer verkauft.

Das alles funktioniert allerdings nur, wenn in den braunen Tonnen auch wirklich nur organische Abfälle entsorgt werden. Jede Plastiktüte, jede Verpackungsschale und jede Kaffeekapsel stört den Verarbeitungsprozess und muss deshalb mühsam ausgesiebt werden. Das kostet viel Geld und gelingt trotzdem nie zu 100 Prozent. „Deshalb beeinträchtigt es auch die Qualität unseres Komposts“, erklärt Balthasar.

Auch biologisch abbaubare Plastiktüten sind tabu.

Aus diesem Grund hat die AWRM Anfang August eine Kampagne unter dem Motto „fehl am Platz“ gestartet (wir berichteten). Diese setzte einerseits auf Appelle an die Bevölkerung – etwa mit besagten Plakaten –, andererseits aber auch auf Kontrollen und Sanktionen gegen Müllsünder. Dafür setzten die von der AWRM beauftragten Entsorgungsfirmen zum einen drei Müllfahrzeuge mit Metalldetektoren ein, zum anderen führten sie stichprobenartige Sichtkontrollen durch. Auf einzelnen Touren war dafür ein zusätzlicher Mitarbeiter mit dabei, der bei jeder Tonne den Deckel hob und diese auf sogenannte Fremdstoffe untersuchte. Wurde er fündig, blieb es in den ersten beiden Wochen noch bei einer „Gelben Karte“ in Form eines entsprechenden Anhängers an der Tonne. Ab dem 24. August wurden dann vier Wochen lang „Rote Karten“ verteilt, was bedeutete: Die Müllabfuhr ließ die falsch befüllten Tonnen ungeleert stehen.

Fast 2000-mal ist das innerhalb von vier Wochen passiert. Bei insgesamt mehr als 56000 kontrollierten Tonnen entspricht das einem Anteil von 3,5 Prozent. „Wir waren überrascht über die Höhe der Fehlwurfquote“, sagt Balthasar. Wobei es durchaus Unterschiede zwischen den Städten und Gemeinden im Rems-Murr-Kreis gab. Besonders hoch war der Prozentsatz der Beanstandungen in Waiblingen (8,2 Prozent) und Fellbach (7,3 Prozent), Backnang liegt mit einer Quote von 3,1 Prozent im Durchschnitt. Die Musterschüler in Sachen Mülltrennung wohnen in Berglen, wo lediglich in 0,57 Prozent der Tonnen Fremdstoffe gefunden wurden. Generell könne man sagen, dass das Problem in Städten größer sei als auf dem Land, erklärt Balthasar. Vor allem in größeren Wohnanlagen landet häufiger Restmüll in der Biotonne – vermutlich weil die Verursacher dort kaum zu ermitteln sind.

Allerdings stecke auch nicht hinter allen Verstößen böser Wille, weiß der AWRM-Geschäftsführer. So gebe es Plastikbeutel, die vom Hersteller als „biologisch abbaubar“ beworben werden. „Allerdings braucht es zwölf Wochen, bis sie verrotten, und unser Verarbeitungsprozess dauert nur vier Wochen“, erklärt Balthasar. Deshalb seien auch diese Tüten nicht geeignet, um Biomüll darin zu entsorgen. Wobei aus Sicht des AWRM-Chefs gar nichts dagegen spricht, die Bioabfälle in der Küche in Plastiktüten zu sammeln. Nur müsse man diese Tüten eben über der Biotonne ausleeren und anschließend im Restmüll entsorgen.

„Die Qualität des Biomülls ist deutlich besser geworden.“

Der „erzieherische Effekt“, den der Abfallbetrieb des Landkreises mit seiner Kampagne erzielen wollte, ist offenbar eingetreten. „Die Qualität des Biomülls ist deutlich besser geworden“, stellt Gerald Balthasar fest, „das ist genau das, was wir erreichen wollten.“

Bleibt nur die Frage, wie lange dieser Effekt anhält. Deshalb werde man auch weiterhin Müllfahrzeuge mit Metalldetektoren einsetzen und falsch befüllte Biotonnen stehen lassen. Letztlich setzt man bei der AWRM aber vor allem auf die Einsicht der Menschen im Rems-Murr-Kreis. Denn je schlechter sie den Müll trennen, desto höher sind die Kosten. Und die bezahlen am Ende wieder die Bürger mit ihren Müllgebühren.

Zwischen organischen Abfällen fanden die Kontrolleure häufig Verpackungen.

Zwischen organischen Abfällen fanden die Kontrolleure häufig Verpackungen.

Kurioser Fund in der braunen Tonne: Ein Dachziegel hat dort nichts verloren. Fotos: AWRM

Kurioser Fund in der braunen Tonne: Ein Dachziegel hat dort nichts verloren. Fotos: AWRM

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Erstellt:
24. September 2020, 06:00 Uhr

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