Erfolgreiches Stadtmarketing

Nichts zu bereuen: Preis für Reutlingens Negativ-Kampagne

„Herzlich willkommen und tut uns leid“ – so wurden im vergangenen Jahr Besucher in Reutlingen auf Plakaten begrüßt. Die provokante Kampagne hat nun einen Preis gewonnen.

Für den Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck ist die Werbekampagne ein voller Erfolg gewesen.

© privat

Für den Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck ist die Werbekampagne ein voller Erfolg gewesen.

Von Eberhard Wein

Klar, das REU in Reutlingen kommt von bereuen. Das hat eine ziemlich freche und bundesweit beachtete Stadtmarketing-Kampagne im vergangenen Jahr enthüllt. Jetzt wird klar: dass die Stadt Reutlingen für diese Negativ-Werbung 25 000 Euro ausgegeben hat, ist in jedem Fall kein Grund zu Reue. Tatsächlich hat die Stadt nämlich eine ganze Menge bekommen für ihr Geld. Mehr als 190 Millionen Kontakte habe die Kampagne generiert. Das entspreche einem Anzeigenäquivalenzwert von rund 4,5 Millionen Euro.

Ausgerechnet hat das die Jury des Effie Germany Awards. Er gilt als eine der renommiertesten Preise der deutschen Werbe- und Kommunikationsbranche und zugleich als härteste Währung in dem Geschäft, da er nicht nur kreative Ideen, sondern vor allem deren nachweisbare Wirkung auszeichnet. In diesem Jahr geht er an die Kommunikationsagentur „Die Kavallerie“. Das Unternehmen aus der Nachbarstadt Tübingen hatte die eigenwillige Kampagne erdacht. „Reutlingen kannst du nicht mögen“, lautete der Slogan auf den Plakaten. Der Zusatz „Nur lieben“ folgte erst später als Pointe.

Provokation war Teil der Strategie

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kampagne schon bundesweit für Furore gesorgt und war zum viralen Hit geworden. Medien von Bild bis Tagesschau berichteten. Udn viele Reutlinger fragten sich, wer ihre Stadt auf Großplakaten so schlecht machte: „Wir müssen dir leider mitteilen: du bist in Reutlingen“, erfuhren Reisene beim Aussteigen am Bahnhof. „Leben, wo keiner Urlaub macht“, hieß es weniger Schritte weiter oder: „Große Achalm, nichts dahinter“ im Anblick des Reutlinger Hausbergs.

Bei einer Gala in Leipzig am 13. November wird der Preis verliehen. „Ein solches mediales Interesse kann man Auftraggebern nicht versprechen, aber dass die Auftaktphase Wellen schlagen wird, war uns bewusst und zentraler Teil der Strategie“, sagte Mark Pelzer, Mitgründer und Geschäftsführer von „Die Kavallerie“. „Die Kampagne bringt Reutlingen neu ins Gespräch – vor Ort bei den Bürgern als auch in ganz Deutschland – und zeigt, dass Stadtmarketing nicht nur plakativ, sondern vor allem emotional und partizipativ ist“, sagte Anna Bierig, Geschäftsführerin von Stadtmarketing Reutlingen. Denn den provokanten Plakatsprüchen ließen die Macher trotzige Liebeserklärungen von besonderen und auch ganz normalen Reutlingern folgen. Am Ende war in Reutlingen eben doch viel dahinter.

Selbstironisch, so will die Stadt Reutlingen ihre Plakate verstanden wissen: Mit Sprüchen wie diesen wird man derzeit in Reutlingen begrüßt.

© StZN/Buchmann

Selbstironisch, so will die Stadt Reutlingen ihre Plakate verstanden wissen: Mit Sprüchen wie diesen wird man derzeit in Reutlingen begrüßt.

Die eigene Stadt wird dabei in Frage gestellt.

© StZN/Buchmann

Die eigene Stadt wird dabei in Frage gestellt.

Auch einen augenzwinkernden Vergleich mit Berlin scheut Reutlingen nicht.

© StZN/Buchmann

Auch einen augenzwinkernden Vergleich mit Berlin scheut Reutlingen nicht.

Die Plakate ziehen Aufmerksamkeit auf sich...

© StZN/Buchmann

Die Plakate ziehen Aufmerksamkeit auf sich...

... „entschuldigen“ sich bei Bahnreisenden...

© StZN/Buchmann

... „entschuldigen“ sich bei Bahnreisenden...

...und zeichnen ein trostloses Bild der Stadt.

© StNZ/Buchmann

...und zeichnen ein trostloses Bild der Stadt.

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Erstellt:
19. Oktober 2025, 05:16 Uhr

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