Oberbürgermeister als Entertainer auf dem Straßenfest

Straßenfest-Geschichte(n) Von Anfang an war das Backnanger Straßenfest auch ein wichtiges Podium für den amtierenden Oberbürgermeister. Für das Stadtoberhaupt bedeutet das Fest vier Tage Dauereinsatz, vor allem bei der Eröffnung steht der OB im Blickpunkt.

Unfreiwillige Comedy-Einlage bei der Straßenfest-Eröffnung 1996: Oberbürgermeister Jürgen Schmidt trifft beim Fassanstich nicht den Zapfhahn, sondern den Bierkrug, der dabei zu Bruch geht. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Unfreiwillige Comedy-Einlage bei der Straßenfest-Eröffnung 1996: Oberbürgermeister Jürgen Schmidt trifft beim Fassanstich nicht den Zapfhahn, sondern den Bierkrug, der dabei zu Bruch geht. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Kornelius Fritz

Backnang. Bei öffentlichen Veranstaltungen vor Publikum zu sprechen, das gehört für einen Oberbürgermeister zum Alltag. Die Eröffnungsrede beim Backnanger Straßenfest war aber selbst für einen erfahrenen Redner wie Frank Nopper nie Routine. „Das war schon immer eine echte Drucksituation“, erinnert sich der heutige Stuttgarter Oberbürgermeister, der das Fest insgesamt 18-mal eröffnet hat. Das liegt zum einen an der großen Kulisse auf dem proppenvollen Marktplatz, aber auch an der Erwartungshaltung. Die Gäste kommen in Feierlaune, sie wollen unterhalten und nicht gelangweilt werden. „Da muss jedes Wort sitzen“, weiß Nopper.

An seiner Straßenfest-Rede hat der ehemalige Backnanger OB deshalb immer besonders lange gefeilt. Seine Witze hat er vorher auch noch von verschiedenen Rathausmitarbeitern prüfen lassen. Denn Nopper weiß: „Zwischen genial und total daneben ist oft nur ein schmaler Grat.“ Wenn es ihm allerdings gelang, dass der ganze Marktplatz lachte, dann hatte der OB mal wieder Sympathiepunkte gesammelt, die sogar im Hinblick auf die nächste Wahl hilfreich sein können. „Ich glaube schon, dass so ein Auftritt für die Popularität eines Oberbürgermeisters eine wichtige Rolle spielen kann“, sagt Frank Nopper und erinnert an seinen Stuttgarter Amtsvorgänger Manfred Rommel. Der habe die Eröffnung des Cannstatter Volksfests stets als seine wichtigste Rede des Jahres bezeichnet.

Unter Frank Nopper wurde die Eröffnung groß zelebriert

Die Eröffnung durch den Oberbürgermeister ist schon seit der Premiere im Jahr 1971 fester Bestandteil des Backnanger Straßenfests. Im ersten Jahr habe OB Martin Dietrich das Fass aber noch direkt am Bierstand angezapft, erinnert sich Klaus Erlekamm, der das Fest damals als Hauptamtsleiter organisierte. Ab 1972 fand die Eröffnung dann immer auf der Marktplatzbühne statt. In ihren Reden griffen die Oberbürgermeister zwar durchaus auch aktuelle Themen auf, anders als etwa beim Neujahrsempfang ging es hier aber nicht primär um Politik. „Jeder OB hat auch ein paar Sprüche und Bonmots eingebaut“, erinnert sich Erlekamm.

Manchmal gab’s auch ungeplante Lacher. So wie 1996, als OB Jürgen Schmidt beim Fassanstich statt des Zapfhahns den Bierkrug traf, der in Stücke zerbrach. Im folgenden Jahr brachte die Brauerei sicherheitshalber eine bruchsichere Kupferkanne mit. Vorgänger Hannes Rieckhoff bewies an dieser Stelle mehr Treffsicherheit: „Er hat den Fassanstich sogar mal mit einem einzigen Schlag geschafft“, erinnert sich Klaus Erlekamm. Ob der OB dafür heimlich geübt hatte, wisse er allerdings nicht.

Fahnenschwinger, Freibier und prominente Gäste

Frank Nopper ließ die Eröffnungsfeier nach seinem Amtsantritt 2002 noch größer zelebrieren als seine Vorgänger. Fahnenschwinger umrahmten nun den Fassanstich, der OB zapfte Freibier und prominente Ehrengäste wie Andrea Berg und Vanessa Mai bevölkerten den Marktplatz. „Das Straßenfest hat für Backnang eine identitätsstiftende Wirkung. Deshalb habe ich das immer sehr stark kultiviert“, erklärt Nopper. Nicht zuletzt war es auch der OB selbst, der den Festauftakt mit seinen Reden prägte. Wenn er ein schwäbisches Liebesgedicht an „unser Straßenfest“ vortrug („Oh Stroßafescht, oh Stroßafescht, dei Zauber mi net schlafe lässt“) oder Backnang zur „gefühlten Hauptstadt des Murr-Rems-Kreises“ ernannte, war ihm der Jubel der Festgäste sicher.

Freibier vom OB: Diese Tradition führte Frank Nopper ein, hier im Jahr 2016 mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Michael Balzer (links) und Waldfee Sonja Bischoff. Foto: Edgar Layher

© Edgar Layher

Freibier vom OB: Diese Tradition führte Frank Nopper ein, hier im Jahr 2016 mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Michael Balzer (links) und Waldfee Sonja Bischoff. Foto: Edgar Layher

Doch nicht nur bei der Eröffnung waren und sind die Backnanger Oberbürgermeister beim Straßenfest gefordert. Auch an den anderen Tagen ist ihre Präsenz gefordert: „Ich war fast rund um die Uhr vor Ort und bin selten vor 2 Uhr nachts ins Bett gekommen“, erinnert sich Jürgen Schmidt, der heute in Frankfurt lebt. So muss sich der OB zum Beispiel um die Delegationen aus den Partnerstädten kümmern, die zum Straßenfest nach Backnang reisen. Auch viele Vereine, die Stände betreiben, erwarten, dass sich das Stadtoberhaupt bei ihnen blicken lässt. Und der feierliche Zapfenstreich mit dem Städtischen Blasorchester am Montagabend ist sowieso ein Pflichttermin.

Kommt ein Oberbürgermeister da eigentlich auch mal privat zum Feiern? „Nein“, sagt Frank Nopper, „man ist in diesen Tagen vor allem OB, was aber nicht heißt, dass man nicht auch mal in netter Runde zusammensitzt.“ Seine Rückkehr nach Backnang am kommenden Freitag wird für Nopper aber ein ganz neues Erlebnis: Erstmals kann er als Gast ohne Verpflichtungen an einer Straßenfest-Eröffnung teilnehmen.

Maximilian Friedrich tüftelt an seiner Premierenrede

Stattdessen steht nun erstmals Maximilian Friedrich im Blickpunkt. Mit Fassanstichen hat der neue OB zwar aus seiner Zeit als Bürgermeister in Berglen schon Erfahrung, doch ein Auftritt vor so vielen Zuschauern ist für ihn Neuland. Mit einer „Mischung aus kribbeliger Aufregung und wohliger Vorfreude“ sehe er seiner Premiere entgegen, erklärt Friedrich, der sich bereits intensiv auf seine Eröffnungsrede vorbereitet.

Schon seit Jahresbeginn hat er sich immer wieder Stichworte notiert, nun geht es darum, die Rede auszuformulieren und daran zu feilen. „Bei einer Rede im Freien kann man nicht davon ausgehen, dass einem alle Leute konzentriert zuhören“, weiß Friedrich. Deshalb sei es nicht nur wichtig, besonders laut und deutlich zu sprechen, sondern auch den einen oder anderen Überraschungsmoment einzubauen. Keinesfalls will er aber versuchen, seinen beliebten Vorgänger nachzuahmen: „Frank Nopper hat immer gute Reden gehalten und damit natürlich auch Maßstäbe gesetzt, aber jeder hat seinen eigenen Stil“, betont Friedrich.

Dass es ihm vorbehalten ist, das Jubiläumsfest zu eröffnen, empfindet der gebürtige Backnanger als große Ehre. Schon als Kind war er zusammen mit seinem Vater, der Bürgermeister von Auenwald war, bei den Eröffnungsfeiern auf dem Marktplatz dabei. Zuletzt hat er sich beim Straßenfest immer mit Freunden und Jahrgangskollegen aus Schulzeit und Studium getroffen. Die haben nun ihr Kommen zur Eröffnung angekündigt, sodass der OB zumindest am Rande vielleicht auch Zeit für das eine oder andere Privatgespräch finden wird.

Eröffnungsrede am Bierstand: OB Martin Dietrich bei der Premiere 1971. Repro: Peter Wolf

Eröffnungsrede am Bierstand: OB Martin Dietrich bei der Premiere 1971. Repro: Peter Wolf

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Erstellt:
21. Juni 2022, 06:00 Uhr

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