Neue Rektorin der Plaisirschule mit tierischer Unterstützung

Seit September leitet Christine Nagel die Backnanger Plaisirschule. Die 53-Jährige unterrichtet bereits seit 17 Jahren an der Grundschule, seit 2015 war sie Konrektorin. In dieser Zeit hat sie viele Projekte angestoßen und begleitet, die sie nun als Schulleiterin weiterführen will.

Lucy und ihre zehn Artgenossen führen ein glückliches Leben an der Plaisirschule. Christine Nagel hatte vor sechs Jahren die Idee für das Schulhühner-Projekt.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Lucy und ihre zehn Artgenossen führen ein glückliches Leben an der Plaisirschule. Christine Nagel hatte vor sechs Jahren die Idee für das Schulhühner-Projekt.Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Lehrerin oder Tierärztin? Vor dieser Entscheidung stand Christine Nagel bei der Berufswahl. Sie entschied sich fürs Lehramt, aber Tiere spielen in ihrem Leben noch immer eine wichtige Rolle. Privat hält sie zwei Hunde und ein Pferd, und auch im Beruf setzt die neue Rektorin der Plaisirschule auf tierische Unterstützung. Mischlingshund Luka begleitet sie schon seit Jahren regelmäßig in den Unterricht. Vor sechs Jahren hatte die damalige Konrektorin dann die Idee, Hühner anzuschaffen. Seitdem gackert und kräht es auf der Wiese hinter der Schule und die Mitglieder der Hühner-AG kümmern sich hingebungsvoll um Hahn Roland und seine zehn Hennen.

Dass sie solche Ideen umsetzen kann, macht für Christine Nagel die Plaisirschule aus: „Hier habe ich die Möglichkeit, Dinge zu gestalten.“ Zunächst als Lehrerin, dann sieben Jahre als Konrektorin und nun als Schulleiterin. Der Schritt von der zweiten in die erste Reihe sei schon eine Umstellung gewesen, räumt Christine Nagel ein. Zum Unterrichten kommt sie jetzt kaum noch, stattdessen muss sie sich mit Budgetplänen und Bauvorhaben beschäftigen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konrektorenstelle noch unbesetzt ist. Zum Glück werde sie aber von ihrem Kollegium gut unterstützt, freut sich die neue Rektorin.

In Südafrika erlebte sie als Kind noch die Prügelstrafe

Dass sich die 53-Jährige um die Nachfolge von Annedore Bauer-Lachenmaier beworben hat, die sich im Sommer in den Ruhestand verabschiedete, lag auch daran, dass sie viele Projekte an der Plaisirschule seit Jahren begleitet und ihr Herz daran hängt. „Diesen Weg möchte ich gerne weitergehen“, sagt Nagel. Bevor eine Rektorin von außen kommt, die vielleicht ganz andere Pläne hat, macht sie es lieber selbst. Die Entscheidung, Lehrerin zu werden, hat bei Christine Nagel auch mit ihren eigenen Erfahrungen als Schülerin zu tun. Geboren in Hagen in Nordrhein-Westfalen, musste sie schon als Kind mehrfach umziehen, unter anderem lebte ihre Familie zweieinhalb Jahre in Südafrika. „Dort wurden Schüler noch mit Schlägen mit dem Rohrstock bestraft“, erinnert sich Nagel. Und auch wenn ihr selbst die Züchtigungen erspart blieben, reifte in ihr der Wunsch, sich für eine andere Art von Pädagogik einzusetzen.

2005 wechselte Christine Nagel an die Plaisirschule nach Backnang

Nach der Rückkehr nach Deutschland und dem Abitur in Nürtingen entschied sie sich deshalb für ein Lehramtsstudium. Die Herbert-Hoover-Schule in Stuttgart-Freiberg und die Ludwig-Uhland-Schule in Schwaikheim waren ihre ersten Stationen als Lehrerin, jeweils unterbrochen durch Familienzeiten nach der Geburt ihrer drei Kinder. 2005 wechselte Christine Nagel schließlich an die Plaisirschule, nachdem sie bereits drei Jahre zuvor mit ihrer Familie nach Backnang gezogen war.

An der reinen Grundschule fühlte sie sich von Anfang an wohl und engagierte sich auch über den eigenen Unterricht hinaus. Etwa im Projekt „schulreifes Kind“, bei dem Lehrerinnen in Kindergärten gehen, um die künftigen Abc-Schützen auf den Schulstart vorzubereiten. Auch beim Thema Inklusion war Christine Nagel ganz vorne dabei: Sie war Klassenlehrerin der ersten Regelklasse, in der auch Kinder mit Behinderung unterrichtet wurden. Ihre Erfahrungen waren sehr positiv: „Die ganze Klasse hat davon profitiert, der Gemeinschaftssinn war sehr stark ausgeprägt.“

Es gibt hier Hochbegabte und Kinder mit Förderbedarf

Wobei der gemeinsame Unterricht für Kinder mit sehr unterschiedlichem Leistungsstand und Lerntempo an einer Grundschule ohnehin Alltag ist. „Es gibt hier Hochbegabte und Kinder mit Förderbedarf. Wir müssen sie alle gleichermaßen annehmen“, sagt die Schulleiterin. Die Plaisirschule hat deshalb die sogenannte „Indi-Zeit“ eingeführt. Mindestens eine Stunde am Tag bekommen die Schülerinnen und Schüler individuelle Aufgaben, die ihrem jeweiligen Lernstand entsprechen.

Ebenso wichtig sind für Nagel aber auch Projekte, die die Klasse gemeinsam erlebt. Dafür bieten sich zum Beispiel Erfahrungen in der Natur an. Die Plaisirschule ist nicht nur zertifizierte Naturparkschule, sondern darf sich seit diesem Jahr auch „Ackerschule“ nennen. Gleich neben dem Hühnerstall befindet sich der Schulgarten, in dem die Kinder Mais, Kartoffeln und Gemüse anbauen. Immer wieder hat Christine Nagel erlebt, dass hier plötzlich Schüler ihre Stärken zeigen, die in Deutsch oder Mathematik eher zu den Schwächeren gehören. Und noch immer staunt die Rektorin darüber, mit welchem Appetit die Kinder am Ende den selbst angebauten Mangold gegessen haben. „Ich bin mir sicher, den hätten sie sonst nicht angerührt.“

Die Rektorin ist überzeugt: Schule braucht keine Noten

Die Erkenntnis, dass man Lernerfolge nicht immer mit einer Zahl zwischen 1 und 6 abbilden kann, hat auch dazu geführt, dass sich die Plaisirschule am landesweiten Schulversuch „Lernförderliche Leistungsrückmeldung in der Grundschule“ beteiligt (wir berichteten). Kurz gesagt geht es dabei um eine Schule ohne Noten, bei der Schüler und Eltern stattdessen regelmäßig mündliche und schriftliche Rückmeldungen zum Lernstand erhalten.

Christine Nagel steht voll hinter diesem Konzept: „Was hilft es einem Kind, wenn es weiß, dass es schlecht ist?“, fragt sie. Statt den Schülern eine Fünf ins Zeugnis zu schreiben, sieht sie die Aufgabe der Schule darin, den Kindern die Unterstützung anzubieten, die sie brauchen, um die Lernziele zu erreichen. Das mag manchmal mühsam sein und eine Menge Durchhaltevermögen verlangen. Doch daran mangelt es Christine Nagel nicht: Schließlich hat die passionierte Langstreckenläuferin schon mehrere Ultramarathons gemeistert.

Zum Artikel

Erstellt:
17. November 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.

Stadt & Kreis

Osterräuchern des Angelsportvereins Althütte

Forellen im Rauch: Seit 30 Jahren räuchert Ralf Wurst die unterschiedlichsten Fische. Beim Osterräuchern des Angelsportvereins Althütte sind es jedes Jahr einige Hundert Forellen. Wie es der 49-jährige Vereinsvorsitzende macht, erläutert er Schritt für Schritt.