Rems-Murr-Kreis: Wärmeplanung zielt auf Nutzen für Bürger
Während Kreisstädte wie Backnang im Prozess der kommunalen Wärmeplanung bereits weit fortgeschritten sind, stehen kleinere Kommunen großteils noch am Anfang. Backnangs Klimamanagerin hofft, bis Jahresende die meisten Bürgerfragen beantworten zu können.

Das Pilotquartier Backnang-Süd erstreckt sich vom Kuchengrund über die Straße Im Blütengarten bis zur Spritnase an der B14. Das Wohn- und Mischgebiet gehört zu den Maßnahmen, die die Stadt kurzfristig angeht. Es gibt Dialogprozesse mit Gewerbetreibenden, etwa über Abwärmepotenziale, und Wohnungseigentümern auf Quartiersebene. Erste Förderanträge sind laut Simone Lebherz gestellt. Foto: Werner Kuhle
Von Nicola Scharpf
Rems-Murr. Kommt in meiner Straße ein Wärmenetz? Und wenn ja, wann kommt es? „Das sind die Fragen, die die Menschen beantwortet haben möchten“, sagt Simone Lebherz. Als städtische Klimamanagerin ist sie neben dem Stadtplanungsamt an der kommunalen Wärmeplanung beteiligt und findet es „vernünftig, dass Wärmeplanung zum Ziel haben muss, diese Fragen zu beantworten“. So soll es künftig Karten des Stadtgebiets mit Farbkennzeichnung geben, aus denen ersichtlich sei, in welchem Bereich wann mit einem Wärmenetz zu rechnen ist.
Nutzbar und konkret müsse die Wärmeplanung sein, damit Bürger von einer höheren Investitionssicherheit bei künftigen Umbaumaßnahmen profitieren könnten. Die Klimamanagerin nimmt die Perspektive der Bürger ein, wenn sie sagt: „Die rasante technische Weiterentwicklung ist das, was es kompliziert macht bei Entscheidungen, die für zwanzig plus x Jahre getroffen werden. Das ist eine Herausforderung.“ Lebherz stellt in Aussicht, dass es bis Ende des Jahres konkrete Antworten geben wird – verspricht das aber nicht für alle Backnanger Gebiete.
Bis Ende des Jahres muss Backnang fünf Maßnahmen liefern
Aus dieser zeitlichen Einschätzung geht hervor, dass der Prozess der kommunalen Wärmeplanung in Backnang nicht mehr in den Kinderschuhen steckt – kann er auch nicht, schließlich verpflichtet in Baden-Württemberg das Klimaschutzgesetz von 2021 alle Stadtkreise und Städte mit mehr als 20000 Einwohnern, bis Ende des Jahres zu liefern: Mindestens fünf Maßnahmen müssen sie benennen, die sie in den nächsten fünf Jahren beginnen. Im Mai hatte die Stadtverwaltung im Ausschuss für Technik und Umwelt diese Vorhaben vorgestellt (wir berichteten). Es geht um Energiemanagement und Sanierungspläne für 80 öffentliche Nichtwohngebäude, um Sanierungsmanagement in Quartieren wie dem Gebiet Backnang-Süd von der Straße Im Blütengarten bis ins Industriegebiet Kuchengrund sowie um den Stadtteil Strümpfelbach, es geht um Fotovoltaik-Freiflächenanlagen, neue Wärmenetze, Sanierungsoffensiven.
Ein Abschlussbericht soll die Planung im Herbst beenden
Nachdem die Stadt als Vorbild in Sachen Energiemanagement und energetische Sanierung vorangehen will, soll es im Lauf des Jahres einen Sanierungsbericht geben, „damit wahrgenommen wird, wo die Stadt saniert“, so Lebherz. Das Gebäude in der Postgasse 5 sei so ein Beispiel: Dort wurde der Heizöltank gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht und es gibt eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. „Man sieht dem Gebäude leider gar nicht an, dass es jetzt eine deutlich bessere Energiebilanz hat als vorher.“
Die Klimamanagerin rechnet damit, dass die Wärmeplanung für Backnang mit einem Abschlussbericht im Herbst beendet werden könne. Wie schnell es in die Umsetzung vor Ort gehe, hänge von konkreten Planungen und dem Handlungsbedarf ab. Beispiel Strümpfelbach: Aufgrund einer Vielzahl an alten Heizungsanlagen – 88 Prozent der Wärme wird aus Heizöl gewonnen – bestehe in dem Stadtteil „großer Austauschdruck“, so Lebherz.
Klar sei zudem, dass sich eine Nahwärmeversorgung in dem Ort „nicht darstellen lässt“. „Schön ist das nicht, aber es macht keinen Sinn, den Menschen Hoffnungen zu machen.“ Strümpfelbach soll daher zum Wärmepumpenquartier werden und das gehört zu jenen ersten Maßnahmen, die die Stadt angeht. In Backnang hat es seit 2022 Wärmetische gegeben, auch künftig sollen Expertenrunden dort veranstaltet werden, wo Wärmenetze realisiert werden können.
Viele Gemeinden stehen noch am Anfang
Bestandsaufnahme, Analyse der Potenziale, Entwerfen von Zielszenarien: In Backnang hat all das bereits stattgefunden. Nachdem kleinere Kommunen in Baden-Württemberg, anders als die Städte, bislang noch nicht zur Wärmeplanung verpflichtet waren, stehen viele von ihnen im Gegensatz dazu noch am Anfang. Das Land stellt ihnen Fördermöglichkeiten von bis zu 80 Prozent der förderfähigen Kosten in Aussicht, wenn sie auf freiwilliger Basis in die Planung einsteigen.
So hatten die Kommunen der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft mit Backnang im Juli eine Auftaktveranstaltung für ihren Konvoi. Die Gemeinderäte Großerlach, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr fassten im Juni die Grundsatzbeschlüsse, dass sie einen Konvoi bilden und die Wärmeplanung interkommunal angehen (wir berichteten).
Die Antragsstellung für die Fördergelder ist in der Vorbereitung und geht über die Energieagentur Rems-Murr gGmbH, die den Konvoi betreut, an den Fördergeldgeber, sagt Spiegelbergs Bürgermeister Uwe Bossert über den aktuellen Stand. „Wir hoffen, dass wir schnell einen Bewilligungsbescheid bekommen. Das wird aber definitiv nicht mehr in diesem Jahr sein.“ Mit mindestens sechs bis acht Monaten Wartezeit sei zu rechnen – ebenso damit, dass die Gemeinden vor Ort trotz der externen Betreuung bei der Wärmeplanung „umfangreich mitermitteln“ müssen. Nicht nur, weil eine Wärmeplanung strategisch sinnvoll sein kann, um die Wärmewende anzugehen, hätten die drei Kommunen sich für den Einstieg entschieden, so Bossert. Es zeichne sich ab, dass auch kleineren Gemeinden eine gesetzliche Verpflichtung auferlegt werde – dann aber eventuell keine Fördermöglichkeit mehr bestehe.
Neues Gesetz verpflichtet nun alle Gemeinden
Mitte August nun beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf, der die kommunale Wärmeplanung für alle Gemeinden zur Pflicht macht und vorsieht, dass die Pläne bis spätestens Juni 2028 vorliegen müssen. Für Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner bestätigt das, „dass es gut war, sich bereits auf eigener Basis auf diesen Weg zu begeben“. Man wollte sich für die Zukunft und für die Weiterentwicklung der Nähwärmesparte der eigenen Stadtwerke dieser Aufgabe stellen.
Die Murrhardter Stadtwerke bereiten aktuell einen Förderantrag für eine kommunale Wärmeplanung vor – so hatten es die Gremien beschlossen. Derzeit würden im Bereich Marktplatz Gebäude neu angeschlossen und bei der Sanierung der Karlstraße werde das Nahwärmenetz erweitert bis zur Zügelstraße. Eine weitere Aufgabe sei die Steigerung des erneuerbaren Anteils an der Wärmeversorgung auf 100 Prozent. Aktuell seien einige Blockheizkraftwerke mit im Einsatz, für die andere wirtschaftliche Lösungen gefunden werden müssten hin zu diesem Ziel, so Mößner weiter.
Es dauert mindestens ein Jahr, die Pläne operativ zu erstellen
Obwohl viele Kommunen in Sachen Wärmeplanung bereits aktiv sind, scheint es im Rems-Murr-Kreis dennoch Informationsbedarf zu geben: Die Energieagentur lud kürzlich Vertreter der Landkreiskommunen in ein, um den Prozess der kommunalen Wärmeplanung vorzustellen. Aus der Hälfte der Gemeinden folgten insgesamt rund 25 Teilnehmer der Einladung. Am Anfang eines jeden Wärmeplans stehe eine aufwendige Suche nach Bestandsdaten, informiert die Energieagentur. Es folge die Potenzialanalyse mit der Suche nach regenerativen Wärmeversorgungsmöglichkeiten.
Nach dem Abgleich mit städtebaulichen Berichten und Planungen müsse die Kommune eine möglichst klimaneutrale Wärmeversorgungsstruktur ableiten. Mindestens ein Jahr sollte für die operative Erstellung einer Wärmeplanung kalkuliert werden, so die Einschätzung eines Planungsexperten. Aus Sicht der Energieagentur lohne sich der Aufwand, da die kommunale Wärmeplanung ein wichtiger Baustein zu Klimaneutralität, Preisstabilität und Versorgungssicherheit sei.