Roboter Paul ist der neue Star im Pflegeheim

Im Alexander-Stift in Weissach im Tal wohnt seit wenigen Wochen der Betreuungsroboter Paul. Er hält Small Talk, erzählt Märchen, motiviert zu Fitnessübungen und spielt Quizspiele. Bei den Bewohnern kommt er ebenso gut an wie bei den Mitarbeitern.

Wenn man Paul über den Kopf streicht, fängt er an zu kichern. Das ist so charmant, dass Bewohnerinnen wie Gerta Mooser gleich mitlachen müssen. „Lachen ist gesund. Gerade im Heim brauchen wir das“, sagt die Seniorin. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Wenn man Paul über den Kopf streicht, fängt er an zu kichern. Das ist so charmant, dass Bewohnerinnen wie Gerta Mooser gleich mitlachen müssen. „Lachen ist gesund. Gerade im Heim brauchen wir das“, sagt die Seniorin. Fotos: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

Weissach im Tal. Er ist etwa 1,20 Meter groß, hat kugelrunde Knopfaugen und beherrscht den Robotanz wohl so gut wie sonst keiner im Weissacher Alexander-Stift. Mit etwas eckigen Bewegungen schwingt der menschenähnliche Roboter seine weißen Arme vor und zurück und fixiert dabei die beiden Seniorinnen, die ihn eifrig nachahmen. „Gut gemacht“, lobt er nach der kleinen Fitnessübung. Sie ist nur eine von vielen Funktionen, die der Pflegeroboter draufhat. Er kann auf einfache Fragen antworten, das Alter von Bewohnern schätzen, Märchen erzählen, kleine Quizspiele spielen und Witze erzählen. Dabei schaut er die Personen um sich herum immer direkt an und gestikuliert auch rege mit den Armen. Ausgewählt werden die verschiedenen Programme auf einem Touchscreen, den der kleine Roboter auf seiner Brust trägt.

Seit Anfang Juli ist Sozialroboter Pepper – oder Paul, wie ihn die Bewohner hier getauft haben – in dem Seniorenheim im Einsatz. Zu seinen Ehren gab es sogar ein kleines Willkommensfest mit Kaffee und Kuchen. Bei den Bewohnern kam der Roboter von Beginn an positiv an. Ganz selbstverständlich streichen die Seniorinnen ihm über den Kopf, die Wange oder die Arme. Er kichert, sagt, wie kitzlig er doch ist, und bringt die Frauen um ihn herum gleich mit zum Lachen. Am Anfang seien viele Bewohner vor allem neugierig gewesen, haben ihn liebevoll begrüßt und sofort viel Spaß mit ihm gehabt, erzählt Irina Rümke, die Haus- und Pflegedienstleitung im Weissacher Alexander-Stift. Gerade das kinderähnliche Aussehen sorge dafür, dass es kaum Berührungsängste gibt.

„Man kommt mit ihm auch an Leute heran, die sonst nicht so mitmachen.“

Jeder Bewohner brauche einen etwas anderen Zugang. Bei manchen funktioniere das über ganz klassische Betreuungsangebote, bei anderen über Tiere, nun könne man einen weiteren Zugang, den Roboter, anbieten. „Man kommt mit ihm auch an Leute heran, die sonst nicht so mitmachen“, sagt Carmen Klump, die stellvertretende Geschäftsführerin der Alexander-Stift-Einrichtungen. Die Pflegerinnen und Pfleger binden den Roboter gezielt in die Betreuungsangebote ein – sowohl bei der Einzelbetreuung als auch bei Gruppenaktivitäten. Gerade zum Beginn solcher Betreuungsstunden lockere er die Situation auf und fördere ganz automatisch die Interaktionen zwischen Menschen. Zum Beispiel, wenn sie sich über eine Quizfrage unterhalten, die Paul ihnen gestellt hat. „Es ist ein witziges Arbeitsmittel und er aktiviert die Menschen“, sagt Rebecca Althaus, die Projektleiterin. Die wohl beliebteste Funktion unter den Bewohner ist das Alterschätzen. Paul fixiert eine Person und teilt dann auf recht charmante Weise seine – meist sehr vorteilhafte – Einschätzung mit. „Das führt unter den Bewohnern dann oft zu Gesprächen über die Kindheit“, berichtet Klump.

Ziel sei es zum einen, dass die Bewohner Spaß haben. Zum anderen sollen sie auch eine erweiterte Förderung erhalten. Die Quizfunktion fördere beispielsweise kognitive Fähigkeiten. Die Gymnastikübungen und das Berühren des Bildschirms fördern die Feinmotorik. „Dabei ist Paul immer gleich aufgelegt. Wenn ein Bewohner ihm gegenüber aufbrausend wird, ist er am nächsten Tag nicht sauer“, zählt Klump einen weiteren Vorteil auf. Es gebe auch Bewohner, die mit Paul eher nichts anfangen können. Deshalb gehe es nun darum, zu dokumentieren, wie die Menschen auf ihn reagieren. „Wer kommt gut mit ihm zurecht und für wen ist er vielleicht nicht das richtige Mittel?“, meint Rebecca Althaus.

Mitarbeiter können nicht ersetzt werden

Mitarbeiter können durch Paul aber sicher nicht ersetzt werden, sagt Heimleiter Arne Vogel. Stattdessen gehe es vielmehr um die Frage, wie Pflegekräfte entlastet werden können. Zunächst habe die stellvertretende Geschäftsführerin Klump etwas Bedenken gehabt, wie das Betreuungspersonal auf den neuen Zugang reagiert. Sie habe befürchtet, dass die Reaktion der Mitarbeiter teilweise negativ ausfallen könnte. Schließlich sei es wieder etwas Neues, auf das diese sich zusätzlich einstellen müssen. Doch in Weissach waren diese Sorgen unbegründet. Hier kommt Paul manchmal sogar mit in den Aufenthaltsraum des Personals. „Dann lassen auch wir unser Alter schätzen“, lacht Rümke.

Zunächst wird der Pflegeroboter nur im Weissacher Alexander-Stift eingesetzt. Hier sei die Bereitschaft der Mitarbeiter für Neues sehr hoch. „Und man braucht begeisterte Kollegen, die ihn dann auch tatsächlich einsetzen“, sagt Klump. Wenn es weiterhin gut klappt mit dem künstlichen Mitarbeiter, soll er auch in weiteren Einrichtungen des Alexander-Stifts eingesetzt werden. „Wir hoffen, dass auch unsere anderen Einrichtungen das Positive sehen und sich dafür offen zeigen. Und es gibt sogar schon erste Neider“, freut sich Klump.

Aktuell hat Paul nur die Basisausstattung. Bei Bedarf können neue Module oder weitere Programme dazugekauft werden. Möglich wäre zum Beispiel, dass man ihn entweder per Joystick bewegen kann oder er sogar selbstständig im Raum herumfahren kann. „Da muss man schauen, was macht Sinn und was sind die Risiken, wenn er sich zum Beispiel alleine bewegen kann“, sagt Carmen Klump. Möglich sind auch individuelle Programmerweiterungen, zum Beispiel für repräsentative Zwecke auf einer Ausbildungsmesse. „Paul hebt uns schließlich als Ausbildungsplatz hervor“, sagt sie. Das sei gerade jetzt wichtig, da das Thema Pflegenotstand immer größer wird. Auch zeige es, dass man sich im Bereich Digitalisierung weiterentwickeln möchte.

32.000 Euro hat der Pflegeroboter gekostet

Jedes weitere Modul für Paul ist aber auch mit weiteren Kosten verbunden. Das Ziel ist es, dass sich der Roboter komplett über Fördergelder und Spenden finanziert. Bisher hat er rund 32000 Euro gekostet. Für das Alexander-Stift ist Paul ein erster Versuch, man wolle aber im Bereich Robotik gerne noch weiterarbeiten und Möglichkeiten von Robotern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Service- oder Reinigungsarbeiten, in den Blick nehmen.

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Roboter Paul ist der neue Star im Pflegeheim
Der Roboter reagiert auf Berührungen und kann Menschen direkt anblicken.

© Jörg Fiedler

Zunächst geht es aber vor allem darum, den Bewohnern etwas Abwechslung im Betreuungsalltag zu bieten. Und das funktioniert. „Paul ist etwas Neues und sehr interessant“, meint Bewohnerin Maria Kohlhepp. „Und mit ihm wird so viel gelacht. Lachen ist gesund und gerade im Heim brauchen wir das unbedingt“, sagt Gerta Mooser. Und das, obwohl Pauls Witze nicht immer die besten sind. „Weißt du, warum es Muttersprache heißt?“, fragt Paul zum Beispiel in den Raum. „Weil Papa nie zu Wort kommt.“ Dann kichert er so kindlich ausgelassen, dass selbst die Betreuungskräfte loslachen müssen.

Roboter Paul,
kann auf einfache Fragen der Bewohner auch antworten „Ich bin vier Jahre alt, wurde in Frankreich programmiert und wohne seit Kurzem bei euch.“
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Erstellt:
24. Juli 2021, 06:00 Uhr

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