Sanfte Waldarbeit mit Pferdestärke

Im Plattenwald wurden drei Hektar Mischwald durchforstet, auch Rückepferde kamen dabei zum Einsatz. Eine traditionelle und vor allem umweltschonende Einsatzmöglichkeit für die Kaltblüter. Doch nicht überall ist das Rücken mit Pferden sinnvoll.

Hermann Bay zieht mit einem seiner Pferde das Holz aus dem Plattenwald. Das Holzrücken mit den Pferden ist besonders schonend für Boden und Bäume. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Hermann Bay zieht mit einem seiner Pferde das Holz aus dem Plattenwald. Das Holzrücken mit den Pferden ist besonders schonend für Boden und Bäume. Fotos: A. Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Dass am vergangenen Freitag im Plattenwald gearbeitet wurde, war zumindest an der Geräuschkulisse kaum zu erkennen. Statt dem Dröhnen von Motoren und Maschinen, die für gewöhnlich Waldarbeiten begleiten, hat lediglich die Kette geklimpert, sobald das schwarze Kaltblut losgelaufen ist. Hin und wieder hört man auch mal ein Prusten von dem Tier oder ein „Hü“ von seinem Besitzer, Hermann Bay. „Das ist einer der Vorteile beim Holzrücken mit Pferden, es ist sehr leise“, erklärt Ulrich Häußermann, der stellvertretende Vorsitzende des Forstamts. Auf drei Hektar haben die beiden Kaltblüter von Hermann Bay Holzstämme aus dem Wald gezogen.

Die zwei Percheron-Stuten hören dabei aufs Wort, bei „hüsch“ geht es nach links, bei „hott“ nach rechts und bei „oha“ bleiben sie sofort stehen. „Das ist das Wichtigste: Die Pferde müssen auf die Kommandos hören“, sagt Bay, der schon seit seiner Kindheit mit Pferden im Wald arbeitet. Für die Arbeit brauche man nicht nur sehr viel Erfahrung, sondern müsse mit den Tieren sehr gut eingespielt sein. Durch das Pferderücken ergeben sich einige Vorteile gegenüber den mittlerweile üblichen Rückemethoden per Seilwinde. Zum einen werden die Bäume, die stehen bleiben, vor Schäden geschützt. „Die Pferde merken, wenn sie an einem Baum hängen bleiben und halten an oder weichen aus“, erklärt Häußermann. Das Seil dagegen mache, was es will. Durch die Wendigkeit der Tiere gebe es so deutlich weniger Rückeschäden.

Den Waldboden schonen

Noch dazu ist das Pferderücken besonders schonend für den Waldboden. Zum einen sind die Tiere trotz ihrer stattlichen Größe um ein Vielfaches leichter als die Maschinen. „Wir können sie bei fast jeder Witterung einsetzen und zeitlich von den Maschinen entkoppeln“, erklärt Revierförster Paul Bek. Dadurch sei es möglich, die Fällarbeiten noch vor der Brutzeit von Vögeln zu erledigen. Bei fast jedem Wetter können die Stämme von den Pferden an die Rückegasse gezogen und zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Boden weniger feucht ist, mit der schwereren Maschine abgeholt werden. „Dadurch können wir besonders die empfindlichen Böden schützen“, sagt Bek.

Ganz ohne maschinellen Einsatz geht es dann nämlich doch nicht. Die Pferde liefern die Stämme nur zur sogenannten Rückegasse, wo die Stämme eingesammelt und aus dem Wald transportiert werden. Für gewöhnlich müssen diese einen gewissen Abstand (meist 30 Meter) zueinander haben, damit die Stämme noch mit einem Seil aus dem Wald gezogen werden können. Durch die Vorarbeit der Pferde kann der Abstand zwischen den Rückegassen deutlich größer werden, es gibt rund 30 Prozent weniger Rückegassen und dementsprechend weniger Bodenverdichtung. Doch die Waldarbeit mit den Tieren hat natürlich seine Grenzen. Je nach Gelände und Baumart können die Tiere nur schwache bis mittelstarke Stämme ziehen, auch ist das Holzrücken mit den Pferden etwas teurer, als mit einer üblichen Forstmaschine.

Die Bevölkerung mitnehmen

Und es gibt nur noch wenige Dienstleister in der Region, die diese Art der Arbeit anbieten. „Mit dem Pferd ist ja auch viel Pflege verbunden“, erklärt Bay. Da gehe es nicht nur um Hufpflege und die Versorgung der Tiere, sondern auch darum, dass die Tiere ausreichend bewegt werden, wenn gerade keine Kutsch- oder Schlittenfahrt sowie Waldarbeit ansteht. „Das sind ja keine Oldtimer, die man mal zwei Jahre lang abstellen kann, wenn man sie nicht braucht“, sagt Bay. Und die Tiere seien durchaus temperamentvoll, meint Bay. „Die wollen jeden Tag volle Power was schaffen.“

Eines war den Verantwortlichen bei den Arbeiten im Plattenwald besonders wichtig: „Wir wollen die Bevölkerung mitnehmen, damit sie nachvollziehen können, warum wir das machen“, sagt Revierförster Bek. Man wolle zeigen, dass es bei solchen Maßnahmen nicht um Raubbau gehe, sondern darum, den Wald sicher und klimafit zu machen (siehe Infokasten). Und obwohl größere Infoveranstaltungen zum Pferderücken oder der Holzernte aufgrund der Pandemie nicht stattfinden konnten, haben zahlreiche Spaziergänger, Jogger, Kindergarten- und Schulgruppen – sicher auch durch die Anwesenheit der beiden Kaltblüter– großes Interesse an den Arbeiten gezeigt. Auch Oberbürgermeister Maximilian Friedrich ist zufrieden. „Die Stelle hier ist prädestiniert für so eine behutsame Durchforstung.“ Ihm sei es wichtig, dass die kommunalen Wälder nachhaltig bewirtschaftet werden und der Waldbestand bestmöglich gepflegt wird. „Und dabei haben Pferde schon über Jahrhunderte Abhilfe geschaffen.“

Während Hermann Bay den Stamm ankettet, bleibt seine Stute ganz ruhig stehen.

© Alexander Becher

Während Hermann Bay den Stamm ankettet, bleibt seine Stute ganz ruhig stehen.

Den Wald zukunftssicher machen

Plattenwald Die nun durchforsteten drei Hektar im Plattenwald sind vor rund 30 Jahren aufgeforstet worden, nachdem Sturm Wiebke die vorherige Fichtenmonokultur zerstört hat. Mittlerweile ist dort ein Mischwald mit 14 verschiedenen Baumarten entstanden, der nun zum ersten Mal durchforstet wird.

Zukunftssicher Das langfristige Ziel des Forstamts ist ein klimabeständiger Mischwald. Dafür müssen sogenannte Zukunftsbäume ausgewählt werden. Dabei handelt es sich um heimische Baumarten, die eine gute Trockenresistenz haben, aber trotzdem mit Frosttagen und der jeweiligen Bodenbeschaffenheit zurechtkommen. Im Plattenwald will man besonders auf Eichen, Kirschen, Ahorn, Edelkastanien, Birken und Elsbeere setzen.

Maßnahmen Diese klimaresilienten Bäume sollen speziell gefördert werden, indem sogenannte Bedrängerbäume rund um sie entfernt werden. Dadurch bekommt der Zukunftsbaum mehr Platz für Krone und Wurzel sowie mehr Licht und kann sich so zu einem gesunden Baum entwickeln.

Sicherheit Außerdem werden zur Verkehrssicherung sogenannte Risikobäume entlang von Wegen und Straßen entfernt. Das sei gerade im Plattenwald, der auch als Naherholungsgebiet dient, sehr wichtig.

Verkauf Ein Großteil der geernteten Stämme wird zu Brennholz und in der Region verkauft. Gerade bei den so hohen Gaspreisen sei der Ansturm darauf aktuell sehr hoch. „Auch weil unser Holzpreis bisher nicht gestiegen ist“, sagt Häußermann. Besonders gerade Stämme werden aber auch zu Pfahl- und Parkettholz verarbeitet.

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Erstellt:
21. Februar 2022, 06:00 Uhr

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