Schnäppchenjagd in Waldrems vor der Fahrradsaison

Die Radbörse des RSV Waldrems erhält am Wochenende ordentlich Rückenwind durch das wunderbare Radelwetter. Fahrräder, Roller und jede Menge Zubehör stehen zum Verkauf. Der Verein ist mit der Veranstaltung zufrieden, spürt aber die Konkurrenz durch die digitalen Plattformen.

Die neunjährige Amelie Kindler (vorne) ist bereit, sich von ihrem pink-weißen Kinderrad der Marke Delta zu trennen. Doch ob sich ein vor allem in der Größe passender Käufer dafür findet, ist eine andere Frage. Fotos: Tobias Sellmaier-

© Tobias Sellmaier

Die neunjährige Amelie Kindler (vorne) ist bereit, sich von ihrem pink-weißen Kinderrad der Marke Delta zu trennen. Doch ob sich ein vor allem in der Größe passender Käufer dafür findet, ist eine andere Frage. Fotos: Tobias Sellmaier-

Von Kai Wieland

Backnang. Türkisblau wie das Meer vor Capri leuchtet das Mädchenfahrrad von Pegasus, Modell Bici Italia, in der Sonne. „Das ist ja ein Megafahrrad“, entfährt es einer jungen Besucherin. „Das Megafahrrad kann man auch kaufen“, antwortet der nebenstehende Herr, gefolgt von beiderseitigem Gelächter. Neu habe es 400 Euro gekostet, erzählt er, jetzt ist das offenbar nur zweimal von der Tochter gefahrene Rad für 180 Euro zu haben. Ob es zum Deal kommt? Erst mal noch etwas umschauen!

Digitale Plattformen machen Konkurrenz

Bei schönstem Frühlingswetter ist die Laune gut bei der Radbörse des RSV Waldrems, die am Samstagmorgen auf den Parkplätzen vor der Radsporthalle stattfindet. Schon auf dem Weg zum Gelände kommen einem die ersten Testradler und erfolgreichen Schnäppchenjäger entgegen. Zum wievielten Mal der RSV zur Radbörse eingeladen hat, kann der erste Vorsitzende Jürgen Winter gar nicht genau sagen. „Auf jeden Fall mehr als 35-mal.“ Man habe sich das Konzept damals von den Skibörsen abgeschaut und von Anfang an Erfolg damit gehabt, erinnert sich Winter. „In den 80ern waren manchmal bis zu 1000 Leute da.“ Heute erreiche man diese Zahlen zwar nicht mehr, weil mittlerweile vieles über die digitalen Kanäle verkauft werde, doch um die 500 bis 600 Menschen – darunter sowohl Käufer als auch Verkäufer – seien bei gutem Wetter möglich. „Wir haben immer noch den Vorteil, dass man die Räder hier anfassen und probefahren kann.“ Die ersten Verkäufer sind meist schon eine Stunde vor dem Startschuss vor Ort, erklärt Winter. Überhaupt sei es ratsam, gleich zu Beginn sein Glück zu versuchen, ergänzt der stellvertretende Vorsitzende Sebastian Kotb. „Die besten Sachen gibt es am Anfang.“

Schnäppchenjagd in Waldrems vor der Fahrradsaison

© Tobias Sellmaier

Der Eintritt zur Börse kostet 2,50 Euro (Familientarif sechs Euro), egal ob man etwas kaufen, verkaufen oder sich einfach nur umschauen möchte. „Bei uns läuft es nicht wie bei vielen Skibörsen, bei denen man seine Sachen vorher abgibt, damit sie dann zentral verkauft werden und der Veranstalter an jedem Geschäft mitverdient. Es hat eher Flohmarktcharakter“, sagt Winter. Wie das Verhältnis von Angebot und Nachfrage aussieht – bisweilen scheinen dann doch mehr Räder als potenzielle Kunden auf dem Gelände versammelt –, ist daher schwer zu sagen. Zumal nicht wenige der Anwesenden in beide Kategorien fallen. Strategisch in der Mitte des Feldes platziert hat sich etwa Sonja Karl samt Schwiegerfamilie Kindler, die gemeinsam einen mehrköpfigen Ein- und Verkaufstross aus drei Generationen bilden. Über den metaphorischen Tresen gehen soll unter anderem das pink-weiße Kinderfahrrad der Marke Delta von Amelie Kindler. Die Neunjährige hat mittlerweile die Körpergröße von anderthalb Metern überschritten und ist dem Flitzer damit entwachsen. Gleichzeitig soll ein neues Fahrrad her. Für das einst neu gekaufte Rad hätte man gerne 80 Euro, lässt Sonja Karl wissen, die zum ersten Mal auf der Radbörse ist. „Es waren schon einige Interessenten da, aber es muss eben auch von der Größe her passen.“

Auch E-Bikes finden den Weg zur Börse

„Verkauft wird alles, was Räder hat“, heißt es auf dem Werbeplakat des Radsportvereins und so finden sich vor Ort nicht nur sämtliche Arten von Fahrrädern, vom 700-Euro-Mountainbike bis hin zum Jugendrad für 20 Euro einschließlich sämtlichem Zubehör, sondern auch Skateboards, Inliner, Tretroller und sogar – ganz so genau nimmt es der Veranstalter dann doch nicht – hier und da eine Hockeyausrüstung oder ein Paar Tennisschläger.

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Und auch das eine oder andere E-Bike steht zum Verkauf. Für 900 Euro bietet Friedrich Kirchhof aus Backnang das alte Pegasus-Rad seiner Frau an, die mittlerweile auf einem neueren Modell radelt. Ob sich zu diesem Preis auf der Börse ein Käufer findet? „Notfalls nehme ich es wieder mit“, sagt Kirchhof schulterzuckend, er betrachte das als Versuch. In der Vergangenheit, „das ist aber schon gut 20 Jahre her“, habe er hier jedenfalls schon durchaus erfolgreich Kinder- und Jugendräder gekauft und verkauft. „Für Preise zwischen 15 und 100 Euro hat man damals gute Sachen bekommen.“

Jürgen Winter bestätigt, dass der E-Bike-Trend mittlerweile auch bei der Radbörse angekommen sei, obwohl es sich überwiegend um günstige Modelle handle. „Wir sind nicht die Plattform für das hochpreisige Segment, das muss man schon klar sagen“, erklärt er. „Den Großteil machen Kinder- und Jugendräder aus. Ein Mountainbike für 700 Euro ist schon eher die Obergrenze.“

Tradition und Einnahmequelle

Hochwertige Räder findet man dennoch auf der Börse, denn mit Bikes’n’Boards ist erstmals auch ein kommerzieller Anbieter mit von der Partie. Nicht nur Fahrräder, sondern auch Zubehör, Trinkflaschen und Kleidung stehen rund um die Pavillons für interessierte Besucher bereit. „Wir sind mit unserer normalen Ladenware da, aber für uns geht es hier weniger ums Verkaufen“, erklärt der Backnanger Filialleiter Christoph Bobleter, der gute Beziehungen zu den Mitgliedern des RSV Waldrems pflegt und die Radbörse als Privatperson bereits seit Jahrzehnten besucht. „Wir sind präsent und gut sichtbar. Es ist für uns vor allem Werbung.“ Zwischendurch sind auch immer wieder seine Expertise als Fahrradschrauber oder seine Reifenpumpe gefragt.

Vom hochwertigen E-Bike bis hin zum Fünf-Euro-Tretroller ist bei der Radbörse in Waldrems so ziemlich das gesamte Spektrum vertreten.

© Tobias Sellmaier

Vom hochwertigen E-Bike bis hin zum Fünf-Euro-Tretroller ist bei der Radbörse in Waldrems so ziemlich das gesamte Spektrum vertreten.

Die Einnahmen aus dem Eintritt und dem Verkauf von Speisen seien für den Verein ein wichtiges, wenn auch kleineres Einkommen, erklärt Jürgen Winter. „Wir machen es aber auch aus Tradition.“ Am frühen Mittag ist das meiste dann gelaufen und die Radböse leert sich. Vor den Parkplätzen steht eine junge Frau aus Waldrems und fotografiert ein kleines, pinkes Kinderfahrrad, welches sie nicht losgeworden ist. „Es wurde einmal probegefahren, aber dann hat es von der Größe wegen ein paar Zentimetern nicht gepasst“, sagt sie. „Ich habe hier manchmal schon gut verkauft, aber letztes Jahr war deutlich mehr los.“ Und was wird aus dem Kinderfahrrad? „Das stelle ich jetzt ins Internet.“

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Erstellt:
11. März 2024, 16:00 Uhr

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