Löfven erneut zum schwedischen Ministerpräsidenten gewählt

dpa Stockholm. Schwedens alter Ministerpräsident ist auch der neue: Das Parlament, das Stefan Löfven erst vor einem halben Monat aus dem Amt gekegelt hatte, spricht ihm nun die Unterstützung aus.

Stefan Löfven kehrt in das Amt des Ministerpräsidenten von Schweden zurück. Foto: Anders Wiklund/TT NEWS AGENCY/AP/dpa

Stefan Löfven kehrt in das Amt des Ministerpräsidenten von Schweden zurück. Foto: Anders Wiklund/TT NEWS AGENCY/AP/dpa

Stefan Löfven ist neun Tage nach seinem Rücktritt in Folge eines Misstrauensvotums erneut zum Ministerpräsidenten von Schweden gewählt worden.

Der Sozialdemokrat erhielt bei einer Abstimmung im schwedischen Parlament am Mittwoch die nötige Unterstützung für das politische Spitzenamt. Er kann nun erneut eine rot-grüne Minderheitsregierung aufstellen.

„Der Reichstag hat mir das Vertrauen gegeben, Schweden weiterhin zu führen“, konstatierte der 63-Jährige nach der Abstimmung. „Das ist ein großes Vertrauen. Ich schultere die Aufgabe mit Entschlossenheit und Respekt.“ Zugleich machte er klar, dass die politischen Probleme längst nicht vom Tisch seien. Die Lage im Reichstag sei weiter sehr beschwerlich, daran bestehe kein Zweifel, sagte er.

Krise nicht durchgestanden

Wie schwierig die Lage ist, zeigte sich auch bei dem Parlamentsvotum: Löfven kam dabei zugute, dass er keine eigene Mehrheit an Ja-Stimmen benötigte - vielmehr reichte ihm, dass keine Mehrheit der 349 Abgeordneten gegen ihn votierte. 116 Abgeordnete stimmten schließlich für ihn, 60 enthielten sich, während sich 173 gegen ihn aussprachen - 175 Nein-Stimmen wären notwendig gewesen, um seinen erneuten Weg ins Amt des Regierungschefs zu verhindern.

Der seit 2014 regierende Löfven wird nun am Freitag sein neues Kabinett präsentieren. Seine bisherige rot-grüne Minderheitsregierung war vor zwei Wochen im Zuge eines Streits mit der Linkspartei um die Mietpreisbindung bei Neubauten per Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden. Erstmals war damit ein Regierungschef in Schweden mit solch einem Votum zu Fall gebracht worden.

Löfven hatte daraufhin eine Woche Zeit, um sich zwischen Rücktritt und Neuwahl zu entscheiden. Anfang vergangener Woche reichte er seinen Rücktritt ein, worauf sein Kabinett zur Übergangsregierung wurde und die Suche nach einer neuen Regierung begann. Dabei erhielt der Chef der Moderaten, Ulf Kristersson, als Erster die Chance zur Regierungsbildung. Er gab bereits vor Ablauf der Frist auf. Dann war Löfven an der Reihe, um sich die nötigen Mehrheiten zu verschaffen.

Diese sind nun abermals äußerst dünn: Rot-Grün hat gemeinsam lediglich 116 der 349 Parlamentssitze inne - das sind die 116, die nun für Löfven stimmten. Eine hauchdünne Mehrheit von insgesamt 175 Stimmen hat er somit nur mit Hilfe der Linken und der Zentrumspartei, die sich bei dem Votum jeweils enthielten, um ihn so durchzuwinken.

Bandenkriminalität in Schweden

Schweden wird in Deutschland häufig als vorbildhafter Wohlfahrtsstaat betrachtet. Doch auch im hohen Norden gibt es Probleme: Zum einen wäre da die noch immer nicht durchgestandene Pandemie, in der das Land einen vielbeachteten Sonderweg mit vergleichsweise lockeren Corona-Maßnahmen gewählt hat. Zum anderen ringen die Schweden mit der Bandenkriminalität, die sich immer wieder durch Angriffe mit Schusswaffen und vorsätzlich herbeigeführte Explosionen zur Schau stellt. Zuletzt war ein Polizist erschossen worden, als er in einem Problembezirk in Göteborg mit anderen zusammengestanden hatte.

Gerade beim Kampf gegen die Kriminalität wird Löfven immer wieder vom bürgerlichen Lager kritisiert. In den sieben Jahren unter dem Sozialdemokraten hätten sich die Gesellschaftsprobleme in Schweden nur verstärkt, monierte Moderaten-Chef Kristersson vor dem Votum. „Wir werden kompromisslos gegen die organisierte Kriminalität vorgehen“, konterte Löfven danach. Es gebe noch eine Menge zu tun.

Parteienkonstellation kompliziert

Darüber hinaus ist es für Löfven in den vergangenen Jahren deutlich schwieriger geworden, politische Mehrheiten zu finden. Die klassische Konstellation mit zwei etwa gleich starken Lagern - ein linksgerichtetes mit den Sozialdemokraten an der Spitze und ein bürgerliches unter Führung der Moderaten - ist durch das Erstarken der rechtspopulistischen Schwedendemokraten komplizierter geworden.

Der frühere Gewerkschafter Löfven war deshalb nach der Parlamentswahl 2018 nach monatelangen Verhandlungen ein Abkommen mit dem Zentrum und den Liberalen eingegangen. Die beiden Parteien zählen eigentlich zum bürgerlichen Block, unterstützten Löfven aber im Gegenzug für Zugeständnisse. Löfven setzte zudem auf die Stimmen der Linken, die ihn bei dem Misstrauensvotum vor zwei Wochen aber fallen ließen.

Löfven muss sich nun weiter als äußerst kompromissbereiter Verhandler zeigen, um politisch handlungsfähig zu bleiben. Das Abkommen mit der Zentrumspartei und den Liberalen ist Vergangenheit, das Zentrum weigert sich zudem, der Linkspartei Einfluss zu gewähren. Den Grünen wiederum passen die Reformforderungen nicht, an die das Zentrum seine Unterstützung für Löfven gekoppelt hat. Bereits bei den Verhandlungen über den nächsten Staatshaushalt im Herbst dürften dem alten und neuen Ministerpräsidenten somit erneute Probleme ins Haus stehen. Die nächste Parlamentswahl in Schweden ist im September 2022 vorgesehen.

© dpa-infocom, dpa:210707-99-285416/8

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Erstellt:
7. Juli 2021, 05:03 Uhr

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