Sie retten Fundhasen, päppeln Katzen auf

Sommerreportage: Seit 1970 nimmt das Tierheim in Erlach Hunde, Katzen und Kleintiere auf. Die meisten der jährlich rund 350 Tiere bleiben nur vorübergehend, für andere ist es die letzte Station. Für die Mitarbeiter ist die Arbeit zwar sehr erfüllend, oft aber auch herausfordernd.

Geschäftsführerin Avana Eder (links) und Tierheimleiterin Marion Bentrup stehen am Eingang des Erlacher Tierheims. Die blaue Plakette zeigt, dass es besonders tierfreundlich ist. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Geschäftsführerin Avana Eder (links) und Tierheimleiterin Marion Bentrup stehen am Eingang des Erlacher Tierheims. Die blaue Plakette zeigt, dass es besonders tierfreundlich ist. Fotos: J. Fiedler

Von Melanie Maier

Grosserlach. Als die Besucher um die Ecke kommen, bellen alle Hunde. Alle bis auf Olga. Die blonde Labrador- oder Golden-Retriever-Mischlingshündin steht ruhig in ihrem Zwinger und wedelt mit dem Schwanz. So, als hätte sie mit dem Lärm um sich nichts zu tun. „Sie ist erst gestern zu uns gekommen“, erklärt Tierheimleiterin Marion Bentrup. „Noch hat sie nicht das Gefühl, dass sie ihren Zwinger verteidigen muss.“ Die 54-Jährige mit dem grauen Dutt und dem roten T-Shirt führt zusammen mit Avana Eder, der ehrenamtlichen Geschäftsführerin, durch ihren Arbeitsplatz. Seit mehr als 20 Jahren leitet Marion Bentrup das 1970 eröffnete Tierheim in Erlach.

Im Hundehaus „Sybille“ leben derzeit elf Hunde in den Zwingern. Sie haben jeweils einen Außen- und einen Innenbereich mit Decken und Hundekörbchen. Einmal täglich dürfen die Tiere außerdem in ihren Auslauf, einen abgegrenzten Bereich auf der Wiese gegenüber den Zwingern, auf dem je eine Hundehütte und ein Unterschlupf aus Holz stehen. Um mit jedem Hund spazieren zu gehen, dafür reiche die Zeit fast nie, erklärt Marion Bentrup. Ehrenamtliche Mitarbeiter übernehmen die Aufgabe. Oder sie spielen mit den Katzen im Katzenhaus nebenan.

Dort teilen sich meist mehrere Katzen ein Zimmer mit angrenzendem Außengehege. Nur wenige sind alleine, weil sie sich mit ihren Artgenossen nicht verstehen. In jedem Katzenzimmer sind Katzenkörbe, Decken, Futternäpfe, Katzenklos, Spielzeug – und ein Sisalteppich, der vom Regal hängt. „Den lieben die Katzen tausendmal mehr als einen Kratzbaum“, sagt Avana Eder. Ihre dunkelgrauen Haare hat die 52-Jährige zu einem Zopf geflochten, der ihr bis zum Oberschenkel reicht. „Was auch immer gut ankommt, sind Kartons. Darin können sie sich gut verstecken“, erklärt sie. Wie um das Klischee zu bestätigen, hüpft das schwarz-weiß gemusterte Katzenkind Faby in die Pappschachtel rechts neben dem Eingang. Ihr Zimmer teilt sie sich mit vier weiteren Kätzchen und Katzenmama Freja. „Sie kam im Juni mit ihren Jungen zu uns aus einer ganz komplizierten Haltung“, sagt Marion Bentrup. Was sie damit meint: eine Messiewohnung, die geräumt werden musste. Für die Katze und ihre Babys haben die Halter sich nicht mehr interessiert.

Der Job im Tierheim ist nicht für jeden etwas, sagt Marion Bentrup. „Er ist körperlich und psychisch extrem anstrengend.“ Körperlich, weil die Tierheimmitarbeiter den Vormittag quasi nur mit Putzen verbringen: Sie spritzen die Hundezwingerböden mit dem Dampfstrahler, schleppen die Katzenklos zum Reinigungsraum und zurück, säubern die Kaninchenställe und die Meerschweinchengehege. „Ich sag immer: Das ist wie im Krankenhaus“, sagt Marion Bentrup. Sauberkeit hat oberste Priorität.

Eine psychische Herausforderung ist es für sie und die anderen Mitarbeiter, zu ertragen, wie manche Menschen mit Tieren umgehen. Odie zum Beispiel, ein verspielter fünf oder sechs Monate alter schwarz-weißer Kater, kam vor gut einer Woche mit blutiger Nase und verklebten Augen ins Tierheim. Er war sehr dünn und schmutzig, hatte Schnupfen. Noch befindet er sich in der Eingangsquarantäne. Darin muss er bleiben, bis er gesund ist, eine Wurmkur und alle Impfungen erhalten hat.

Odie genießt die Aufmerksamkeit sichtlich. Er spielt mit seinem Ball, beißt in eine Kartonklappe. „Die Boxen sind alle so eingerichtet, dass sich die Tiere beschäftigen können“, sagt Marion Bentrup. Und mit Blick auf Odie: „Er ist mit Sicherheit zig Wochen nicht versorgt worden.“ Sie streckt dem Kätzchen einen Finger entgegen. Odie tapst sofort mit der Pfote dagegen. „Sobald er sich ein bisschen erholt hat, sollen seine Augen operiert werden“, sagt sie. „Mal schauen, ob wir sie retten können.“

Für die Tiere, die es nicht schaffen, die im Tierheim sterben, haben Ehrenamtliche hinter dem Häuschen, in dem momentan die Meerschweinchen untergebracht sind, einen kleinen Garten mit Steinen angelegt. Auf ihnen stehen die Namen der Tiere in bunten Farben. Lisa, Robin und Jessy kann man da zum Beispiel lesen; um die Steine wachsen Farn und orange blühende Rosen.

Dass die fünf Meerschweinchen nicht dauerhaft in ihrem aktuellen Heim bleiben sollen, liegt daran, dass das Tierheim bald erweitert werden soll. Die Zustimmung der Gemeinde liege schon vor, berichtet Geschäftsführerin Avana Eder. Geplant ist ein Neubau mit Platz für Kleintiere, einem Waschraum und einer Vogelvoliere. Denn aktuell hat das Tierheim noch keinen Raum für Vögel.

Die exotische Kröpfertaube Nakambe ist aus diesem Grund provisorisch in einem Quarantänezimmer untergebracht. „Das ist eigentlich nicht artgerecht“, sagt Marion Bentrup. Sie hofft darauf, dass sich bald ein Zuhause für den Vogel findet. Nakambe zeigt sich unbeeindruckt von den Menschen in ihrem Zimmer. Sie bleibt in einer Ecke sitzen und rührt sich nicht. Trotz Fotoblitz.

Interessenten haben sich für die Taube bisher noch nicht gemeldet. Sie können zurzeit nur in das Tierheim kommen, nachdem sie einen Termin vereinbart haben. Vor der Pandemie war das anders, da konnte man während der Öffnungszeiten einfach vorbeischauen. Doch auch wenn Corona vorbei ist, möchten Marion Bentrup und Avana Eder diese Regelung weiter beibehalten. Die Tiere seien viel entspannter und es sei ein viel besserer Service, erklärt die Geschäftsführerin. Außerdem könne schon vor einem Besuch abgeklärt werden, ob überhaupt ein Tier dabei ist, das passen könnte, ergänzt ihre Kollegin. Sind zum Beispiel gar keine Wohnungskatzen da, können sich manche die Anfahrt sparen. Das Tierheim liegt am Rand von Erlach, idyllisch neben Wald und Weiden. Die Abgeschiedenheit hat Vorteile: Es gab nie Probleme mit Jugendlichen, die die Tiere aus Spaß erschrecken. Zugleich ist es schwieriger, Ehrenamtliche zu finden.

Unterstützung erhält das Tierheim aber häufig. Erst am Morgen stand eine Kiste mit Hunde- und Katzenfutter vor dem Eingang. „Jede Dose hilft“, betonen beide Frauen. Die Kosten für die Operationen der Tiere, für den Tierarzt, der einmal die Woche kommt, für die Hundetrainerin, die zweimal wöchentlich da ist, für Futter und die Putzmittel werden hauptsächlich mit Spendengeldern bestritten.

Dass jemand sein Tier abgeben muss oder möchte, dafür haben sie Verständnis. „Es kann immer einmal sein, dass einen die Situation überfordert“, so Marion Bentrup. Die psychischen Folgen der Pandemie etwa machen sich auch im Tierheim bemerkbar. Was sie nicht nachvollziehen kann, ist, wenn Tiere ausgesetzt werden; wie vor ein paar Tagen die nur fünf oder sechs Wochen alten Kätzchen, die eine Spaziergängerin im Wald entdeckt hat. Ein glücklicher Zufall, stimmt Avana Eder zu: „Sonst hätten sie kaum eine Überlebenschance gehabt.“

Das Tierheim in Erlach bietet Termine nur nach Vereinbarung an. Ausmachen kann man diese telefonisch unter 07193/6585 oder per E-Mail an info@tierschutzverein-backnang.de. Weitere Informationen, auch zu Mitgliedschaft und Spendenmöglichkeit, unter www.tierschutzverein-backnang.de. Marion Bentrup,
Leiterin des Tierheims in Erlach, über ihren Beruf „Der Job ist körperlich und psychisch extrem anstrengend. Das ist wie im Krankenhaus.“
Jahreszeitenbedingt sind momentan viele Katzenbabys im Tierheim. Katzenmama Freja (rechts) kümmert sich neben ihrem eigenen Nachwuchs noch um drei weitere Kätzchen.

© Jörg Fiedler

Jahreszeitenbedingt sind momentan viele Katzenbabys im Tierheim. Katzenmama Freja (rechts) kümmert sich neben ihrem eigenen Nachwuchs noch um drei weitere Kätzchen.

Marion Bentrup wird von den Mischlingshunden Henny und Pete freudig begrüßt.

© Jörg Fiedler

Marion Bentrup wird von den Mischlingshunden Henny und Pete freudig begrüßt.

Für die exotische Kröpfertaube Nakambe wird dringend ein Zuhause gesucht.

© Jörg Fiedler

Für die exotische Kröpfertaube Nakambe wird dringend ein Zuhause gesucht.

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Erstellt:
24. August 2021, 06:00 Uhr

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