Landwirtschaft

Stabile Ernte trotz Klimastress

Die Universität Hohenheim untersucht, wie Stromerzeugung und Ackerbau gemeinsam auf einem Feld funktionieren können. Das Stichwort dazu lautet: Agri-PV-Anlage

Gilt als Leuchtturmprojekt: Die Agri-PV-Anlage der Universität Hohenheim verbindet Photovoltaik und   Ackerbau.

© Frank Schwaibold

Gilt als Leuchtturmprojekt: Die Agri-PV-Anlage der Universität Hohenheim verbindet Photovoltaik und Ackerbau.

Von Frank Schwaibold

Wie sich Stromerzeugung und Ackerbau bestmöglich auf einer gemeinsamen Fläche verbinden lassen, untersuchen jetzt Forscher der Universität Hohenheim auf einer 3 600 Quadratmeter großen Forschungsanlage am Ihinger Hof in Renningen (Kreis Böblingen). Die PV-Module sind auf einer bis zu zehn Meter hohen Stahlkonstruktion installiert und erbringen eine Nennleistung von 218 Kilowatt Peak (kWp). Zu erwarten ist ein jährlicher Stromertrag von rund 200 000 Kilowattstunden (kWh). Professor Christoph Schneider ist begeistert von der Stelzenkonstruktion, die Stromproduktion und Landwirtschaft auf einer gemeinsamen Fläche erlaubt: „Da kann sogar ein Mähdrescher unten durchfahren“, sagt der Uni-Rektor. Auch die Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, Sabine Kurtz, sieht einen großen Vorteil: „Unsere Landwirte müssen schon genug Flächen für Baumaßnahmen hergeben“, weiß die CDU-Politikerin um die Nöte der Bauern. Deshalb fördere das Land Baden-Württemberg bevorzugt „eine hybride Landnutzung wie es bei den Agri-Photovoltaikanlagen der Fall ist“. Professor Ralph Vögele sieht einen weiteren Vorteil: „Hier trifft Theorie auf Praxis.“ Ein großes Plus der Anlage sei, dass sie „angepasst und weiterentwickelt werden kann“. Denn, so betont der Dekan der Fakultät Agrarwissenschaften: „Wir brauchen die Erkenntnisse jetzt, und nicht erst in zwei Jahrzehnten.“

Wie wirkt sich die Anlage auf die Bodenqualität aus?

Was auf den ersten Blick etwas umständlich wirkt, hat einen guten Grund, erklärt Juniorprofessor Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzenökologie: „Unser Ziel war es, die Qualität des Bodens durch die Bauarbeiten nicht zu beeinträchtigen. Ein lockeres Erdreich ist wichtig, damit der Boden Wasser, Sauerstoff und Nährstoffe aufnehmen kann. Jede Verdichtung hat negative Folgen für Bodenlebewesen und Ackerpflanzen. Das wollen wir minimieren.“

Die Auswirkungen auf die Bodenqualität sind nur einer von zahlreichen Aspekten, die die Forschenden mit der neuen Anlage untersuchen wollen. Auf 13 mal 14 Meter großen Parzellen werden dazu künftig unterschiedliche Kulturen und Sorten parallel angebaut und verglichen – darunter wirtschaftlich bedeutende Arten wie Weizen und Gerste, aber auch neue, innovative Anbaupflanzen.

Damit will die Uni Hohenheim einen weiteren Akzent setzen. Denn sie ist laut Rektor Schneider mit mehr als 700 Hektar Landfläche flächenmäßig „die größte Hochschule in Deutschland“. Nun haben man mit der Agri-PV-Anlage auf dem Ihinger Hof auch eine deutschlandweit „einzigartige Anlage“. Professor Vögele nennt sie „einen Leuchtturm“ und den Hof in Renningen „das Herzstück unserer Forschung“.

Die Experten sehen die Agri-PV-Anlage zudem als „Teil einer nachhaltigen Energiewende“. Der Schatten der hochaufgeständerten Module könne sich sogar positiv auf die Ackerpflanzen auswirken und sie resilienter gegenüber Hitzestress und Dürreperioden machen. „Vorangegangene Versuche auf einer Pilotanlage haben bereits gezeigt: Die Ernteeinbußen fallen in der Regel gering aus. Gleichzeitig können die PV-Module sogar für stabilere Erträge sorgen: Denn in Hitze- und Trockenperioden, die klimabedingt zunehmen, profitieren die Pflanzen von der reduzierten Sonneneinstrahlung.“

Die Anlage bietet Schutz vor Extremwetter

Daten zu Kornerträgen und zur Wassernutzungseffizienz von Winterweizen aus den Jahren 2017 bis 2020 hätten gezeigt, dass sich die Beschattung durch PV-Module durchwegs positiv auf die Wassernutzungseffizienz auswirkt. Die Kornerträge seien zudem durch die Beschattung nur in einem Jahr, nämlich in 2019, signifikant verringert gewesen. Darüber hinaus bieten die Module, so betont Schweiger, „Schutz vor Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hagel“. Untersuchungen an Ackerbohnen, Kartoffeln, Kohl und Gerste hätten ferner gezeigt, dass Pflanzen sich an Beschattung durch PV-Module anpassen und weniger Licht effizient nutzen könnten.

Die Forschungsanlage ermöglich auch ein hochauflösendes Mikroklima-Monitoring: Von Bodenfeuchtigkeit und Lufttemperatur über Sonneneinstrahlung bis hin zur Blatttemperatur“, erklärt Schweiger. „Alle Daten stehen in Echtzeit in einer Cloud zur Verfügung.“ Besonders interessiert die Wissenschaftler, wie sich die Ackerpflanzen an veränderte Lichtbedingungen anpassen und wie sich die Beschattung auf Ertragsmenge und auf die Qualität auswirkt. Trotz Klimastress strebt man stabile Erträge und optimierte Fruchtfolgen an.

Die Anlage der Uni Hohenheim in Renningen ist Teil der Modellregion Agri-PV Baden-Württemberg und wird vom Landesministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) gefördert. Für Professor Vögele ist es eine Schlüsseltechnologie, um Klimafolgen abzumildern und um zu verhindern, „dass sich Flächenkonflikte weiter verschärfen“. Stromproduktion und Landwirtschaft auf einer gemeinsamen Fläche könne einen wichtigen Teil „zu einer nachhaltigen Energiewende“ beisteuern.

Förderung der Agri-Photovoltaik-Anlage

Kooperation Mit der Modell-Region Agri-PV Baden-Württemberg fördern das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) sowie das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (UM) den Ausbau und die wissenschaftliche Begleitung innovativer Agri-PV-Projekte im Land. Die Koordination liegt beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

2. PhaseDie Pilot- und Forschungsprojekte bilden unterschiedliche Anlagentypen, Kulturen und Standortbedingungen ab. In einer ersten Phase wurden von Ende 2021 bis 2024 fünf verschiedene Anlagen errichtet und ausschließlich Sonderkulturen erforscht, darunter der Anbau von Beeren und Süßkirschen an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Weinsberg. In der 2025 gestarteten 2.Phase, zu der auch die Agri-PV-Anlage in Renningen gehört, geht es nun um Teilprojekte im Grünland, im Ackerbau sowie in Kombination mit Tierhaltung, Weinbau und Wiederaufforstung.

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Erstellt:
25. November 2025, 11:28 Uhr

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