Stadt investiert 24 Millionen in Hochwasser-Vorsorge

Backnang nimmt die Gefahren durch Hochwasser nicht auf die leichte Schulter. Viele Schutzprojekte sind bereits fertig oder im Entstehen. Trotzdem dauert es noch viele Jahre, bis die Wiederholung einer Flutkatastrophe mit einem Ausmaß wie 2011 ausgeschlossen werden kann.

Eine von zwei Problemzonen in der Innenstadt, bei denen der Hochwasserschutz derzeit noch am Widerstand der Eigentümer scheitert: DerBereich des Gebäudes Schillerstraße 44. Die Hauswand soll stabilisiert, die angrenzende Mauer zudem noch erhöht werden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Eine von zwei Problemzonen in der Innenstadt, bei denen der Hochwasserschutz derzeit noch am Widerstand der Eigentümer scheitert: Der Bereich des Gebäudes Schillerstraße 44. Die Hauswand soll stabilisiert, die angrenzende Mauer zudem noch erhöht werden. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Stadtverwaltung hat im Gemeinderat erneut einen aktuellen Bericht zum Thema Hochwasserschutz und Starkregenrisikomanagement gegeben. Ganz offensichtlich möchte sie so klarmachen, dass sie die Gefahren nicht auf die leichte Schulter nimmt. Und dass es für Verzögerungen zuweilen Gründe gibt, die nicht von der Stadt Backnang zu verantworten sind. Lange Planungszeiten mit vielen beteiligten Behörden etwa oder Widerstände bei Privatpersonen, die ein kompliziertes, zusätzliches und zuweilen zeitraubendes Genehmigungsverfahren nach sich ziehen. Trotzdem sind im inner- und überörtlichen Hochwasserschutz schon einige bemerkenswerte Ergebnisse erzielt worden, die eine Hochwasserkatastrophe wie vom 13. Januar 2011 weniger wahrscheinlich machen. Komplett verhindert können vergleichbare Fluten jedoch erst werden, wenn alle Projekte abgeschlossen sind. Und das dauert.

Bislang hat die Stadt Backnang mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg schon rund 13 Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert, wovon knapp 7 Millionen Euro an der Stadt hängen geblieben sind. Die Vervollständigung des Schutzes wird in den kommenden Jahren weitere erhebliche Summen erfordern. So müssen am Ende in innerörtliche Hochwasserpumpwerke 9,6 Millionen Euro investiert werden, in den Bauabschnitt Etzwiesenbrücke/Sulzbacher Brücke etwa 9,3 Millionen Euro, in den Abschnitt Obere Walke/Freibad 2,5 Millionen Euro und in den Umbau des Biegelwehrs zur rauen Rampe weitere 2,3 Millionen Euro. Die Prognose geht somit von Gesamtkosten von knapp 24 Millionen Euro aus, wovon vermutlich 14 Millionen von der Stadt finanziert werden müssen. Und bei alledem ist das IBA-Quartier Backnang-West noch nicht eingerechnet.

Beim Schadenspotenzial liegt Backnang landesweit ganz weit vorne

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich erinnerte daran, dass Hochwasser kein Phänomen der Neuzeit ist, sondern dass Backnang als Stadt am Fluss schon immer damit konfrontiert gewesen sei. Die Berichte und Bilder von zurückliegenden Fluten würden eindrucksvoll und erschreckend zeigen, welches Ausmaß an Zerstörungen in der Vergangenheit damit verbunden war. Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner untermauerte dies mit Zahlen. Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2018 rangiert Backnang im landesweiten Vergleich von 1101 Kommunen in der Kategorie Schadenspotenzial auf Platz 13. Und zwar unter der Annahme eines HQ 100, also eines Hochwassers, wie es statistisch gesehen einmal in 100 Jahren vorkommt. Backnang zählt zu jenen 17 Kommunen, bei denen der erwartete Schaden im Fall eines solchen Jahrhunderthochwassers mehr als 50 Millionen Euro betragen würde. Ein trauriger Spitzenplatz.

Doch die Stadtverwaltung arbeitet mit Hochdruck daran, dass dies nicht eintritt. Im Abschnitt zwischen der Sulzbacher und der Aspacher Brücke gibt es allerdings zwei Lücken in den Schutzmauern. So listet Kaltenleitner etwa im Bereich des Gebäudes Schillerstraße 44 drei Probleme auf: Erstens die mangelhafte Anbindung der neuen Hochwasserschutzmauer an das Gebäude. Zweitens die unzureichend geschützte Fassade. Und drittens die desolate Ufermauer, die keinen ausreichenden Hochwasserschutz bildet. Laut Kaltenleitner ist es ein komplizierter Fall. Es gab bereits Ortsgespräche mit einem Teil der Eigentümergemeinschaft, jedoch wurde keine Einigung erzielt. Die Hausfassade soll nach den Plänen der Stadt mit einer Spritzbetonschale versehen werden. Um diese Schale am Gebäude stabil herstellen zu können, sind Ankerbohrungen nötig. Zudem müsste der Mauerfuß durch den Einbau von Mikrobohrpfählen ertüchtigt werden. Doch der Eigentümer gebe seine Zustimmung dazu nicht. Kaltenleitner: „Durch diese nötigen Bohrungen entsteht eine neue Betroffenheit des Eigentümers, weshalb wir das Planfeststellungsverfahren ergänzen müssen.“

Ein weiterer Problemabschnitt ist das Gebäude Sulzbacher Straße 3, die ehemalige Drogerie Julius Dorn direkt an der Sulzbacher Brücke. Auch hier besteht derzeit noch kein ausreichender Hochwasserschutz. Das Problem bei diesem Gebäude sind tief liegende Fenster, die im Falle eines Jahrhunderthochwassers unter der Wasserlinie liegen würden. Würden sie bersten, so könnte das Wasser durch das Gebäude die Sulzbacher Straße fluten. Mit dem Eigentümer wurde eine Vereinbarung getroffen, neue Fenster einzubauen, die auch dem Wasserdruck standhalten könnten. Kaltenleitner: „Der Einbau wurde jedoch kurz vor dem Vollzug vom Eigentümer gestoppt.“

Von den Schutzmaßnahmen profitieren 2100 Backnanger Bürger direkt

OB Friedrich verteidigte die Gesamtmaßnahmen, auch wenn die Investitionen riesig sind: „Das Teuerste, was wir jetzt machen könnten, wäre jetzt nicht weiter zu investieren.“ Den Berechnungen nach würden 2100 Backnanger Bürger von den Schutzmaßnahmen profitieren, da sie in den künftig geschützten Bereichen wohnen, dazu eine Vielzahl von Gewerbetreibenden, deren wirtschaftliche Existenzen besser geschützt sind. So würde etwa das Becken Oppenweiler den Durchfluss der Murr auf 121 Kubikmeter pro Sekunde drosseln. Bei der Flut 2011 flossen 170 Kubikmeter pro Sekunde in Richtung Backnang. Und bei einem HQ 100 könnten es gar 215 Kubikmeter sein.

Bernhard Bühler ist derzeit der Vorsitzende des Wasserverbands Murrtal, der für den Bau der Rückhaltebecken verantwortlich ist. Der Bürgermeister von Oppenweiler bestätigte, dass die innerörtlichen Maßnahmen, die im Ort fertig sind, schon einen Teilerfolg erbracht hätten. „Seit die Pumpwerke in Betrieb sind, spüren wir eine deutliche Verbesserung. Wenn die Murr einen Pegel erreicht, bei dem früher die ersten Keller vollgelaufen sind, so passiert heute bei gleichem Wasserstand nichts mehr.“ Und für alle, die angesichts der riesigen Investitionen zusammengezuckt sind, erinnerte Bühler nochmals an die Flut vom 13. Januar 2011: „Damals betrugen die Schäden allein in Oppenweiler 20 Millionen Euro.“

Erst die überörtlichen Rückhaltebecken machen den Schutz komplett

Innerörtlich Im Innenstadtbereich muss die Stadt noch an mehreren Stellen tätig werden:

Das Biegelwehr wird zwischen August und Oktober zu einer rauen Rampe von 85 Metern Länge umgebaut. Danach können Fische wie die Barbe wieder problemlos murraufwärts schwimmen.

Auf dem Aldi-Parkplatz entlang der Gartenstraße entsteht ein neuer Damm. Um den Erwerb eines Schlüsselgrundstücks gab es lange Verhandlungen. Laut Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner zeichnet es sich ab, „dass wir das Grundstück demnächst erwerben können“. Neben dem Hochwasserschutz ein weiterer Vorteil: Der Radweg führt dann ohne Unterbrechung von der Innenstadt zum Freibad.

In die Hochwasserpumpwerke Obere Walke und Talstraße werden 2023 die Maschinentechnik und die Pumpen installiert, dann gehen sie in Betrieb.

Überörtlich Insgesamt sieben Hochwasserrückhaltebecken im Einzugsgebiet des Wasserverbands Murrtal sind in Planung.

HRB Brunnenwiesen: Das nördlich von Strümpfelbach gelegene Becken hat ein Fassungsvermögen von 40000 Kubikmetern und soll den Eckartsbach zähmen. Die Baukosten betragen 2,23 Millionen Euro, der Baustart ist für 2023, die Fertigstellung für 2025 geplant.

HRB Seehau: Das an der Einmündung der Sulzbacher Straße in die B14 gelegene Becken fasst 18000 Kubikmeter und soll 1,26 Millionen Euro kosten. Bauzeit: 2023 bis 2025.

HRB Oppenweiler: Das mit Abstand größte Becken fasst 850000 Kubikmeter. Im Mai soll mit dem Bau eines Wirtschafts-/ Radwegs begonnen werden, im Juli mit dem Durchlassbauwerk und Mitte nächsten Jahres mit dem eigentlichen Damm. Bauende voraussichtlich 2026. Die Gesamtkosten betragen über 20 Millionen Euro, wobei ein Großteil vom Land getragen wird. Der Anteil der Stadt Backnang: etwa 3,37 Millionen Euro.

Die übrigen Becken liegen auf den Gemarkungen Sulzbach (Fischbach und Haselbach) und Murrhardt (Gaab und Mahd).

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Erstellt:
9. Februar 2022, 06:00 Uhr

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