Widerstand gegen die Umgehungsstraße in Backnang

Nach dem geplanten vierstreifigen Ausbau ist die B14 rund um Backnang für landwirtschaftliche Fahrzeuge tabu. Auf der Suche nach alternativen Lösungen für all die langsam fahrenden Fahrzeuge ist auch eine neue Straße im Gespräch, die an Oberschöntal vorbeiführen soll.

Teilortsanwalt Hermann Wahl und Sabine Kutter von der Bürgerinitiative Schöntal stehen unweit der Stelle, an der die angedachte Umgehungsstraße die Felder östlich von Schöntal queren würde. Foto: Dietmar van der Linden

© Dietmar van der Linden

Teilortsanwalt Hermann Wahl und Sabine Kutter von der Bürgerinitiative Schöntal stehen unweit der Stelle, an der die angedachte Umgehungsstraße die Felder östlich von Schöntal queren würde. Foto: Dietmar van der Linden

Von Matthias Nothstein

Backnang. Unter dem Betreff „Fragwürdiger Bau einer ,Umgehungsstraße‘ in Backnang-Oberschöntal“ hat sich Sabine Kutter von der Bürgerinitiative Schöntal-Forum an Verkehrsminister Winfried Hermann gewandt. Die Initiative spricht sich gegen eine Umgehungsstraße für Oberschöntal aus, weil diese wertvollen Boden versiegeln, hohe Kosten verursachen und mehr Verkehr in die schützenswerte Landschaft bringen würde. Das Regierungspräsidium indes verfolgt die Pläne einer Ortsumfahrung deshalb, weil langsam fahrende landwirtschaftliche Fahrzeuge auf der künftig vierstreifig ausgebauten B14 nicht mehr fahren dürfen. Die Forderung der Initiative, für den Abschnitt zwischen den B-14-Auffahrten Backnang-Süd (Spritnase) und Backnang-West (Krähenbachkreuzung) für langsamere Fahrzeuge eine Ausnahmeregelung zu erlassen, lehnen die Verantwortlichen ab. Doch die Initiative gibt nicht auf.

Mehr als 60 Unterschriften gegen die Umgehungsstraße

In den vergangenen Monaten haben die Mitstreiter von Sabine Kutter und dem Schöntal-Forum Unterschriften gegen den Bau der Umgehungsstraße gesammelt. Allein in den kleinen Dörfern Ober-, Mittel- und Unterschöntal kamen immerhin über 60 Namen zusammen, wobei auch beim Biolandhof Adrion eine Liste auslag. Auch sind die Landtagsabgeordneten Gernot Gruber (SPD) und Ralf Nentwich (Grüne) einer Einladung der Bürgerinitiative zu einem Besuch in Oberschöntal gefolgt. Bei dem Besuch haben sich die beiden Abgeordneten den Forderungen der Schöntaler angeschlossen. Diese lauten: auf die Umgehungsstraße von Schöntal verzichten und statt dessen auf der zukünftig vierstreifigen B14 zwischen den Anschlussstellen Backnang-Süd und Backnang-West landwirtschaftliche Fahrzeuge zulassen. Damit es in diesem Fall wegen der potenziellen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Flitzer und Trecker keine gefährlichen Situationen auf der Bundesstraße gibt, sollte gleichzeitig auch die Geschwindigkeit zwischen den drei genannten Anschlussstellen deutlich reduziert werden. Das käme auch dem Lärmschutz zugute, ein weiterer nicht unwichtiger Faktor.

Viele Autofahrer würden die neue Strecke als Abkürzung nehmen

Der Oberschöntaler Teilortsanwalt Hermann Wahl ist Landwirt. Er müsste, so könnte man meinen, Interesse an einer Alternativstrecke haben. Doch weit gefehlt. Der 55-Jährige ist einer der entschiedensten Gegner der anvisierten Ersatzroute. Und er ist vom Fach, er weiß, wovon er spricht. Kein Landwirt würde mit schweren Anhängern von Backnang in Richtung Neuschöntal hinunterfahren und sich dann wieder mühsam den Berg hinauf in Richtung Oberschöntal quälen. Was jedoch passieren wird, so die Prognose Wahls, ist, dass viele Autofahrer die neue Straße als Abkürzung von Erbstetten nach Großaspach nutzen werden. Besonders ärgerlich ist für Wahl, dass mit dem Straßenbau wertvoller Ackerboden versiegelt wird. Er erinnerte daran, dass es einstens aus Regierungskreisen hieß, man wolle den Flächenverbrauch halbieren. Jahre später müsse man bilanzieren, der Verbrauch ist im Gegenteil sogar verdoppelt worden.

Zu dieser negativen Entwicklung sollte nicht auch noch die von niemandem gewollte Schöntal-Umfahrung beitragen. Wahl: „Es tut mir in der Seele weh, dass für eine Straße, die keiner will und später auch kein Landwirt nutzen wird, bester Ackerboden asphaltiert werden soll.“ Der Landwirt erinnerte auch an die Versammlung, die im Juni in Schöntal stattgefunden hatte. Damals waren etwa 115 Schöntaler Bürger zusammengekommen, um mit der gesamten Backnanger Verwaltungsriege über die Entwicklung des Ortes zu sprechen (wir berichteten). Damals war auch die Umgehung ein Thema und nicht ein einziger Bürger sprach sich für eine solche aus, nicht einmal jene, die derzeit an der Ortsdurchfahrt wohnen. Auch der Kreisbauernverband habe sich gegen diese Umfahrung ausgesprochen. Und überregionale Landwirte seien gegen eine Route über Oberschöntal, weil es für sie einen Umweg bedeute. Zudem würden die topografischen Gegebenheiten einen sehr viel höheren Kraftstoffverbrauch mit sich bringen.

Ökologischer und ökonomischer Umgang mit Ressourcen gefordert

Eine treibende Kraft der Schöntaler Initiative ist Sabine Kutter. Auch die 74-Jährige befürchtet Nachteile für ihr Dorf, für die natürlichen Ressourcen und nicht zuletzt für den Steuerzahler. Kutter und die Initiative wollen „einen ökologischen und ökonomischen Umgang mit unseren Ressourcen“. Sie fordern das Regierungspräsidium auf, die Planung für eine Umgehungsstraße zu beerdigen und dafür langsam fahrende landwirtschaftliche Fahrzeuge auch in Zukunft auf der B14 zuzulassen. Die Begründung des Regierungspräsidiums, dass dies nicht möglich sei, nehmen die Schöntaler der Behörde nicht ab. Sie verweisen auf andere Bundesländer, die solche Ausnahmegenehmigungen auf kurzen Abschnitten erteilen. Nach Recherchen der hiesigen Landwirte sei dies zum Beispiel auf der B49 bei Limburg der Fall, auf der B9 bei Andernach und auf der B210 bei Jever. Kutter verweist zudem auf andere Vorteile der Geschwindigkeitsbeschränkung wie etwa die Verringerung des CO2-Ausstoßes. Ohnehin sei es nicht realistisch, „dass die B14 der Zukunft in der Höhe von Backnang aufgrund von mehreren Abfahrten und Richtungsänderungen in hoher Geschwindigkeit befahren werden kann“. Die Initiative erklärt: „Wir halten das weder für möglich noch für nötig und auch nicht für zeitgemäß.“

Vorschlag des Regierungspräsidiums ist laut Initiative „völlig unbrauchbar“

Das Regierungspräsidium lehnte nicht nur die Ausnahmeregelung ab, sondern reagierte mit einem Vorschlag, den Kutter und ihre Mitstreiter als „völlig unbrauchbar“ bezeichneten. Die Behörde hatte auf ein Schreiben von Martina Muck vom Schöntal-Forum geantwortet, es bestehe die Möglichkeit, „in begründeten Einzelfällen durch befristete Ausnahmegenehmigungen die Befahrung der B14 zu gestatten“. Das heißt: Die Landwirte müssten für jede Fahrt eine Ausnahmegenehmigung wie für einen Schwertransport beantragen, die von der Stadt Backnang zu genehmigen wäre.

Die Initiative möchte ihren Widerstand auf möglichst breite Basis stellen. So hat sie auch zu den örtlichen Bundestagsabgeordneten Kontakt aufgenommen. Offensichtlich mit eher bescheidenem Erfolg. Das Wahlkreisbüro von Ricarda Lang (Grüne) verwies im Sommer auf ein Gespräch der Abgeordneten mit dem zuständigen Staatssekretär und hat nun mit der Initiative ein Zoom-Telefonat für den 20. Dezember vereinbart. Inge Gräßle (CDU) ging nach Angaben von Kutter auf die Anfrage der Initiative außer mit einer knappen E-Mail nicht näher ein.

An die Planer richtete der OB klare Worte

Immerhin: Mit Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hat die Initiative einen Termin für den 25. Januar ausgemacht. Friedrich kündigte gestern an, dass der vierstreifige Ausbau der B14 „nun endlich mit dem Bau des zweiten Viadukts im Frühjahr kommenden Jahres starten wird“. An die Adresse der Planer wurde er deutlich: „Leider zeigt sich einmal mehr, dass die vorliegende Straßenplanung Mängel hat. Im Abschnitt zwischen der Krähenbachkreuzung und dem Anschluss Backnang-Mitte wurden die Bedürfnisse des landwirtschaftlichen Verkehrs nur unzureichend beachtet.“ Das Verbot, die B14 künftig zu benutzen, bedeute in der Konsequenz für die betroffenen Landwirte, „entweder mitten durch das teilweise enge Stadtgebiet zu fahren oder weite Umwege in Kauf zu nehmen“. Die Stadtverwaltung und das Schöntal-Forum würden darin übereinstimmen, „dass hier eine für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden werden muss“.

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Erstellt:
30. November 2022, 06:00 Uhr

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