Zehn Jahre Brucherei in Weissach: „Bruch ist persönlicher geworden“

Seit zehn Jahren bereichert die Brucherei das Dorfleben in dem kleinen Weissacher Ortsteil. Erfolgreichste Aktion ist das jährliche Christbaumverbrennen, eine Tradition, die von der Initiative neu gesetzt wurde. Die Aktion findet immer um Lichtmess herum statt.

Die Weihnachtsbäume werden bei dem Brauch würdevoll verabschiedet – und die Geselligkeit kommt nicht zu kurz. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Weihnachtsbäume werden bei dem Brauch würdevoll verabschiedet – und die Geselligkeit kommt nicht zu kurz. Foto: Alexander Becher

Von Armin Fechter

Weissach im Tal. In zwei Feuertonnen lodern die Flammen, als Bernd Knödler beherzt nach einer ausgedienten Tanne langt und das trockene Geäst mit den dürren Nadeln von oben in den Behälter stopft. Schlagartig zündet der Baum durch, Funken fliegen in den nächtlichen Himmel und die riesige Fackel, die unter lautem Prasseln abbrennt, entreißt den Dutzenden Zuschauern Ahs und Ohs.

Knödler, der zusammen mit seiner Frau Monika Kaiser die denkmalgeschützte Kelter erworben hat und derzeit mit viel Eigenarbeit und zusammen mit zahlreichen Helfern renoviert, hatte auch die Idee zu dem neuen Brauch. Ihm ging es darum, wie er erklärt, „die hochverehrten Christbäume aus der Weihnachtszeit würdevoll zu verabschieden“, statt sie einfach an die Straße zu stellen und vom Entsorger abholen zu lassen. Anfangs – erstmals im Jahr 2010 – zelebrierte er das Christbaumverbrennen in seinem Garten und lud dazu Freunde und Nachbarn ein. Auf der Terrasse seines Wohnhauses in Bruch konnten sie Glühwein, alkoholfreien Punsch, eine Grillwurst oder einen Flammkuchen genießen. Der Zuspruch wuchs von Jahr zu Jahr: Immer mehr Besucher wollten die Flammensäule bestaunen.

Unterdessen formierte sich die Brucherei als Initiative, die in der ehemals selbstständigen Gemeinde das Gemeinschaftsgefühl stärken und dazu Treffen und Veranstaltungen organisieren wollte, die Jung und Alt zusammenführten. An die Initialzündung erinnern sich Sabine Weitzmann, Volker Götz, Sandra Krauß, Michael Kübler, Monika Kaiser und Bernd Knödler, die heute den aktiven Kern der Gruppe bilden. Es war bei der 1.-Mai-Wanderung der Feuerwehrabteilung Bruch im Jahr 2013, an der auch die Frauen der Kameraden teilnahmen: „Auf dem steilen Anstieg nach Lutzenberg tief im Däferner Wald haben wir uns darüber unterhalten, dass es in Bruch leider keine regelmäßigen Festivitäten oder Treffen gibt, bei denen man sich kennenlernen, austauschen und auch gemütlich unterhalten kann. Im Laufe des Tages formte sich dann die Idee, man könnte doch eine Art Interessengemeinschaft bilden, die die Basis für gemeinschaftliche Treffen und Veranstaltungen bietet.“

Der Slogan „’s Höchschde em Däle“ lässt Raum für Interpretationen

Ein Trio aus Sabine Weitzmann, Julia Ufschlag und Sandra Krauß machte Nägel mit Köpfen. Die Frauen marschierten mit der Idee – „wir machen was in Bruch“ – ins Rathaus zu Bürgermeister Ian Schölzel und sicherten sich dessen Unterstützung zu. Ein Name für die Initiative – Brucherei – war rasch gefunden, ebenso der Slogan „’s Höchschde em Däle“, der darauf anspielt, dass Bruch der höchstgelegene der vier Teilorte ist, der aber auch andere Interpretationen möglich macht, etwa „das Schönste“ oder „das Tollste“ im Weissacher Tal.

Die erste Brucherei-Veranstaltung sollte nicht lange auf sich warten lassen: Am 6. Oktober 2013 fand im Dorfhaus unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters das „1. Brucher Herbstfest“ statt. „Die Resonanz war überwältigend“, blicken die Akteure zurück, die nach dem ersten Erfolg durchstarteten.

Weitere Aktionen folgten: ein Mosttesting, bei dem Brucher ihre Eigenkreationen aus Apfelsaft vorstellten, Spiele- und Liederabende, der alljährliche Tanz in den Mai im Partykeller der Familie Stegmeyer, ein Kinoabend mit dem Streifen „Die Kirche bleibt im Dorf“, ein mittlerweile traditioneller Weißwurstfrühschoppen zu Neujahr, ein Sommerfest – und natürlich das Christbaumverbrennen, bei dem Bernd Knödler immer ein selbst verfasstes Gedicht vorträgt. Dieses Mal gab es an der Kelter, mit Blick aufs Weissacher Tal und die ganze Backnanger Bucht, einen gereimten Lobgesang auf Bruch und die ätherischen Düfte, die von den lodernden Tannen aufsteigen und das Dorf alsbald zum Luftkurort „Bad Bruch“ erheben würden. Ferner wurden Ausfahrten angeboten, so zum Weingut Krohmer in Beilstein mit Weinprobe und Betriebsführung und zur Kutscherstube in Waldenweiler. 2018 wurde die Brucherei zur Bach-Challenge aufgefordert, die mit Bravour bestanden wurde. Gemeinsam mit der Sängerlust Oberweissach gibt es jedes Jahr beim Dorfhaus das Singen unterm Weihnachtsbaum, zu dem 2022 auch der Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht kamen, um Geschenke an die Kleinen zu verteilen.

Neue Boulebahn angelegt

Zudem konnte vor zwei Jahren mit Unterstützung der Gemeinde eine Boulebahn angelegt werden, auf der eifrig gespielt wird und sogar ein Turnier ausgetragen wurde. Mittlerweile hat sich auch eine Männergruppe gebildet, die sich nicht nur zu gemeinsamen Festbesuchen und Frühschoppen trifft, sondern auch zum Werken und Mostmachen. Und: Eine Frauengruppe trifft sich ebenfalls dann und wann.

Während der zwei Coronajahre waren einige Aktivitäten nicht machbar. Aber die Akteure im Ort ließen sich davon nicht unterkriegen: Anstelle des Singens unterm Christbaum initiierten einige Familien die Brucher Weihnachtsfenster. An den schön geschmückten und erleuchteten Fenstern konnte man, wie die Beteiligten berichten, „mit Abstand auch schöne Gespräche führen“. Damit war eine weitere Neuerung geboren, die beibehalten werden soll.

„Die Dorfgemeinschaft ist auf jeden Fall zusammengerückt, man kennt sich, man hilft sich, man grüßt sich und man wird auch mal spontan eingeladen und lädt ein“, resümieren die Aktiven. „Bruch ist persönlicher geworden. Alt und Jung kennen sich wieder, das war das Ziel.“ In dieser Weise wollen die Brucherei-Leute weitermachen: „Wir hoffen, dass auch jüngere Menschen wieder das ‚Wir in Bruch‘-Gefühl entdecken und sich gerne einbringen.“ Dabei pflegen die Beteiligten auch weiterhin eine informelle Organisationsform, sie wollen sich nicht dem Wust an Regularien unterwerfen, den ein Verein mit seinen Statuten mit sich brächte, wie Sandra Krauß erklärt.

Aber können denn auch Nichtbrucher an den Veranstaltungen teilnehmen? Durchaus, lautet die Antwort. Allerdings werden die Aktionen nicht in großem Stil beworben, weil schon allein die räumlichen Möglichkeiten, etwa im Dorfhaus, begrenzt sind – doch neben den Flyern, die im Ort verteilt werden, läuft auch vieles über Mundpropaganda. Und was wünschen sich die Akteure für die Zukunft außer einer regen Beteiligung und vielen Mitstreitern? „Schön wäre ein barrierefreies Dorfhaus, das auch etwas aufgehübscht sein darf.“

Mariä Lichtmess – die Tage werden länger, die Nächte kürzer

Lichtmess Der Zeitpunkt für das Christbaumverbrennen, um Lichtmess herum, ist bewusst gewählt. Denn am 2. Februar, 40 Tage nach der Geburt Christi, endet in der christlichen Tradition der Weihnachtsfestkreis. Das Fest Mariä Lichtmess erinnert an die „Darstellung des Herrn“ im Tempel, gefeiert wird damit die Rückkehr des Lichts und es werden in der katholischen Kirche Lichterprozessionen abgehalten und Kerzen geweiht.

Mehr Licht Die Tage werden nun wieder spürbar länger, die Nächte kürzer. Bernd Knödler verweist dazu auf eine alte Bauernregel: „Maria Lichtmess – bei Tag z’Nacht ess, bei Nacht ’s Spenna vergess!“ Das Spinnen war einst eine typische winterliche Beschäftigung in den Bauernstuben. Dabei werden Pflanzenfasern mithilfe von Spinnrädern zu Fäden verarbeitet, um daraus später Stoffe herzustellen, etwa Leinen für Bettwäsche.

Neue Anstellung Lichtmess markierte zudem den Tag, an dem für Mägde und Knechte das neue Arbeitsjahr begann und an dem sie ihre Anstellung wechselten – das wurde gefeiert.

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Erstellt:
8. Februar 2023, 06:00 Uhr

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