Zensus-Beauftragte fragen ehrenamtlich
Volkszählung in Deutschland: Beim Zensus 2022 müssen mehrere Millionen Menschen in Baden-Württemberg Auskunft geben. Die beiden Erhebungsbeauftragte Claudia Jung und Volkmar Schwozer sind mit ihren Haushaltsbesuchen fast durch. Beide ziehen eine positive Bilanz.

© Alexander Becher
Erhebungsbeauftragte Claudia Jung stellt ihre Fragen an Bewohner an der Wohnungstür (Szene nachgestellt). Fotos: Alexander Becher
Von Florian Muhl
Backnang. „Ich hab’ durchweg positive Erfahrungen gemacht, alle waren freundlich und höflich. Und ich würde so eine Befragung jederzeit wieder machen“, sagt Claudia Jung zufrieden. „Ich würde es auch wieder machen, würde mich aber wegen der Erfahrungen, die ich gemacht habe, beim nächsten Mal anders organisieren“, meint Volkmar Schwozer im Gespräch mit unserer Zeitung. So unterschiedlich die beiden sind, sie haben eines gemeinsam: Jung und Schwozer sind Erhebungsbeauftragte für den Zensus 2022. Sie sind freiwillig als ehrenamtliche Interviewer für die Haushaltsbefragung im Rahmen der Volkszählung unterwegs.
Claudia Jung war angeschrieben worden, ob sie diesen Job übernehmen wolle, weil sie auch schon Wahlhelferin war. Volkmar Schwozer meldete sich, nach dem er einen Aufruf in der Zeitung gelesen hatte. Während der Backnanger eine Liste von 160 gemeldeten Personen erhalten hat, die er abarbeiten muss, davon zahlreiche ältere Personen, die gemeinsam in einem großen Wohnkomplex wohnen, ist die Liste von Claudia Jung ein wenig überschaubarer; 120 Personen stehen darauf. „Meine Ortschaftsratskollegin aus Heiningen, die das auch macht, hat 200 Leute drauf“, sagt die 37-Jährige. „Da hat sie einiges mehr zu tun.“
Der Stichtag für den Zensus 2022 war der 15. Mai. Gleich am Tag darauf, am Montag, 16. Mai, sind Jung und Schwozer losgezogen, haben sich die Örtlichkeiten der zu befragenden Haushalte schon mal angeschaut und haben in die Briefkästen als Vorankündigung Informationszettel mit Terminvorschlägen hineingeworfen. „Ich habe mich immer auf Samstag angekündigt“, sagt Jung. Schwozer hielt es anders: „Meine Terminvorschläge waren unter der Woche jeden Tag und dann immer erst ab 17 Uhr.“ Rund 15 Prozent der Erwachsenen und alle drei Millionen Hauseigentümer im Land bekommen Besuch. Die Statistiker erhoffen sich Erkenntnisse darüber, wie viele Menschen in Baden-Württemberg und Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten (siehe Infokasten unten).
Niemand muss einen Erhebungsbeauftragten in die Wohnung lassen. „Aber ich wollte das auch gar nicht“, sagt Claudia Jung. „Mir war es am liebsten, die Fragen an der Haustür oder Wohnungstür zu stellen.“ Dieses „Geschäft“ war auch rasch erledigt, weil die Interviewer nur die wichtigsten persönlichen Daten der in dem betreffenden Haushalt wohnenden Personen aufnehmen mussten. „Bei der Haushaltsbefragung gleichen wir die Melderegisterdaten ab und schauen stichprobenartig, ob die mit der Realität übereinstimmen“, sagt Jung. Den eigentlichen Fragebogen können die Befragten dann am besten allein im Internet ausfüllen. „Wer das nicht will, bekommt das auf Anfrage in Schriftform“, erläutert Schwozer. Zu beantworten sind dann 40 Fragen zur Wohnsituation, zum Bildungsstand und zum Beruf.
Claudia Jung, verheiratet und Mutter von drei Kindern, arbeitet beim Stadtplanungsamt in Stuttgart. „Ich komme gern ins Gespräch mit Menschen. Außerdem interessiert mich das Thema und der Blick hinter die Kulissen“, sagt die 37-Jährige über ihre Beweggründe, sich als Interviewerin zu beteiligen. „Bei mir war der Zeitfaktor eindeutig ausschlaggebend“, meint Schwozer. „Ich hab’ die Zeit und nehme sie mir. Außerdem will ich mich auch ehrenamtlich engagieren und nicht nur die anderen machen lassen“, so der verheiratete Vater eines Kindes, der fast 40 Jahre als Lehrer bei der Backnanger Musikschule gearbeitet hat und nun seit einem Jahr in Rente ist.
Beide haben jeweils nur zwei Personen ohne Rückmeldung nicht angetroffen, beispielsweise, weil die Betreffenden im Urlaub waren. In diesem Fall geht die Meldung mit einem Vermerk ans Zensusbüro zurück. Bei seinen Touren hat Schwozer auch skurrile Momente erlebt, wie er sagt. Bei den älteren Leuten sei in einigen Fällen auch deren gesundheitliche Situationen sehr schwierig gewesen. Zudem hätten viele am liebsten den Online-Fragebogen gleich zusammen mit ihm ausgefüllt.
Auch Claudia Jung blickt auf zwei besondere Begegnungen zurück. Da war der junge Mann, der auf die Frage „Familienstand?“ geantwortet hat: „Leider noch ledig.“ Und da sei noch der ältere Herr gewesen. „Der hat mir ein Gedicht aufgesagt“, erinnert sich die 37-Jährige schmunzelnd.
Wohnungserhebung Mit einem geringfügig größeren Aufwand müssen die Wohnungs- und Hauseigentümer rechnen. Von ihnen werden Angaben zu Ort und Größe ihrer Immobilien, zu Name und Anzahl der Hausbewohner und zur Gebäudeart erwartet. Vermieter müssen auch noch Angaben zur Miethöhe machen.
© Alexander Becher
Volkmar Schwozer wurde bei Befragungen des Öfteren in die Wohnung gebeten.
Haushaltsbefragung 2022 findet wieder ein Zensus statt. Mit dieser statistischen Erhebung wird ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten.
Volkszählung In Deutschland ist der Zensus 2022 eine Bevölkerungszählung, die durch eine Stichprobe ergänzt und mit einer Gebäude- und Wohnungszählung kombiniert wird.
Turnus Deutschland nimmt an einer EU-weiten Zensusrunde teil, die seit 2011 alle zehn Jahre stattfinden soll. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der anstehende Zensus von 2021 in das Jahr 2022 verschoben.
Grundlage Die EU verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Erfassung von Bevölkerungsergebnissen. Der rechtliche Rahmen ist das Zensusgesetz.
Ergebnisse Die Ergebnisse des Zensus 2022 liefern folgende Informationen:
aktuelle Bevölkerungszahlen
Daten zur Demografie, das heißt Alter, Geschlecht oder zum Beispiel Staatsbürgerschaft der Einwohnerinnen und Einwohner Daten zur Wohn- und Wohnungssituation (beispielsweise: durchschnittliche Wohnraumgröße, Leerstand oder Eigentümerquote)
Auswertung Die Daten werden nur anonymisiert ausgewertet. Es geht nicht darum, etwas über die Lebensverhältnisse der Einwohnerinnen und Einwohner zu erfahren. Vielmehr sollen Daten verallgemeinert, Summen gebildet und Durchschnitte berechnet und nicht der Einzelfall dargestellt werden. Ziel und Zweck ist es ausschließlich, eine verlässliche Datenbasis für weitere Planungen zu erhalten.