Miss Merkel ermittelt wieder
Im Fegefeuer der Eitelkeiten
RTL schickt zum dritten Mal eine Alt-Kanzlerin auf Verbrecherjagd, und diesmal sogar bei einer Kreuzfahrt: „Mord auf hoher See“.

© dpa/RTL/Cristina Ríos Bordón
Macht auch auf hoher See eine gute Figur: Katharina Thalbach als Miss Merkel.
Von Tilmann P. Gangloff
Ganz gleich, ob in der Kunst, im Sport oder in der Politik: Menschen, die anderen deren Erfolge gönnen, und das womöglich von Herzen, sind rar gesät. Daher gerät Krimi-Freundin Angela Merkel – auch diesmal wieder täuschend echt verkörpert von Katharina Thalbach – prompt in ein Fegefeuer der Eitelkeiten, als sie an einer Krimi-Kreuzfahrt teilnimmt.
„Mord auf hoher See“ ist die Verfilmung des dritten „Miss Merkel“-Romans von David Safier – und mit Abstand die bisher beste. Der erste Film, „Mord im Schloss“ (2023), war viel zu dick aufgetragen und albern. Beim zweiten, „Mord auf dem Friedhof“ (2024), war die Balance aus Komödie und Ermittlungsebene überzeugender, aber erst das Kreuzfahrtabenteuer ist nun rundum gelungen. Gerade Krimi-Fans kommen auf ihre Kosten, denn die Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind sicher kein Zufall; und das gilt nicht nur für die ehemalige Kanzlerin und ihren Gatten Joachim Sauer (Thorsten Merten), der es gar nicht mag, wenn man ihn als „Herr Merkel“ anspricht.
Das Drehbuch nimmt den Knüller gleich vorweg: In den Büchern des von Frauen umschwärmten Bestsellerautors Florian Watzek (Stephan Luca) geht’s gern blutig zu. Das gilt auch für seinen Abgang: Mit großer Geste verurteilt sich Watzek als Richter, Henker und Delinquent in einer Person auf der Showbühne des Schiffs zum Tode durch die Guillotine, weil er seine Leserschaft stets um den Nachtschlaf bringe. Der Kopf plumpst in einen Korb, das Publikum ist beeindruckt, der Vorhang schließt sich – im Fall des Autors jedoch für immer: Jemand hat das Gerät manipuliert. Der Kopf ist wirklich ab.
Mit Hilfe einer Rückblende trägt der Film nun nach, wie Merkel, Sauer und Bodyguard Mike (Tim Kalkhof) auf dem Schiff eintreffen und die Stars der deutschen Krimi-Literaturszene kennenlernen. Auf den Thriller-Autor sind sie alle nicht gut zu sprechen, und das hat nicht nur mit seinem Erfolg zu tun: Der Mann ist ein Schnösel. Bevorzugtes Opfer seiner Arroganz ist seine Assistentin (Mai Duong Kieu). Sie hatte nicht nur die Idee für sein jüngstes Werk, sondern außerdem erheblichen Anteil daran. Weil Watzek jedoch keine Göttin neben sich dulden und die Meriten nicht teilen wollte, gilt die junge Frau nun als dringend mordverdächtig, zumal sich das Fallbeil in ihrer Obhut befand. Später gibt es einen weiteren Todesfall und gleich zwei Geständnisse, aber Merkel ahnt, dass die Wahrheit viel komplizierter ist.
Wie schon der letzte Film ist „Mord auf hoher See“ keine Parodie, zumal Regisseur Torsten Wacker, der auch für „Mord auf dem Friedhof“ verantwortlich war, erneut darauf verzichtet hat, das Ensemble als Comedy-Figuren zu inszenieren. Aus dem Rahmen fällt allein Sascha Nathan als personifizierte Unfähigkeit: Kommissar Hannemann hat es dank seiner angeblichen Aufklärung der früheren Morde als „Sherlock Holmes aus der Uckermark“ zu einer gewissen Bekanntheit gebracht, daher ist er zu Merkels mittlerem Entsetzen als Überraschungsgast geladen.
Mit Lara Mandoki (Experte für Tier-Krimis) und Dirk Borchardt (Rügen-Krimis) ist Watzeks Konkurrenz zudem prominent besetzt. Zwei weitere Autoren werden von Matthias Komm und Julius Feldmeier nicht minder prägnant verkörpert, zumal sich recht bald zeigt, dass es zwischen den fünf Verdächtigen Verbindungen gibt.
Zu loben ist außerdem die Bildgestaltung (Kamera: Timo Schwarz), und das nicht nur wegen der effektvollen, durch Kunstnebel ergänzten und mit dramatischer Musik unterlegten Bühnenpräsentationen – auch Merkel lässt es sich nicht nehmen, alle Beteiligten, wie es sich im Krimifilm gehört, zur Auflösung ins Bordtheater zu bitten.
Miss Merkel: Mord auf hoher See. RTL, Dienstag, 2. 9., 20.15 Uhr, und bei RTL plus